Hauptverwaltung
Leverkusen

Walter Buschmann
Bayerwerk Leverkusen | Hauptverwaltung


Erste planerische Vorüberlegungen für eine Hauptverwaltung in Leverkusen gab es bereits 1902. Ein Vorprojekt wurde 1904 zur Begutachtung dem Berliner Architekten W. Martens vorgelegt. Pläne dieses Projektes sind nicht überliefert. Martens nahm besonders zu Belichtungsverhältnissen sowie zur Gestaltung der Treppen und Korridore Stellung.

Laut Firmenüberlieferung sollen die endgültigen Pläne für die Hauptverwaltung von dem Architekten Willy Günther unter Mitwirkung von Hubert Amrhein entstanden sein. Der Name Günther läßt sich in den Primärquellen jedoch nicht nachweisen und ist auch sonst in Leverkusen oder im Zusammenhang mit dem Unternehmen Bayer nicht bekannt. Hubert Amrhein wird in den Konferenzprotokollen "betreffend den Erweiterungsbau des neuen Verwaltungsgebäudes" unter den Anwesenden genannt und die Baueingabepläne tragen das Monogramm H. A., so dass die Autorenschaft, zumindest aber die Mitwirkung von Hubert Amrhein am Entwurf der Hauptverwaltung als gesichert gelten darf.

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Hauptverwaltung. Ost-Seitentrakt & Pfoertner. Historisches Foto aus dem Jahre 1950
Eine Baugenehmigung für den Westflügel wurde 1906 erteilt. Im Juli 1911 wurden auch Mittelbau und Ostflügel genehmigt und 1912/13 war der Bau fertig gestellt. Mit dem Einzug der Angestellten (900 Arbeitsplätze) und der Direktion mit dem 1912 zum Generaldirektor ernannten Carl Duisberg an der Spitze wurde der Unternehmenssitz endgültig von Elberfeld nach Leverkusen verlagert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden West- und Ostflügel 1953 aufgestockt. Unter Beibehaltung der historischen Substanz in den Untergeschossen entstanden für die Seitenflügel neue dreigeschossige Fassaden mit flachen Walmdächern im Stil der fünfziger Jahre. 1962 wurde der Uhrenturm über dem Mitteltrakt abgebrochen. 1987 wurden West- und Ostflügel in freier Anlehnung an die Architektur des Mittelbaus mit Naturstein in historischen Formen verkleidet. Das dritte Geschoß wurde dabei in ein schiefergedecktes Mansarddach einbezogen.

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Hauptverwaltung. Grundriss-Schema
Der tief in das Werksgelände hineinragende Komplex der Hauptverwaltung besteht aus dem zur Kaiser-Wilhelm-Allee orientierten Hauptbau und einem System kammartig nach Norden anschließender rückwärtiger Flügelbauten. Der mittlere Flügelbau enthält das Foyer und die mächtige Haupttreppe. Er endet im Norden in einem halbrund geformten Abschlußbaukörper. Die vier weiteren Flügel gruppieren sich anfangs direkt im Anschluß an das Hauptgebäude um annähernd quadratische Innenhöfe, um dann mit nach Norden offenen Lichthöfen in das erwähnte Kammsystem überzuwechseln.


Frontfassade

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Südfassade der Hauptverwaltung. Foto: Gregori, 2012
Besonders aufwendig im Stil des Historismus gestaltet ist der 1911-13 entstandene Mittelteil der Südfassade des Hauptbaus. Beherrschendes Motiv im übergiebelten Mittelrisalit ist das große, rundbogige Portal, beiderseits flankiert durch geschoßhohe Doppelsäulen. Im ersten Obergeschoß liegt hinter den Natursteinbalustern eines Balkons ein sechsfach unterteiltes ebenfalls von Doppelsäulen begleitetes Großfenster. Im Giebel befindet sich ein großes Relief (Job Hammerschmidt/Düsseldorf) mit allegorischen Darstellungen der Chemie (weiblich) und der Technik (männlich). Beide Figuren werden eingerahmt durch Putten, die am Altar Merkurs, dem Gott der Kaufleute opfern. Über dem Giebel erhob sich ursprünglich der 1962 abgebrochene Uhrenturm.

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Südfassade der Hauptverwaltung. Foto: Gregori, 2012
Die an den Mittelrisalit jeweils anschließenden vierachsigen Seitenflügel werden über einem hohen Sockelgeschoß durch Rechteckfenster im Erd- und Segmentbogenfenster im Obergeschoß gegliedert. Die größeren Fenster im Obergeschoß zur Belichtung der Konferenzsäle sind zusätzlich betont durch Teilungen aus Natursteinstöcken in den Oberlichtern, rahmende Klötzchenfriese und Baluster in den Brüstungsfeldern. Erd- und Sockelgeschoßfenster sind mit Schlußsteinen geschmückt, wobei die mit Natursteinreliefs versehenen Schlußsteine im Sockelgeschoß Monatsbilder zeigen (Job Hammerschmidt/Düsseldorf). Von den ursprünglich 12 Monatsbildern sind acht erhalten.

Der gesamte Bau ist horizontal gegliedert durch kräftige Stockwerks- und Traufgesimse. Das Stockwerksgesims teilt das rustizierte und mit Bossenquadern verblendete Erd- und Sockelgeschoß von der in Werkstein ausgeführten Obergeschoßfassade. Das hohe mit Schiefer gedeckte Mansarddach ist mit kupferbeschlagenen Einzelgauben und jeweils darüber angeordneten übergiebelten Belüftungsgauben versehen. Als Dachkonstruktion dienen genietete Stahlbinder.

An den Hauptbau schließen sich die in Anpassungsarchitektur mit Sandsteinverkleidung 1987 entstandenen Fassaden des Ost- und Westflügels an.

Die Fassaden der rückwärtigen Flügelbauten und der Innenhöfe sind wesentlich einfacher gehalten. Architekturgliederungen wie Fensterumrahmungen, Gebäudeeckausbildungen, Gesimse sind in rotem Naturstein, die Sockel in bruchrauhem Basalt ausgebildet. Die Wandflächen sind teilweise mit glasierten Fliesen im Ziegelsteinformat verblendet, teilweise auch nur verputzt. An der Nordseite wurden die rückwärtigen Flügel nachträglich um zwei Geschosse aufgestockt.


Innenausstattung

Die erhaltene, überaus reichhaltige Innenausstattung der Hauptverwaltung konzentriert sich auf Foyer, zentrales Treppenhaus, den daran anschließenden Raumfolgen zur Erschließung der Direktions- und Konferenzzimmer und einige Konferenzzimmer selbst.

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Foyer der Hauptverwaltung. Foto: Hansen, 2005
Hinter dem durch Natursteinstöcke unterteilten Haupteingang mit seinen Bronzetüren ist das Foyer als hohe Halle ausgebildet. Über eine breite, einläufige Treppe wird eine Empore erschlossen mit den zum Treppenhaus führenden Bronzetoren. Seitlich führen leicht gewendelte Treppen als Abgänge zum Sockelgeschoß. In die Wandbekleidung aus dunklem Marmor sind auf der unteren Ebene aufwendige Verkleidungen für die Heizkörper in Schmiedeeisen eingefügt. In die Marmorverkleidung sind Bronzetafeln bedeutender Chemiker und Physiker eingelassen: Justus Liebig, Jacobus Henricus van't Hoff (Pier Pander), Victor Meyer (E. Pfuhl), Carl Theodor Liebermann (Rheinhold Feldermann), Karl Graebe (Karl Dautert), Theodor Curtius (H. Volz), Ludwig Knorr (Fritz Klimsch), Paul Ehrlich (Gustav Wiedemann). Über der Marmorverkleidung sind die Wände mit vergoldeten Tapeten versehen. Die Halle wird von einer reich profilierte Kassettendecke überspannt.

Im Anschluß an das Foyer erstreckt sich das als Ehrenhof gestaltete zentrale Treppenhaus. Die Halle ist vom Foyer her zugänglich durch drei rundbogige Öffnungen. Zwei seitlich angeordente einläufige Treppen erschließen ein auf etwa halber Hallenhöhe liegendes, breites Podest, von dem aus eine breite Mitteltreppe auf die allseitig das Treppenhaus umgebende Emporenebene führt. Die ganze Treppenanlage ist in ihrer Wirkung berechnet auf eine in Hallenmitte geradezu schwebende Plastik einer von Fritz Klimsch geschaffenen Bronzefigur der Nike. Die Figur soll an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitarbeiter des Bayerwerks Leverkusen erinnern, deren Namen in der darunter liegenden Maromorfläche eingemeißelt sind. Wandbekleidungen und Treppenbrüstungen sind wie im Foyer in dunklem Marmor ausgeführt. Die durchbrochenen Treppenbrüstungen sind zusätzlich mit reich ornamentierten schmiedeeisernen Gittern geschmückt. Seitlich neben der Mitteltreppe sind in den Pilastern auf Emporenhöhe zwei Bronzetafeln eingelassen mit Profildarstellungen von Friedrich Bayer (Walther Wolff/Berlin) und Dr. von Böttinger (Fritz Klimsch).

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Foyer der Hauptverwaltung. Historisches Foto aus dem Jahre 1933
Über der Treppenanlage öffnen sich die Emporen zum Ehrenhof mit großen Rechtecköffnungen. Jede Öffnung wird flankiert durch eingestellte Säulen mit Rechteckquerschnitt und vergoldeten Kapitellen mit Palmettenfriesen. Zwischen den Säulen bilden schmiedeeiserne Gitter die Brüstung zwischen Emporen und Treppenhaus. Bis zum oberen Abschlußgesims der Wandgliederungen reichen im Emporengeschoß geschoßhohe Wandpilaster mit ebenfalls vergoldeten ionischen Kapitellen. Zwischen den Pilastern befinden sich im oberen Bereich Wandreliefs auf blauem Hintergrund mit elfenbeinfarbigen Darstellungen antiker Motive. Die im zentralen Mittelfeld als Lichtdecke mit großen quadratischen Scheibenformaten ausgeführte Hallendecke wird gerahmt durch gekehlte Randbereiche mit vergoldetem Rautenmuster. Auf der Emporenebene öffnen sich an beiden Seiten im Anschluß an die Treppenhalle größere Raumbereiche, die ebenfalls wie die an den Kopfseiten zur Erschließung der Konferenzräume befindlichen Korridore mit Holzpanele und kassetierten Holzdecken versehen sind. Die überwiegend erst in jüngerer Zeit angebrachte Holzverkleidung orientiert sich an den auf der Westempore vorgefundenen Resten einer ursprünglichen Holzbekleidung.

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großer Sitzungssaal. Foto: Hansen, 2005
Der Südkorridor erschließt im Obergeschoß drei Konferenzräume. Neben der Eingangstür zum mittleren Konferenzraum befinden sich auf Holzstelen Bronzeplastiken: auf der rechten Seite eine Darstellung der Technik(männlich) und der Chemie(weiblich) (Job Hammerschmidt/Düsseldorf) und auf der linken Seite eine Werksansicht des Bayerwerks Leverkusen mit einer sitzenden männlichen und einer liegenden weiblichen Figur im Vordergrund, die wieder das Paar Technik und Chemie allegorisch darstellen sollen. Im zentralen Besprechungszimmer ist keine historische Ausstattung erhalten. In der Mittelachse des dreibahnigen Fensters befindet sich das Farbfenster "Sinfonie der Farben" von Dietz Edzard.

Die beiden seitlichen Konferenzräume sind gleichartig mit aufwendigen Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz ausgestattet. Die Wände werden durch angedeutete Pilaster in kassetierte Wandfelder geteilt. Unter den Kassettendecken ziehen sich ringsum vergoldete Palmettenfriese. Teilweise sind die originalen, bleiverglasten Wandlampen mit Bronzeumrahmung erhalten. In die Wandgestaltung sind schwalbennestartige Erker im oberen Bereich der Wände integriert.

Im Hauptgeschoß schließen sich rechts und links an das zentrale Treppenhaus größere gewölbte Hallenbereiche mit jeweils zwei Mittelpfeilern an. Diese Hallen vermitteln den Zugang zu den Direktorenzimmern. Sie sind im Sockelbereich mit dunklem Marmor verkleidet. In den Hallen sind Bronzebüsten auf Natursteinstelen aufgestellt. In der westlichen Halle: Hans von Pechmann (Flossmann), Hermann Helmholz (A. von Hildebrand), Emil Fischer (Fritz Klimsch) und zwei weitere unbeschriftete Büsten. In der östlichen Halle: Justus von Liebig (H. Jobst), Paul Ehrlich, August Kekulč (Hans Everding), Adolf von Baeyer (A. von Hildebrand), Friedrich Wöhler (Fritz Schaper). Die anschließenden Bürotrakte im Ost- und Westflügel sind einhüftig ausgebildet mit Büros zur Südseite. Die historischen Türlaibungen und die alten Stahlfenster sind teilweise erhalten.

Die Bürotrakte in den rückwärtigen Flügeln sind seit 1986 umgestaltet worden. An den Quertrakten zwischen diesen Flügeln und am Kopfende des halbkreisförmig geformten Mitteltraktes liegen jeweils Treppenhäuser mit massiv ausgebildeten Treppen um längsrechteckige Treppenaugen und verzierte Stabgeländer.


Bedeutung

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Südfassade der Hauptverwaltung. Foto: Gregori, 2012
Die Hauptverwaltung des Bayerwerks in Leverkusen entstand unter tätiger Mitwirkung und unter Aufsicht von Carl Duisberg. Der Bau sollte eine Synthese darstellen aus modernster Bürotechnik und zugleich zur Repräsentation einer Weltfirma dienen, sollte einen angemessenen Rahmen bieten für die Zusammenkünfte von Vorstand und Aufsichtsrat, der Direktion würdige Arbeits- und Präsentationsräume bieten und für den Empfang von Gästen geeignet sein. In den Architekturformen ist der Bau ausgesprochen konservativ und spiegelt kaum die Aufbruchstimmung in Kunst und Gesellschaft in jenen Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Nur in Details finden sich Einflüsse des Jugendstils, während die Architektur sonst dem Neobarock verpflichtet ist. Möglicherweise ist die konservative Grundhaltung zurückzuführen auf die sorgfältige und lange Planungs- und Realisierungsphase, wobei man die 1906 für den Ostflügel einmal gewählte Formensprache auf die zweite Bauphase 1911-13 übertrug. Zwar sind Ost- und Westflügel in den Fassaden 1953 und dann noch einmal 1987 erneuert worden und entsprechen nicht mehr dem Ursprungszustand. Dennoch ist das Verwaltungsgebäude im Ganzen als Geschichtszeugnis in einem äußerst guten Überlieferungszustand und entwickelt besonders durch die erhaltene Ausstattung eine beeindruckende Dokumentationskraft über die Selbstdarstellung eines der führenden deutschen Großunternehmen im wilhelminischen Deutschland.


Literatur

sh. Bayerwerk Leverkusen