Die Dampfkraft-Anlage der Gesenkschmiede Hendrichs war im Hinblick auf einen künftigen Ausbau größer dimensioniert, als dies für den augenblicklichen Bedarf notwendig war. Die überschüssige Energie verwendete man für die mit dem Betrieb kombinierte Miet-Schleiferei. Die Brüder Hendrichs haben ihre Schleiferei bewusst errichtet, um die Firmengründung in der Anfangszeit mit den Mieteinnahmen finanziell solide abzusichern. Dieser Zweck war schon recht bald erfüllt, denn die Schleiferei wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg geschlossen. Im Zuge der Elektrifizierung hatten sich sehr viele Solinger Schleifer eine eigene Motor-Werkstatt eingerichtet, so dass es immer schwieriger wurde, die Arbeitsstellen in den Dampfschleifereien zu vermieten.
Im Laufe der Jahrzehnte entstand in der Gesenkschmiede Hendrichs ein großer Bestand an Werkzeugen (Leisten, Gesenke, Schnittwerkzeuge), mit dem insgesamt etwa 1.300 verschiedene Scherenmodelle in meist jeweils fünf bis sechs Größenabmessungen hergestellt werden konnten. Neben Scheren und chirurgischen Instrumenten wurden alle erdenklichen kleineren Schmiedestücke für benachbarte Industriezweige – so etwa die in Solingen ansässige Fahrrad(teile)-industrie – geschmiedet. Bereits um die Jahrhundertwende entwickelte sich die Herstellung von Schlüsseln für die Velberter Schloss- und Beschlägeindustrie zu einem weiteren wichtigen Standbein der Firma. Die Gründungsphase des Unternehmens endete mit der Auszahlung der stillen Teilhaber (Erbengemeinschaft Theodor Kieserling) im September 1906 – also 20 Jahre nach der Grundsteinlegung. Fortan wurden alle verfügbaren Mittel in den weiteren Ausbau investiert. 1910 wurde eine neue Dampfmaschine aufgestellt, die auch für die Zukunft noch Kraftreserven bot. Während des Ersten Weltkrieges produzierte die Fa. Hendrichs in beträchtlichem Umfang Rüstungsgüter. Im Jahre 1920 erreichte die Belegschaft mit 71 Personen einen vorläufigen Höchststand, der, unterbrochen durch die Rezession 1925/26, bis zur Weltwirtschaftskrise ab 1929 gehalten werden konnte. Im Lauf der Krise sank die Belegschaft auf 42 Personen im Januar 1933 ab.
In Zukunft sollten weder der Produktionsumfang noch die Beschäftigungszahlen der 1920er Jahre jemals wieder erreicht werden. Nimmt man den Koksverbrauch als Indiz der wirtschaftlichen Aktivität, so wurden erst 1938 wieder Werte erreicht, die mit denen der 1920er Jahre einigermaßen vergleichbar waren. Der bereits im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges einsetzende Rüstungsboom ließ die Belegschaft erneut anwachsen. Seit 1942 wurden Zwangsarbeiter aus dem westlichen Ausland eingestellt. Mit etwa 50 – 60 Beschäftigten wurden während des Zweiten Weltkrieges abermals in erheblichem Umfang Rüstungsteile erzeugt. Abgesehen von der Anschaffung einer zusätzlichen Drehbank konnte dabei auf den vorhandenen Maschinenpark der Scherenfertigung zurückgegriffen werden, der bereits 1925 durch die Aufstellung eines 1.000 kg-Hammers erweitert worden war. Als ehemaliger Rüstungsbetrieb wurde das Unternehmen 1945/46 von der englischen Besatzungsmacht stillgelegt. Nachdem die Fa. Hendrichs 1947 das „Permit“ erhalten hatte, nahm sie zunächst am allgemeinen Wachstumstrend teil, der bis 1953 stetig wachsende Umsatzzahlen bescherte. Die Zahl der Beschäftigten erreichte allerdings kaum mehr das Niveau der 1930er Jahre. Die Belegschaft wuchs von 15 Personen im Jahre 1947 auf 41 Personen im Jahre 1955. Spätestens in den 1960er Jahren trat das Unternehmen in eine Phase, in der stärkere Investitionen sowohl an den Fabrikationsgebäuden als auch in den Maschinenpark eine unabdingbare Voraussetzung für eine weitere prosperierende Entwicklung gewesen wären. Mangels Kapital und nicht zuletzt auch aufgrund der schweren Erkrankung des Unternehmers der dritten Generation, Peter-Wilhelm-Hendrichs, der in den 1950er Jahren noch einen neuen Dieselmotor für den Antrieb der gesamten Fabrik angeschafft hatte, wurden keine nennenswerten Investitionen mehr vorgenommen. Die Belegschaft reduzierte sich sukzessive, Neueinstellungen blieben auf das Nötigste beschränkt.
1986 wurde das Werk stillgelegt und anschließend Teil des Rheinischen Industriemuseums. Schlägereien wie die Firma Hendrichs repräsentieren den frühen Typ des Fabrikbetriebes in der Solinger Schneidwarenindustrie. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis der industriellen Entwicklung Solingens. Erst durch die Schlägereien ist neben der in eine Vielzahl von Berufen aufgeteilten Handwerker-Arbeiterschaft eine davon sozial, kulturell und schließlich auch gewerkschaftlich bzw. politisch zu unterscheidende Fabrik-Arbeiterschaft entstanden. Im Hinblick auf die Entwicklung der Solinger Wirtschaftsstruktur kam den Schlägereien einen ähnliche Leitfunktion zu wie dem Eisenbahnbau auf nationaler Ebene. Der wachsende Bedarf an Werkzeugmaschinen – u.a. Fallhämmer, Vierschlaghämmer, Pressen, Drehbänke, Hobelmaschinen, Bohrmaschinen – führte dazu, dass in Solingen mehrere Maschinenfabriken entstanden, die sich durch überregionale Orientierung und Ausweitung des Produktprogramms auch dann halten konnten, nachdem der erste Boom der Ausrüstung von Schlägereien abgeklungen war.
Die Schließung der Gesenkschmiede Hendrichs im Jahre 1986 – genau 100 Jahre nach ihrer Gründung – und ihre Umwandlung in ein Industriemuseum war symptomatisch für den Deindustrialisierungsprozess in Solingen. Das Unternehmen war unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum mehr sanierungsfähig. Die Anlagen und besonders die Gebäude waren hoffnungslos veraltet, die Methoden der kaufmännischen Betriebsführung befanden sich noch weitgehend auf dem Stand der 1950er Jahre. Es gab einen ungeheuren Nachholbedarf an Arbeitsschutzmaßnahmen; viele der nach dem Stand der Technik festgelegten Bestimmungen der Gewerbeaufsicht waren nur ansatzweise erfüllt. Die Situation der Gesenkschmiede Hendrichs war kein Einzelfall. Das Problem des Generationswechsels erwies sich bei der überwiegenden Mehrzahl kleinerer, traditioneller Betriebe, die, sei es krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen, den Anschluss verpasst hatten als nicht zu überbrückende Hürde. Es ist der eigenartigen Struktur der Solinger Schneidwarenindustrie zu verdanken, dass sich solchen Betrieben manchmal über Jahrzehnte hinweg eine Nischenexistenz bot, in der sie nicht selten in der Hand von greisen Unternehmern mehr oder weniger kümmerlich dahin vegetieren konnten.
Im Falle der Firma Hendrichs war diese Nische technischer Art. Kurioserweise verdankte die Gesenkschmiede Hendrichs gerade ihrer Antiquiertheit bis zuletzt eine gewisse Konkurrenzfähigkeit. Weil in den Kellern des Unternehmens noch der größte Teil der Werkzeuge einer nunmehr 100jährigen Fabrikation von Scherenrohlingen schlummerte, war diese Schmiede wie kaum eine andere in der Lage, aus dem Stand heraus die mit dem Nostalgieboom der 1970er Jahre wieder verstärkt nachgefragten historischen Zierscheren herzustellen. Moderne Schmieden waren zu neuen Methoden der Gesenkherstellung übergegangen und hatten ihren alten Werkzeugbestand verschrottet. Seit den späten 1960er Jahren wurden die Werkzeuge per Kopierfräs- oder Erodierverfahren hergestellt. Spätestens in den 1980er Jahren begann die CNC-Technik die Werkzeugmachereien der Gesenkschmiedebetriebe grundsätzlich zu revolutionieren. Die durch den erhöhten Kapitaleinsatz bedingte Verteuerung der Werkzeugkosten war nur bei einer Erhöhung der Stückzahlen rentabel. Die Fa. Hendrichs hingegen konnte einfach auf den vorhandenen Bestand an Gesenkwerkzeugen zurückgreifen oder im ungünstigsten Falle mit Hilfe der vorhandenen Patrizen die erforderlichen Werkzeuge anfertigen. Auf Basis dieses in der Vergangenheit angehäuften Bestandes an Werkzeugen konnte das Anfang der 1970er Jahre offensichtlich in eine Krise geratene Unternehmen sein Ende hinauszögern.
Die Dampfkraft-Anlage der Gesenkschmiede Hendrichs von 1906/10 war im Hinblick auf einen künftigen Ausbau größer dimensioniert, als dies für den augenblicklichen Bedarf notwendig war. Die überschüssige Energie verwendete man für die mit dem Betrieb kombinierte Miet-Schleiferei, um dort insgesamt 11 Arbeitsräumen mit Energie zu versorgen. In den Räumlichkeiten befanden sich Schleifstellen für etwa 80 bis 90 Schleifer. Die Firmengründer hatten sich durch die Kombination der Schmiede mit der Dampfschleiferei eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle erschlossen, um die Firmengründung in der Anfangszeit mit den Mieteinnahmen finanziell solide abzusichern. Dieser Zweck war schon recht bald erfüllt, denn die Schleiferei wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg geschlossen. Im Zuge der Elektrifizierung hatten sich sehr viele Solinger Schleifer eine eigene Motor-Werkstatt eingerichtet, so dass es immer schwieriger wurde, die Arbeitsstellen in den Dampfschleifereien zu vermieten.
Die Fabrikanlage der Firma Hendrichs wurde in wenigen Etappen ausgebaut und erreichte bereits im Ersten Weltkrieg fast die heute erhaltene Größe. Bereits zwei Jahre nach der Grundsteinlegung erfolgte die erste Fabrikerweiterung. Das Schmiedegebäude wurde in der Fläche mehr als verdoppelt, so dass fünf weitere Fallhämmer aufgestellt werden konnten. Um die Jahrhundertwende zog man das Fabrikgebäude durch den Anbau einer Werkzeugmacherei bis an die Straßenfront der Merscheider (damals Mangenberger) Straße vor. Die Errichtung eines Lagers an der Westseite integrierte nun auch das inzwischen zum Kontor umfunktionierte ehemalige Wohnhaus in den Fabrikkomplex.
Die beiden Familien der Firmengründer hatten im Jahre 1896 eine auf dem Firmengelände errichtete repräsentative Villa bezogen. Drei Jahre später konnte auch ein eigener Pferde- und Kleinviehstall eingeweiht werden.
Bis 1915 dehnte sich das Unternehmen noch einmal in alle Himmelsrichtungen aus: An der Nordostseite wurde eine Schneiderei, zur südlich gelegenen Hofseite eine weitere Schmiedehalle und im östlichen Teil der Fabrik ein Maschinenhaus angebaut; der westlich gelegene Lagerbereich wurde vergrößert. Als die Firma 1906 eine neue Dampfmaschine aufstellte, wurde auf dem Hof ein fast 20 Meter hoher Kühlturm errichtet. Die Grundfläche der Fabrikanlage erreichte schließlich durch den Anbau eines neuen Kesselhauses im Jahre 1939 mit etwa 4 000 Quadratmetern ihre maximale Ausdehnung. Insgesamt verfügte die Firma Hendrichs über 33 Hämmer, womit der Betrieb zu den größten Solinger Gesenkschmieden zählte. Vorübergehend standen sogar in der Nass-Schleiferei fünf Fallhämmer.
Die Dampfschleiferei blieb allerdings seit 1917 nahezu ungenutzt. Angesichts der rückläufigen Zahl von Stellenmietern während des Ersten Weltkrieges lohnte ihr Betrieb offenbar nicht mehr. Er ist auch nach dem Krieg nicht wieder aufgenommen worden. Die Firma Hendrichs nutzte nur einige Räume in der Dampfschleiferei. In den 1930er Jahren richtete sie hier Sozialräume für die Belegschaft ein, einzelne Räume dienten als Lager, im ehemaligen Maschinenraum wurden Batterien zum Speichern des Stroms vom eigenen Generator untergebracht.
In den 192Oer Jahren entstanden verschiedene Lagerschuppen auf dem Hofgelände und auch eine hölzerne Garage für die Automobile des Unternehmens. Aus dieser Zeit sind auch Gartenplanungen überliefert, die eine sehr aufwendige dekorative Gestaltung des Geländes hinter der Firmenvilla vorsahen. Die Fläche zwischen Villa und Fabrik war mit Obstbäumen bepflanzt.
Nach außen hin wirkte die Fabrik -abgesehen von der Eckfassade an der Merscheider Straße, wo sich eine Waage befand - wenig repräsentativ. Es handelte sich um einen eingeschossigen, shedüberdachten Zweckbau, dessen dunkle Backsteinmauern insbesondere bei dem in der Region vorherrschenden Regenwetter eine überaus unwirtliche Atmosphäre ausstrahlten. Dieses äußere Erscheinungsbild kennzeichnete die Gesenkschmiedebetriebe: Als Rohwarenproduzenten waren sie die Hinterzimmer der ,,Solinger Fabrik" und brauchten sich auswärtigen Handelspartnern nicht zu präsentieren.
Weil nach dem Ersten Weltkrieg keine nennenswerten Investitionen mehr in die Fabrikanlage vorgenommen wurden, hat sich die ursprüngliche Gestalt bis heute erhalten - ergänzt um die Spuren der Arbeit aus mehreren Jahrzehnten. Im Inneren prägten Reparaturen, Installationen von Maschinen und Geräten und auch kleinere bauliche Maßnahmen, die die Belegschaft im Laufe der Jahre selbst vornahm, das Aussehen der Fabrik.
Das alte Fabrikensemble mit den Gebäuden aus roten Backsteinen, den typischen schrägen Sheddächern oder den hohen Schornsteinen hat sich kaum verändert. Alle Maschinen, die Fallhämmer, Pressen und Fräsmaschinen, alle Werkzeuge, auch die Werkbänke für die Werkzeugmacher sind noch komplett vorhanden. Selbst der Umkleideraum mit den alten Spinden, der Waschraum mit der langen Reihe drehbarer Waschschüsseln, das Maschinenhaus oder das Kontor mit der klappernden Schreibmaschine, alles ist noch da.
Die Konzertreihe „Jazz in der Schmiede“ oder auch das jährliche Museumsfest bilden Highlights im jährlichen Veranstaltungskalender. Im November eines jeden Jahres findet der Messer-Gabel-Scherenmarkt statt. Mehr als 20 Solinger Firmen präsentieren Schneidwaren für jeden Geschmack und jeden Bedarf – und dies in allerbester Qualität. Unter dem Titel „Sonndags en der Schmette“ lädt der Förderverein drei- bis viermal im Jahr zu Gesprächen und Vorträgen in lockererer Atmosphäre ein.
Auch die Kooperationsveranstaltungen mit dem Humboldtgymnasium, der Partnerschule des Museums sind immer wieder Publikumsmagneten. Zum regelmäßigen Angebot gehört außerdem ein Schleifservice. Dienstags ist die Schleiferei besetzt und die Besucher können ihre abgenutzten Scheren oder Messer zu günstigen Preisen wieder aufarbeiten lassen.
Das vielseitige museumspädagogische Programm umfasst Angebote für Kindergärten, nach Jahrgangstufen und Schulformen differenzierte Programme für Schulklassen, bietet spannende Kindergeburtstage sowie eine Vielzahl von Veranstaltungen und Aktionen für Familien mit Kindern.
• Hendrichs, Franz: Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922
• Friedr. Herder Abr. Sohn. In: Die westdeutsche Wirtschaft und ihre führenden Männer (Hg. Dr. Julius Kiel). Oberursel 1982
• Putsch, Jochem:“…wurde am 2.Sept.1886 der erste Stein zur Schleiferei gelegt“. Baustadien der Fabrik, in: Gesenkschmiede Hendrichs. Solinger Industriegeschichte zwischen Handwerk und Fabrik, Essen 1999, S. 57 – 59 (Schriften / Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum; Bd. 15 Ausstellungskatalog)
• Putsch, K.P. Wiemer, Auf den Spuren der Solinger Schleifer. Historische Touren in Solingen-Widdert (= Rheinisches Industriemuseum. Wanderwege zur Industriegeschichte Band 2). Köln 1992
• Dagmar Thiemler, Reinhard Dauber, Jochen Putsch, Solinger Dampfschleifereien. Historische Handwerksstätten der Solinger Schneidwarenindustrie (= Rheinisches Industriemuseum, Kleine Reihe, Heft 7). Köln 1991