Bandweberei Wilhelm Büsgen
Wuppertal-Unterbarmen, Friedrich Engels-Allee 161
Reiner Rhefus
Die Bandweberei Wilhelm Büsgen in Wuppertal-Unterbarmen


Zu den bedeutendsten Zweigen des Textilgewebes im Wuppertal gehörte die Bandweberei. „Als in den 1860er Jahren die Mode die gemusterten Stoffe verließ und den glatten sich zuwandte, da mussten diese doch ein Ornament haben, das waren die Bänder“, schreibt der Zeitzeuge Adolfs Thun 1879. In Barmen stellten die Bandweber bald etwa 40 Prozent der in der Textilbranche Beschäftigten. Neben den Bandwebern, die in den Fabriken arbeiteten, gab es einen hohen Anteil an sogenannten Lohnbandwirkern, kleine selbstständige Webermeister, die ein bis vier Stühle betrieben und oftmals im ländlichen Raum, am Stadtrand oder in kleineren Ortschaften zwischen Wermelskirchen und Sprockhövel lebten. In Barmen und Elberfeld saßen die Auftrag gebenden Firmen, und wöchentlich brachten die Lohnbandweber die von ihnen gefertigten Bänder zu den zentralen Firmengebäuden und bekamen mit den neuen Aufträgen das entsprechende Material.

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Übersichtstafel. Foto: 2014
Das Firmengelände der Firma Wilhelm Büsgen ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Hier lassen sich anhand der Gebäude die typischen Entwicklungsschritte der Wuppertaler Bandindustrie ablesen.

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Vorderhaus, Friedrich-Engels-Allee. Foto: 2014
Das Vorderhaus an der Friedrich-Engels-Allee wurde von dem Bandfabrikanten und Verleger Stoltenhoff um 1862 errichtet. Das hintere, zur Wupper gelegene Gelände wurde zu dieser Zeit von der Türkisch-Roth-Färberei Wolf, die um 1877 in die benachbarte Färberei Wittenstein & Troost aufging, genutzt. Im linken Teil des durch eine Toreinfahrt geteilten Gebäudes wohnte der Fabrikant, im rechten war das Kontor untergebracht. Das Wohnhaus des Fabrikanten hatte einen mit Stuck eingefassten repräsentativen Eingang zur Allee. Zum Garten lag ein säulengeschmückter Wintergarten. Im Kontorflügel arbeiteten ein Haspelmädchen, ein Packer und ein Lehrling. Das Doppelhaus steht an der „Allee“, einer repräsentativen Verbindungsstraße zwischen den ehemals selbstständigen Städten Elberfeld und Barmen. In den 1860er Jahren errichteten viele Firmeninhaber hier neben ihren repräsentativen Villen ihre Fabriken. Kleinere Verleger, wie etwa Stoltenhoff, bauten gelegentlich ein zweiteiliges Haus, mit Wohnbereich und Kontor. Mehrere ähnliche Häuser mit hinten liegenden später entstanden Fabrikbauten sind heute noch an der Allee erhalten.

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Kontorgebäude von 1886. Foto: 2014
1877 übernahm der Fabrikant und Bandweber Wilhelm Büsgen die Gebäude. Büsgen arbeitete zunächst ausschließlich mit Heimarbeitern, die Einfasslitzen für Herrenröcke auf Bandstühlen oder Riementischen herstellten. In den 1880er Jahren weitete sich die Produktion aus und im Hof entstand 1886 ein großes Kontorgebäude. Hier wurden das Material für die Heimarbeiter vorbereitet und ausgegeben und die fertigen Bänder entgegengenommen, gehaspelt und verpackt. Eine Liefertür, auf Höhe der Ladefläche eines Handkarrens, erinnert an die Lieferungen der Heimarbeiter. Später zog Wilhelm Büsgen in eine nahegelegene Stadtvilla und im Wohnhaus wohnten Angestellte: der Obermeister, der Haspelmeister, zwei Kettenschererinnen, eine Heimarbeiterin.

Samtbänder und „Besenborte“ waren eine Spezialität der Firma Büsgen. Besenborte, eine Entwicklung der Wuppertaler Bandweber entwickelten sich über Jahrzehnte hinweg zu einem gefragten Artikel. Die Samtbänder wurden übereinander auf zwei Ebenen gewebt und sind über einen Faden miteinander verbunden. In einem zweiten Schritt werden die Bänder voneinander getrennt, und es entstehen die für den Samt typischen aufrechtstehenden Fasern. Die „Besenborte“ war ein Band mit einer seitlichen „Bürste“. Es wurde zum Schutz der Saumkante zwischen dem Rockstoff und dem Futterstoff, mit der Bürste nach unten, eingenäht, um den Rocksaum vor Abrieb und Straßenschmutz zu schützen.

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Fabrikgebäude von 1911. Foto: 2014
Für die Fertigung dieser Artikel bedurfte es besonderer und teurer Webstühle. Zugleich konnten immer mehr einfache Artikel der Bandproduktion mit zentral angetriebenen Maschinen und Dampfkraft rationeller gefertigt werden.

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Kesselhaus. Foto: 2014
Auf dem hinteren, zur Wupper gelegenen Gelände entstanden von 1909 - 1911 neue Produktionsstätten: zunächst ein zweigeschossiger Betonskelettbau, dann ein vierstöckiges Fabrikgebäude. Das Baujahr 1911 ist im Giebel notiert. Im Winkel zwischen den beiden Gebäuden lagen das Kesselhaus und die Dampfkraftanlage. Mit der Gasdampfmaschine wurde Strom zum Antrieb der Maschinen in den Fabriketagen erzeugt. In der unteren Etage standen die schweren Flechtmaschinen, im ersten und zweiten Obergeschoss lagen die Websäle.

In dem Gebäude arbeiteten in der Blütezeit 200 Menschen. Zusätzlich wurden in der Hausindustrie weitere 400 Weber beschäftigt. Heute besteht die Firma in der dritten Generation und einige der alten Webstühle werden für neue innovative Verfahren genutzt: dreidimensionales Webens. Auch heute noch stehen in dem Gebäude Samtwebstühle von 1910.