Mennige, Bleiweiss-, Zinkweiss- und Druckfarbenfabrik Lindgens
Deutz-Mülheimer Straße 165–183



Walter Buschmann / Matthias Hennies / Alexander Kierdorf
Mennige, Bleiweiß-, Zinkweiß- und Druckfarbenfabrik Lindgens


Aus Rohstoffen aus dem nahe gelegenen Bergischen Land stellte die Firma Bleiweiß und rote Bleimenninge her, die als Schutzanstrich für Holz und Metall gebraucht wurden. Schon um 1830 gegründet, war sie einer der ältesten Bleiweißfabriken Europas.

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Schaubild 1851
1851 übernahm Carl Anton Lindgens mit seinen Söhnen die Anlage. Die Firmenbesitzer spielten bald auch im gesellschaftlichen Leben der Stadt Mülheim eine wichtige Rolle.

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Bleiweißfabrik. Foto 2017
Die zunächst nach 1851 entstehenden, noch bescheidenen Bauten der Bleiweißfabrik wurden in traditioneller rot-gelber Backstein-Industriearchitektur zwischen Deutz- Mülheimer und Hafenstraße errichtet.

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Zinkweißfabrik. Foto 2017
Um 1900 entsteht westlich der Hafenstraße eine Zinkweißfabrik. Auch deren Bauten stehen noch in der Tradition der rot-gelben Backsteinarchitektur im Fabrikbau. Zu den Bauten gehört direkt am Mülheimer Hafen auch ein Lokomotivschuppen.

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Mennigefabrik. Foto 2019
1912 bis 1922 erhielt das Werk eine neue Halle für die Produktion von Mennige. Die beiden sichtbaren Fronten sind architektonisch völlig unterschiedlich gestaltet, obwohl sie dieselbe vierschiffige Halle begrenzen: Die Fassade zum Fabrikhof ist als Reihe von hohen Fensteröffnungen gestaltet, die durch mehrfache Abstufungen im Ziegelmauerwerk plastisch gerahmt werden. Die so entstehende Reihung monumentaler Öffnungen lässt die kleinteilige innere Aufteilung der Halle vergessen. An der Rückfront zur Hafenstraße dagegen markieren vier Giebel die Schiffe der Halle. Diese Form der Wandgliederung taucht im Werk Karl Friedrich Schinkels auf und wurde im Neoklassizismus auch in den Backstein-Industriebau übersetzt.

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Druckfarbenfabrik. Foto 2017
Der kompakte Industriebau der Druckfarbenfabrik wurde bald nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände einer Ziegelei für eine Tochterfirma der benachbarten Bleiweißfabrik Lindgens errichtet. Um die zentrale Produktionshalle gruppieren sich zweigeschossige Verwaltungs- und Labortrakte und die Abfertigung. Die Treppenhäuser an den Ecken sind durch Glasaufsätze überhöht. Das halbrund vorspringende, verglaste Treppenhaus auf der Rheinseite steht in der Nachfolge der auf der Werkbundausstellung 1914 in Köln gezeigten Muster-Fabrik von Walter Gropius. Viele originale Details haben sich in diesem funktionalen Industriebau der frühen Nachkriegszeit erhalten.


Chronik

Seit ihrer Gründung im Jahre 1851 steht die Firma Lindgens & Söhne GmbH & Co. KG für die Produktion und den Vertrieb von chemischen Blei- und Zinkprodukten, Bleirohren und Walzbleierzeugnissen sowie der Herstellung von Bleifarben und Weißfarben; ab 1947 auch für die Produktion von Druckfarben.

1851 Gründung
1851 übernimmt der Kölner Kaufmann und Protestant Carl Anton Lindgens mit seinen Söhnen Adolf und Carl ein Fabriklokal auf der Chaussee zwischen Deutz und Mülheim. Sie erwerben auch die „Herstellungsrezepte“ für Mennige von dem Vormieter. Das Familienunternehmen startet die Produktion von Mennige und beginnt mit dem Handel von Bleiweiß.

1876
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Schaubild 1876
Ausbau der Produktion und des Handels. Schnell wächst das Unternehmen weiter: Der Sohn des Gründers, Adolf Lindgens sen., bringt seine Kenntnisse aus Studienaufenthalten in England ein, modernisiert die alten Herstellungsverfahren und erreicht, dass Deutschland zu einem bedeutenden Exporteur von Blei- und Bleifarbenerzeugnissen wird. Er sichert sich in weiser Voraussicht die langjährigen Verkaufsrechte für Deutschland an Lithophone, einer Weißfarbe, die dem Bleiweiß starke Konkurrenz macht.

1901
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Schaubild 1901
1901 feiert man 50 Jahre erfolgreiche Firmengeschichte. Eine Nitritfabrik wird errichtet, ein Bleiwalzwerk kommt hinzu. Man steigt in die Fabrikation von Zinkweiß ein. Das Werksgelände umfasst jetzt eine Fläche von 4 Hektar (40.000 qm).

1912
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Mennigefabrik. Foto 2019
Neubau einer der weltgrößten Mennigefabriken. 1922 wird die größte europäische Mennigefabrik in Betrieb genommen.

1932
streiken u. a. die Beschäftigten bei Lindgens & Söhne wegen massiver Lohnsenkungen. Der Neubau für die Zinkweißproduktion führt zu einer Verdoppelung der Kapazitäten. Dr. Max Graeff, Schwiegersohn von Kommerzienrat Adolf Lindgens, tritt in die Geschäftsführung ein. Werner Lindgens und Robert Wahlen, Sohn und Schwiegersohn von Emil Lindgens, treten in die Geschäftsführung ein. Die Geschäfte wachsen trotz der Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und der weltweiten Rezession.

Zweiter Weltkrieg
Während der Bombenangriffe 1944 auf Köln-Mülheim wird das Werksgelände zu 85 % zerstört.

Nach 1945
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Bleiwalzwerk. Foto 2019
Nach Kriegsende beginnt man einen Notbetrieb und startet, dank des unter den Trümmern verbliebenen Rohbleis, mit der Herstellung von Bleirohren zur Wasserversorgung. Als neues Betätigungsfeld kommt 1948 die Herstellung von Druckfarben hinzu.

1951
100-Jahr Feier Lindgens & Söhne – Wirtschaftswunder 300 Beschäftigte.