Zeche Bonifacius
Essen, Rotthauser Str. 44


Walter Buschmann
Zeche Bonifacius


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Verwaltungs- und Kauengebäude
Nachdem die Anlagen aus der Gründungszeit der Zeche Bonifacius nicht mehr erhalten sind, dokumentieren die überlieferten Bauten den Ruhrbergbau der Jahrhundertwende. Die zu dieser Zeit neu entstehenden Übertageanlagen wurden realisiert durch die Gelsenkirchener Bergwerks AG, zu der Bonifacius seit 1899 gehörte. Das neugotisch gestaltete Kauen- und Verwaltungsgebäude von 1903 ist besonders auch im Vergleich zu anderen, zeitgleichen Bauten des Unternehmens, wie etwa der 1903/04 entstandenen Zeche Zollern 3/4 in Dortmund, interessant. Der reichhaltig überlieferte Baubestand der Zeche Bonifacius ermöglicht auch noch eine Vorstellung von der Gesamtdisposition einer Zeche der Jahrhundertwende.


Zwei Schachttürme 1860 und 1875

Das auf halber Strecke zwischen Essen und Wattenscheid gelegene Dorf Kray mit seinen 18 Höfen und 299 Einwohnern (um 1850) war Schauplatz für Entstehung und Entwicklung der Zeche Bonifacius. 1845 und 1849 wurden die nördlich des Dorfes gelegenen Steinkohlenfelder Franziska, Christine und Bonifacius verliehen. 1851 erfolgte die Konsolidation der drei Felder zu Vereinigter Bonifacius. Die Gewerkschaft Ver. Bonifacius begann 1857 mit Abteufung von Schacht 1. 1858 erreichte man das Karbon und konnte 1859 die Förderung aufnehmen. Ein regelmäßiger Förderbetrieb wurde jedoch erst 1863 mit 283 Beschäftigten aufgenommen.

Die um 1860 entstandene Malakowanlage der Zeche Bonifacius ist mehrfach durch historische Fotos dokumentiert.

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Panoramafoto mit Schacht 1 (rechts) und Malakowturm Schacht 2
An den viergeschossig ausgebildeten Turm war seitlich ein hoher Flügel für die Gestängewasserhaltungsmaschine angesetzt und an der Rückseite ein Flügel für die Fördermaschine. Im Winkel zwischen den beiden Maschinenhäusern war das mit drei Giebeln versehene Kesselhaus eingefügt. Der Kamin stand axial hinter dem Schachtturm. Von dieser Schachtturmanlage sind übertägige Relikte nicht erhalten.

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Luftbild der zechenanlage von 1926 mit dem Bahnanschluss (unten) und der Siedlung (oben)
Die von Feldern umgebene Zeche war über ein Anschlußgleis mit der Köln-Mindener Eisenbahn verbunden worden. Als die Rheinische Eisenbahn mit der Linie Essen-Gelsenkirchen und Bau des Bahnhofes Kray-Nord die Schachtanlage 1867 südlich tangierte, verbesserten sich die Transportbedingungen wesentlich.

Mehrfach wurde der Betrieb der Schachtanlage in den folgenden Jahrzehnten durch Wassereinbrüche gestört. 1866 stieg das Wasser bis 40 m unter die Hängebank. Die Förderung mußte mehrere Monate ruhen.

Typisch für die Gründerzeit ist die 1872 vollzogene Umwandlung der Gewerkschaft Ver. Bonifacius in eine Aktiengesellschaft. Ein Jahr später erfolgte eine Erhöhung des Stammkapitals um 1 Mio Mark zur Anlage eines zweiten Schachtes und zum Bau von Arbeiterwohnungen. Gleichzeitig mit dem Bau einer Sieberei und Wäsche war 1872 Abteufbeginn für Schacht 2. Nach sechsjähriger Bauzeit kam Schacht 2 1878 in Förderung.

Auch für Schacht 2 wurde nach Plänen von 1875 eine Malakowanlageanlage realisiert, die im Anlageschema stark dem Schacht 1 glich. Wieder waren die beiden Maschinenhäuser winkelförmig an den Turm angefügt. Auch Kesselhaus und Kamin erhielten die gleiche Anordnung, doch war das Kesselhaus deutlich größer dimensioniert. Nördlich angrenzend an den Schacht entstand in den 1880er Jahren eine Kokerei. Auch von der Schachtturmanlage des Schachtes 2 sind keine Reste erhalten.

Die Zeche hatte schon vor dem Ausbau zwischen 1868 und 1880 gute Ergebnisse mit etwa 180 bis 220 000 t Kohle Jahresförderung (Ausnahme 1877) erzielt. Die Belegschaft kletterte in diesem Zeitraum von etwa 600 auf über 1000 Mann. Nach 1880, als sich die Förderaufnahme von Schacht 2 bemerkbar machte, stieg die Leistung auf 350 000 t und mehrere Jahre hindurch auf über 400 000 t Kohle pro Jahr. Die Zahl der Beschäftigten wuchs kontinuierlich und pendelte sich in den 1890er Jahren bei etwa 1500 Mann ein.


Erste Siedlung

Waren in den Anfangsjahren der Zeche Bonifacius die Bergleute, noch weite Fußwege zurücklegend, aus der Mülheimer Gegend gekommen, bemühte sich später die neugegründete Aktiengesellschaft um die Schaffung zecheneigener Wohnungen. Parallel zur Rotthauser Straße wurden drei lange Zeilen zweigeschossiger Backsteinbauten errichtet. Die Zeche plante den Bau "gesunder und freundlicher Arbeiterwohnungen ..., um das körperliche und sittliche Gedeihen der Arbeiter möglichst zu fördern und dieselben durch die Beschaffung eines behaglichen Daheims an Häuslichkeit zu gewöhnen".


Expansion

Durch Bau von zwei Außenschachtanlagen dehnte sich Bonifacius auch übertägig in das Umland aus. 1892 war Abteufbeginn für den Wetterschacht im Ostfeld (später Schacht 4), der etwa 1 km östlich der Gründungsschächte lag. Nach kräftiger Ausdehnung der Abbaurechte auf insgesamt fünf Geviertfelder wurde im Südfeld 1898 mit dem Schacht 3 begonnen. Schacht 3 förderte von 1902 bis 1924. Die Kohle wurde zur Schachtanlage 1/2 transportiert und dort verarbeitet.

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Fördermaschinenhäuser und Fördergerüst Schacht 1
Zwischenzeitlich war 1897 der Schacht 2 zu Bruch gegangen und konnte erst nach Verfüllung und Neuabteufung 1898 wieder in Betrieb genommen werden. Kurz darauf suchte eine zweite Katastrophe die Zeche heim, als 1898 der Schachtturm von Schacht 1 mit dem Wasserhaltungsgebäude bis auf die Umfassungsmauern abbrannte. Mit einem Fördergerüst anstelle des Malakowturmes konnte die Förderung im Mai 1899 wieder aufgenommen werden.



Erneuerung durch den Gelsenkirchener Bergwerks-Verein

Diese Ereignisse mögen mit dazu beigetragen haben, daß die Zeche ihre Selbständigkeit aufgab und am 1.11.1899 auf dem Weg des Aktientausches der Gelsenkirchener Bergwerks AG (GBAG) einverleibt wurde. Die 1873 gegründete und wesentlich von Friedrich Grillo vorangetriebene GBAG war zur Jahrhundertwende die größte Zechengesellschaft im Ruhrbergbau mit dem bei weitem größten Grubenfelderbesitz und vereinigte 1904 16 Schachtanlagen mit 24 852 Beschäftigten.
Generaldirektor und überragender Kopf in der Leitung der GBAG war seit 1875 Emil Kirdorf. Wie aus der Geschichte der Zeche Zollern 2/4 bekannt, war die GBAG unter Kirdorf sehr an einer qualitativ hochstehenden Architektur der neuentstehenden und umzuformenden Schachtanlagen interessiert. Die Übertageanlagen von Zollern 2/4 wurden seit 1898 vorwiegend nach Entwürfen des Gelsenkirchener Baumeisters Paul Knobbe in diesem Sinne ausgeführt.

Für Bonifacius begann nach Übernahme durch die GBAG etwa seit 1902 eine "Zeit betrieblichen Ausbaus in bisher nicht gekanntem Umfang". Völlig erneuert wurde der Schacht 1 mit den angrenzenden Bauten für Elektrische Zentrale (Maschinenhalle) 1902, Kauen- und Verwaltungsgebäude 1903-05, Werkstatt 1903, Magazin 1905/06, Verbandshalle mit Totenkammer 1906 und die Fördermaschinenhalle mit Elektrofördermaschinen 1906-1910. Die Bauanträge für die in anspruchsvoller Architektur erstellten Gebäude sind - soweit überliefert - fast alle von Emil Kirdorf unterzeichnet.


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Kauen- und Verwaltungsgebäude
Zudem entstanden neue Aufbereitungsanlagen 1902/1911, eine Brikettfabrik 1908 und ab 1910 eine Kokerei mit 240 Koksöfen und großer Nebenproduktenanlage. Bis auf die Malakowanlage von Schacht 2 war eine völlig neue Zeche entstanden, die in architektonischer Qualität und technischer Ausstattung den auf grüner Wiese entstandenen Großzechen der Jahrhundertwende nahezu gleich kam. Die Gestaltung der überwiegend in neugotischen Formen entstehenden Gebäude lag in Händen des Zechenbaumeisters Bongart. Nach vollendetem Ausbau erreichte die Zeche 1913 erstmals eine Förderleistung von über 1,0 Mio t Kohle im Jahr, eine Leistung, die allerdings in den 1920er Jahren nicht aufrecht erhalten werden konnte. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf über 3000 Mann und wuchs in den 1920er Jahren zeitweise sogar auf über 5000 Mann.


Weitere Siedlungen

Schon vor dem Übergang an die Gelsenkirchener Bergwerks-AG hatte Bonifacius mit dem weiteren Bau von Zechenhäusern begonnen. Seit 1896 entstand nördlich der alten Kolonie eine neue aufgelockerte Siedlungsanlage mit großzügig in Gartengrundstücke eingebundenen Vierhäusern mit Kreuzgrundriß. Entlang der Rotthauser Straße entstanden Steiger- und Beamtenwohnhäuser. Anfang der 1920er Jahre wurde das Siedlungswerk von Bonifacius noch ergänzt durch die Kolonie Achternberg, so daß die Zeche insgesamt 854 Wohnungen in 257 Häusern erbaute.


Bonifacius als Teil der Vereinigte Stahlwerke AG

Nachdem die GBAG 1926 in der Vereinigten Stahlwerke AG aufging, wurde auch Bonifacius Teil dieses damals größten europäischen Montankonzerns.

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Zeche und Siedlung Bonifacius in einem Luftbild von 1926
1929 wurde die Malakowanlage von Schacht 2 abgebrochen. Nach Plänen von Schupp und Kremmer, die gleichzeitig an der Realisation von Zollverein 12 arbeiteten, erhielt der Schacht 2 ein neues Fördergerüst mit Schachthalle, Separation und Fördermaschinenhaus. Das Fördergerüst in Vollwandbauweise folgte in modifizierter Form der Bauart Dörnen und wurde bis in die Nachkriegszeit hinein Vorbild für viele vergleichbare Fördergerüstkonstruktionen.

Noch vor dem 2. Weltkrieg gab es für Bonifacius Pläne für einen großzügigen Ausbau der Aufbereitungsanlagen. Die Ausführung dieser Planungen wurden jedoch verzögert durch den Kriegsausbruch und nach Kriegsende durch Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung. Erst 1950 bis 1954 entstanden Sieberei, Schwerflüssigkeitswäsche und Landabsatz. Die neuen Anlagen waren über ein weitläufiges System von Transportbrücken mit den Schachthallen der Schächte 1 und 2 verbunden. Bonifacius war auf eine Förderkapazität von 4000 Tagestonnen ausgebaut worden und erreichte 1960 wieder eine Jahresförderung von über 1 Mio t Kohle.


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Der Landabsatz kurz vor seinem Abbruch
1966 erfolgte die Vereinigung der Zechen Bonifacius und Holland (Gelsenkirchen) mit Zusammenfassung der Förderung auf der Schachtanlage Holland 4/6. Das Baufeld kam zu Zollverein, die Förderung wurde auf Bonifacius eingestellt. Anschließend erfolgte der Abbruch der Aufbereitungsanlagen, Kokerei und Schacht 2. Das große Werkstattgebäude, das Verwaltungsgebäude an der Rotthauser Straße und die Schachthalle von Schacht 1 sind noch kurz vor Unterschutzstellung 1982 beseitigt worden. Der Landabsatz fiel 1994.

Trotz des reduzierten Umfanges bieten die erhaltenen Gebäude der Zeche Bonifacius noch das Bild einer in Formen des Historismus erbauten Großzeche der Jahrhundertwende.


Literatur

• Wilhelm Busch, Fritz Schupp, Martin Kremmer. Bergbauarchitektur (= Arbeitsheft 13 Landeskonservator Rheinland), Köln 1980>
• Die Betriebs- und insbesondere die Wetterverhältnisse der Steinkohlenzeche ver. Bonifacius zu Kray bei Essen a.d. Ruhr, in: ZBHS 31, 1883, S. 161-162
• Führer durch die rheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie. Mit zahlreichen Situationsplänen, Profilen, graphischen Darstellungen und einer Übersichtskarte. W. Forschpieper (Hg.), Oberhausen1880
• Gerhard Gebhardt, Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957
• Gelsenkirchener Bergwerks-Aktien-Ges. (Hg.), 10 Jahre Steinkohlenbergbau der Vereinigte Stahlwerke AG 1926-1936, o.O., o.J. (Essen 1956)
• Geschäftsberichte ver. Bonifacius 1874-1907, (Fundort: Bibliothek des Ruhrgebiets)
• Geschäftsberichte Gelsenkirchener Bergwerksverein 1873-1928/29
• Vereinigte Stahlwerke (Hg.), Die Steinkohlenbergwerke der VSt. Die Schachtanlage Bonifacius in Essen-Kray, o. O., o. J. (Essen 1929).