Die Gründung des Unternehmens fiel in eine Zeit ausgeprägten industriellen Wachstums auch im Solinger Industriebezirk. Um Aufträge brauchten sich die jungen Unternehmer nicht zu sorgen. Neben der Etablierung des Siegen-Solinger Guss-Stahlwerkes am Weyersberg, an der die Maschinenfabrik planerisch und ausführend beteiligt war, bot vor allem die Einrichtung von Gesenkschmieden und Dampfschleifereibetrieben oder auch von mechanischen Werkstätten für die Solinger Schneidwarenfabrik – so insbesondere in der Waffenfabrik Gebr. Weyersberg – ein reiches Betätigungsfeld.
Zwischen 1870 und 1900 fand in der Solinger Schneidwarenindustrie eine vom Schmiedeprozess ausgelöste Mechanisierungswelle statt, die zur Entstehung zahlreicher neuer Fabriken führte. Die Rolle der Fa. Kieserling beschränkte sich dabei nicht allein auf die Planung und Herstellung von Transmissionsanlagen, Dampfkraftanlagen, Guss-Säulen oder Maschinen. Kieserling trat selbst immer wieder als Promoter und sogar Financier auf. Das inzwischen prominenteste Beispiel für die weitsichtige Unternehmenspolitik stellt sicherlich die Beteiligung am Aufbau der 1886 gegründeten Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen-Merscheid – dem heutigen Industriemuseum – dar, der ohne die Fa. Kieserling vermutlich gar nicht denkbar gewesen wäre.
In den Jahren 1873/74 war auf dem zunächst nur 1.300 m² großen Firmengrundstück in Fachwerkbauweise ein Wohn- und Fabrikationsgebäude errichtet werden. Die Betriebsfläche von 350 m² reichte angesichts der noch stark handwerklich geprägten Arbeitsprozesse fast zehn Jahre. In den 1880 er Jahren erfolgte eine geradezu explosionsartige Erweiterung auf etwa die achtfache Größe, wobei auch eine eigene Gießerei errichtet wurde. In den nachfolgenden Jahren gelang es dem Unternehmen, weitere Teile des Areals zwischen Kölner Straße, Flurstraße und Birkenweiher zu erwerben. Das Gelände wurde bis zum Ersten Weltkrieg nicht allein mit zusätzlichen Betriebsanlagen – u.a. eine Dampfschleiferei und eine Gesenkschmiede, die vermietet wurde – sondern auch mit Mietshäusern – für den gehobenen Bedarf städtischer Mittelschichten – sehr dicht bebaut.
Als nach dem Tode von Theodor Kieserling im Jahr 1901 die Erbangelegenheiten geregelt werden mussten, entstand eine erste Inventur, die Aufschluss über die Vermögensverhältnisse des zu diesem Zeitpunkt kaum 30-jährigen Unternehmens gibt. Der Gesamtwert des Unternehmens schlug mit 790.000 Mark zu Buche, wobei 250.000 Mark auf die technischen Einrichtungen und die Maschinen, 540.000 Mark auf das Betriebsgelände, die Betriebsgebäude, auf Immobilien und Beteiligungen entfielen.
Nachdem die Firmenleitung auf die zweite Generation übergegangen war, wurde die Familie Albrecht, in deren Besitz sich etwa ein Drittel des Kapitals befand, im Jahr 1905 ausbezahlt. Einen Teil der hierzu erforderlichen Mittel konnte die Familie Kieserling aufbringen, indem sie die stille Teilhaberschaft an der Gesenkschmiede Hendrichs, die inzwischen bestens florierte und auf eigenen Füßen stehen konnte, auflöste.
Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg war es gelungen, die Fixierung auf den begrenzten Markt der lokalen und regionalen Kleineisenindustrie zu überwinden. Hierzu waren gravierende Veränderungen der Produktpalette erforderlich. Kieserling spezialisierte sich auf verschiedene Arten von schweren Pressen. Neu hinzu kamen Maschinen zur Bearbeitung von Rohren, Stangen und Schmiedemaschinen und später zur Herstellung von Felgen. Natürlich war die Fa. Kieserling angesichts des durch ein hohes Qualifikationsniveau und durch Flexibilität gekennzeichneten Produktionsprozesses auch weiterhin in der Lage, eine breite Palette von Spezialmaschinen nach individuellen Kundenwünschen anzufertigen.
Nicht zuletzt mit Hilfe der Schmiedemaschinen ist es dem Unternehmen gelungen, Geschäftsbeziehungen zur ehemaligen Sowjetunion aufzubauen, die sich nicht nur während der Weltwirtschaftskrise sehr stabilisierend auswirkten, sondern auch nach dem Zweiten Weltkrieg Grundlage eines ausgeprägten Osthandels blieben.
Mit ihrem Produktionsprogramm zählte die Fa. Kieserling zum Kreis der Industrieausrüster der internationalen Automobilindustrie, die von der Massenmotorisierung profitierten. Die Belegschaft wuchs bis 1962 auf mehr als 1.000 Beschäftigte an, wobei es angesichts des erforderlichen Qualifikationsniveaus darauf ankam, den Nachwuchsbedarf durch ein effektives innerbetriebliches Ausbildungswesen zu decken. In der eigenen Lehrwerkstatt wurden nach dem Krieg in 40 Jahren nicht weniger als 1.000 Lehrlinge ausgebildet.
Infolge konjunktureller Einbrüche und aufgrund forcierter technologischer Modernisierung und Rationalisierung wurde der Beschäftigungsstand seit den 1970er Jahren sukzessive abgebaut.
1994 wurde das traditionsreiche Unternehmen von einem der Hauptkonkurrenten, der Aachener Schumag AG, übernommen. Die neue Geschäftsleitung reduzierte die zu diesem Zeitpunkt noch 310 Beschäftigte zählende Belegschaft in den kommenden Jahren auf weniger als ein Drittel. Teile der Immobilien kaufte die Stadt Solingen. Trotz dieser Rosskur sowie städtischer Finanzhilfen entschloss sich die Schumag AG das Werk 1998 stillzulegen. Das Firmengelände wurde von der Solinger Fa. Egon Evertz aufgekauft.