Siegbrücke
Menden, Siegstraße

Walter Buschmann
Die Siegbrücke zwischen Troisdorf und Menden


Geschichte

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Siegbrücke. Melanbauweise
Die Brücke über die Sieg bei Menden entstand im Zuge einer Planung für die Umgehung des Durchgangsverkehrs für Siegburg 1928/29. Es entstand eine Betonbogenbrücke nach dem System Melan. Die Betonarbeiten wurden von der Fa. Hüser & Cie in (Bonn-)Oberkassel durchgeführt. Die Stahlkonstruktion lieferte die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, Werk Sterkrade. Die mehrfach unbestimmte Brückenkonstruktion war zeichnerisch mittels Cremonaplan bestimmt worden. Ungenauigkeiten beim Zeichnen, die Nichtberücksichtigung des Gewichtes der Schalung und das ungleichmäßige Einbringen des Betons in die Schalung führten zum Einsturz der Konstruktion während der Betonarbeiten im Dezember 1928.


Beschreibung

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Siegbrücke. Foto: 2011
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Querschnitt
Die Brücke überspannt das an dieser Stelle etwa 60 Meter breite Flussbett der Sieg und die beidseitig anschließenden Flutgelände von zusammen etwa 190 Meter. Das Flusstal wird begrenzt auf der einen Seite durch das befestigte Hochufer, auf der anderen durch einen Damm. Das Brückenbauwerk hat zwischen Hochufer und Damm eine Gesamtlänge von 221 Meter und eine Breite von 10,8 Meter. Die Strombrücke erreicht eine Spannweite von etwa 60 Meter. Am Nordufer schließt sich ein einzelner Flutbogen von 20 Meter und am Südufer eine Folge von sechs Flutbögen mit Spannweiten von 25 und 20 Metern an.

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Betonbögen. Foto: 2011
Um für die Strombrücke eine möglichst schlanke Rippenform zu ermöglichen, wurden im Scheitelpunkt der Bögen Walzgelenke aus Stahlguss eingefügt. Die Rippenbreite konnte damit auf 1,0 bis 1,10 Meter beschränkt werden. Die Bewehrung der Bögen besteht in der für die Bauart Melan typischen Art aus je zwei Hauptträgern, deren Ober- und Untergurte durch Winkeleisen verbunden sind. Diese von der Gutehoffnungshütte gelieferte Stahlkonstruktion (Formstahl St 37) wurde mit 70mm Überdeckung zu den das Erscheinungsbild der Gesamtbrücke dominierenden Betonbögen ausgebildet. Zwischen den Bögen befinden sich Queraussteifungen in K-Form.

Die Fahrbahn wird von den an den beiden Bögen angebrachten Hängestäben und den direkt mit den Hängestäben unter der Fahrbahn quer verlaufenden Aussteifungsrippen getragen. Diese Querträger unter der Fahrbahn bestehen im Kern ebenfalls aus nachträglich mit Beton umhüllten Stahlfachwerkkonstruktionen mit Ständer- und Strebenfachwerk. An die Querträger sind auskragende Konsolen zur Auflagerung der Fußwege angefügt. In der Mitte der ist die gesamte Brückentafel mit einer längsbeweglichen Dehnungsfuge geteilt. Die heute asphaltierte Fahrbahn war ursprünglich gepflastert.

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schiffsbugartige Pfeiler und flachbogige Gewölbe der Flutbrücken
Die Uferpfeiler der Stromöffnung und die Pfeiler der Vor- und Flutbrücken wurden aus unbewehrtem Beton errichtet und sind an den Schmalseiten jeweils schiffsbugartig ausgebildet. Die Brückenfelder der Flutbrücken sind flachbogige Gewölbe, wobei die Fuß- und Radwege ohne Konsolträger vollflächig auf den Gewölben auflagern.

Die Brücke wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört . Der Melanbogen blieb dabei unbeschädigt. Zerstört und anschließend erneuert wurden zwei Felder der Vor- und Flutbrücken(frdl. Mitteilung von Dr. Holger Eggemann/Hegger+Partner, Aachen). Metallstabgeländer und Lampen wurden in jüngerer Zeit auf dem ganzen Brückenzug (wohl 1980er Jahre) erneuert.


Bedeutung

In der vergleichsweise jungen Geschichte des Betonbrückenbaus dominierten seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts über mehrere Jahrzehnte die unbewehrten Stampfbetonbrücken. Erst nach den Patenten für Francois Coignet 1855 und 1866, besonders aber 1867 für Joseph Monier mit der ersten von Monier erbauten Stahlbetonbrücke von 1875 gewann auch diese Bauweise mit den innenliegenden Bewehrungen an Bedeutung. Besonders die großen Betonfirmen propagierten den Bau von Betonbrücken. Wayss & Freytag dokumentierte mit einer 1914 veröffentlichten Firmenschrift bereits mehr als 300 in Beton erbaute Brücken und Durchlässe. Für die Stahlbetonbrücken bekam die 1892 entwickelte Bauart Melan für Bogenkonstruktionen erhebliches Gewicht.

Der Wissenschaftler und Bauingenieur Joseph Melan(1853-1941) erwarb sich große Verdienste um die Entwicklung der Stahl- und Stahlbetonkonstruktionen, war Mitverfasser von Standardwerken dieser Konstruktionsarten und lehrte an der Technischen Hochschule in Brünn und Prag Brückenbau. Josef Melan war einer der überragenden Autoritäten im österreichischen Brückenbau. Melan entwickelte sein System der steifen Bewehrung zuerst für Deckenkonstruktionen und erheilt für sein System der Verbindung stählerner Bogenrippen mit Betongewölben 1892 ein Patent. Die ersten drei kleineren Brücken nach diesem System entstanden bis 1894. Die Bauart Melan basierte auf steifen Bewehrungen in Stahlkonstruktion, die gleichzeitig zur Befestigung der Schalungen dienten und nach Aufrichtung an der Baustelle mit Beton ausgegossen wurden. Mit dieser Bauweise konnte man die für Stampfbeton notwendigen Lehrgerüste vollständig sparen oder deutlich reduziert ausbilden. Kosten- und Zeitvorteile ergaben sich besonders bei Brücken über tiefe Taleinschnitte. Starke Verbreitung erlangte das System Melan in den USA, wo bis 1924 bereits 5000 solcher Brücken entstanden waren. Auch in Europa entstanden nach 1900 zahlreiche Brücken nach dem Melan-System. Joseph Melan selbst wirkte teilweise am Bau dieser Brücken mit. Noch heute spielt die weiterentwickelte Bauweise Melan in Japan, China, Italien und Österreich eine beachtliche Rolle. Eng verwandt mit diesem Konstruktionssystem sind die von Emperger, Ribera und Möller entwickelten Bauweisen.

Die Siegbrücke bei Menden ist ein gutes Beispiel für die Geschichte des Stahlbetonbaus und der Melan-Brücken. Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg waren vergleichsweise gering, wurden als Wiederaufbau in der vorhandnen Bau- und Konstruktionsart behoben und betrafen den für die Denkmaleigenschaft konstitutiven Melan-Bogen nicht. Die Brücke gilt in der Fachliteratur zu Recht als „bedeutendes Denkmal deutscher Ingenieurbaukunst“(vgl. Eggemann/Kurrer 2006, S. 920).

Das System Melan galt als die Lösung für den Ersatz des aufwändigen Lehrgerüstbau. Es wurde eingesetzt für die Siegbrücke bei Menden, um bei dem erwünschten, möglichst raschen Baufortschritt Behinderungen durch Herbst- und Winterhochwasser zu vermeiden.

Zugleich bemühte man sich auch um eine befriedigende Einpassung des Bauwerks in das Landschaftsbild. Die Einfügung des Scheitelgelenks im Bogen der Stromüberbrückung hatte ästhetische Gründe und verlieh der Brücke größere Leichtigkeit und Eleganz. Die Betonbogenbrücke galt in den 1920er Jahren generell als eine Bauweise, in der die Eigenart des Materials künstlerisch besonders gut zum Ausdruck kam. Die Siegbrücke bei Menden ist auch dafür ein Beispiel.


Literatur

• Eggemann, H., Kurrer, K.-E.: Bogenbrücken mit steifer Bewehrung: Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Systems Melan. Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift (ÖIAZ) 150 (2005), H. 2-3, S. 45-53
• Eggemann, H., Kurrer, K.-E.: Zur internationalen Verebreitung des Systems Melan seit 1892: Konstruktion und Brückenbau, in: Beton- und Stahlbetonbau 101, 2006, Heft 11, S. 911-922
• Erler, Uwe/ Schmiedel, Helga: Brücken. Historisches, Konstruktion, Denkmäler, Leipzig 1988
• Gesteschi, Th.: Bogenbrücken und Überwölbungen (= Handbuch für Eisenbetonbau, Bd. 7 Hg. F. Emperger), Berlin 1921
• Melan, J./ Th. Landsberg: Eiserne Bogenbrücken und Hängebrücken, Handbuch Ingenieurwissenschaften Abt. 2.5, Leipzig 1906
• Melan, Joseph/ Gesteschi, Theodor: Handbuch für Eisenbeton 11. Bd., Berlin 1932
• Melan, Joseph: Der Brückenbau. Vorträge gehalten an der deutschen technischen Hochschule Prag, 5 Bde, bes.: Bd. 2 Steinerne Brücken und Brücken aus Beton-Eisen, Wien 1911
• Reisinger, Erich: Die Brücke über die Sieg bei Menden, in: Die Bautechnik 11, 1933, H. 13, S. 149-156
• Schafft, Peter: Frühe Eisenbetonbrücken in Schleswig-Holstein, Denk!Mal 5, 1998, S. 63-67
• Stiglat, Klaus: Erste Brücken aus Beton, in: Schmidt, Hartwig(Hg.): Zur Geschichte des Stahlbetonbaus. Die Anfänge in Deutschland 1850 bis 1910, Berlin 1999
• Wayss & Freytag (Hg.): Brückenbauten, Neustadt an der Haardt 1914
• Zucker, Paul: Die Brücke, Berlin 1921