Fa. Gustav Felix "Gloriawerk"
Solingen, Grünewalder Str. 2
Jochem Putsch
Das Gustav Felix Gloriawerk in Solingen


Mitten im Zweiten Weltkrieg – 1943 – feierte die Firma Gustav Felix „Gloriawerk“ ihr 100jähriges Bestehen. In einem Bericht des Solinger Tageblattes vom 18.05.1943 hieß es dazu: „Mit Stolz blickt die Firma auf ein Jahrhundert voll Arbeit und fleißigen Schaffens auf die Erfolge zurück, die ihr die Berechtigung geben, mit Zuversicht in die Zukunft zu sehen, im besten Vertrauen darauf, daß nach siegreich beendetem Krieg ihr weiterhin Aufstieg und Erfolg beschieden sein werde.“ Eineinhalb Jahre später – bei den Bombenangriffen des November 1944 – wurden die Betriebsanlagen des Gloria-Werkes unweit des Solinger Hauptbahnhofes bis auf die Grundmauern zerstört. Es folgten schwere Jahre, in denen die Messer zunächst in Tanzsälen und Schuppen produziert und mit einem gemieteten Pferd ausgeliefert wurden.
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Gustav Felix Gloriawerk. Foto: Gregori, 2015
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Gustav Felix Gloriawerk. Foto: 2011
Am Ende dieser Phase, in der Felix buchstäblich aus der Asche kroch, stand der 1955 im Stil des Neuen Bauens errichtete hochwertige Bau des Architekten Erhard Körber, der bis heute zu den schönsten Fabrikbauten des Bergischen Landes überhaupt gezählt werden darf.

Die Familie Felix – ursprünglich aus Italien stammend – siedelte sich um 1500 in der Provence an. Als Hugenotten vertrieben, zogen die auf den Tuchhandel spezialisierten Vorfahren in die Mark Brandenburg. Gustav Felix ließ sich schließlich 1770 in Vockert, Solingen-Widdert, als Landwirt nieder und betrieb schon bald auch eine Hufschmiede. Aus dieser ging um 1810 eine Taschenmesserfabrikation hervor, die nach und nach zum Haupterwerbszweig der Familie wurde. 1843 entstand die Stahlwarenfabrik am Grünewald – in bester Umgebung der Firmen Henckels und Herder. In den Gründerjahren nach 1870 erlebte das junge Unternehmen einen rasanten Aufschwung. Auch Scheren und lange Messer wurden nun in das Sortiment aufgenommen. Neben den guten Handelsbeziehungen zu den skandinavischen Ländern, gelang es neue Verbindungen nach Amerika und vor allem nach Osteuropa und Russland aufzubauen. Die optimale Verkehrsanbindung unweit des 1910 entstandenen Süd- bzw. Westbahnhofes tat ihr übriges. Eigene Niederlassungen in Hamburg, Aachen, Leipzig, Magdeburg, Lübeck, Frankfurt und Berlin zeugen vom Stellenwert des Unternehmens um die Jahrhundertwende.

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Gustav Felix Gloriawerk. Foto: Gregori, 2015
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Gustav Felix Gloriawerk. Foto: Gregori, 2015
Das neue Verwaltungs- und Betriebsgebäude ist symptomatisch für die zukunftsorientierte Grundhaltung des Unternehmens, die sich schon in den 1920er Jahren bemerkbar machte. Das Gustav Felix Gloria-Werk zählte zu den ersten Unternehmen, die das traditionelle Heimarbeiter-System aufgaben, die Fertigung komplett in den eigenen Betrieb verlagerten und konsequent mechanisierten. In den 1950er Jahren – zu einer Zeit als in Solingen noch die handwerkliche Fertigung dominierte – brachte die Fa. Felix, die inzwischen etwa 100 Beschäftigte zählte, Großserien von Haushaltsmessern auf den Markt, die fast völlig mechanisch gefertigt waren. Im bayrischen Deggendorf entstand 1961 ein Zweigwerk, schon 1962 folgte die Beteiligung an der Schweizer Pilatus Stahl- und Schneidwaren AG mit 40 Mitarbeitern. In Zusammenarbeit mit dem Industriedesigner Prof. Karl Dittert aus Schwäbisch Gmünd entstanden maschinengerechte Formen, wie die Messerserie „Classica“ oder die Scherenserie „Exacta“, mit denen das Unternehmen deutlich aus dem traditionellen Formenkanon der Schneidwarenindustrie heraustrat.

Das neue moderne Fabrikgebäude stand für diese Firmenphilosophie.