Siedlung Stahldorf
Oberschlesienstraße 46, Krefeld




Christoph Becker
Deutsche Edelstahlwerke

Vorgeschichte

Im Jahr 1900 wurde in Fischeln ein Stahlwerk errichtet. Es umfasste einen Siemens-Martin-Ofen von 3t Fassungsvermögen und ein Hammerwerk mit zehn Dampfhämmern. Zudem Tiegelschmelzöfen, Koksgaserzeugung, Kesselhaus zur Dampferzeugung, Dreherei, Putzerei, Schleiferei, mechanische Werkstatt, Versandlager, Laboratorium und ein Verwaltungsgebäude. Es 1901 wurden bereits 80 Arbeiter beschäftigt und die Mitarbeiteranzahl stieg in der Folge immer weiter an.

Werkssiedlungsbau

Die Voraussetzung zum Werkssiedlungsbau sind damals wie heute wirtschaftliche Gewinne der Unternehmen, dazu ein hoher Arbeitskräftebedarf, bei gleichzeitigem Wohnraummangel. Im großbetrieblich strukturierten Ruhrgebiet hatte die Entwicklung des Werkswohnungsbaus, aufgrund der dort stattfindenden wirtschaftlichen Expansion, bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Besonders das dort explosionsartig sich steigernde Bevölkerungswachstum und die Lage der Zechen im recht dünn besiedelten nördlichen Ruhrgebiet, bot dort den Bedarf für ganzer Arbeiter-Kolonien, Zechensiedlungen entstanden.

Regionale Entwicklung

In Krefeld war entgegen dem Revier keine Steinkohle und keine wesentliche Metallerzeugung vorhanden, die aufkommende Metallverarbeitung konzentrierte und spezialisierte sich auf die Zulieferung und Konstruktion von Webstühlen und Maschinen der Textilindustrie. Die Bevölkerungsanzahl wuchs zwar, aber nicht so explosionsartig wie im benachbarten Ruhrgebiet. Die Stadt Krefeld hatte sich bisher eng um den mittelalterlichen Kern vergrößert. Die Landgemeinde Fischeln, abseits des Stahlwerks, hatte immer noch dörflichen Charakter, die Ansiedlungen dort konzentrierten sich entlang der Landstraße nach Neuss.

Facharbeiter der Metallerzeugung, wie Schmelzer und Schmiede waren weder in Fischeln, noch in Krefeld ansässig. Um die nun zwangsläufig in anderen Städten anzuwerbenden Arbeitskräfte zu einem Wechsel ins Stahlwerks zu bewegen, musste Wohnraum in direkter Nähe des Werkes geschaffen werden. Zu dieser Maßnahme hatte schon 1900 die „Krefelder Baumwollspinnerei“ gegriffen. Es sollten günstige, aber qualifizierte Facharbeitskräfte aus Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei in einer Siedlung untergebracht werden. Dazu wurde in der Ulmenstraße die erste Arbeitersiedlung Krefelds erbaut, unmittelbar an der Spinnerei, acht Doppelhäuser im gleichen Baustil und Grundriss, mit je vier Wohnungen wurden geschaffen.

Bau der Siedlung

1905 wurden für das Stahlwerk, neben einem Direktorenwohnhaus zuerst zwei Meisterhäuser mit je vier Wohnungen, zwei Arbeiterhäuser mit ebenfalls je vier Wohnungen erbaut. Der erste ganze Block mit Werkswohnungen entstand 1905-1908 an der heutigen Oberschlesienstraße, in Distanz zum Werk und dessen Erweiterungsflächen, rechts und links der heutigen Thyssen Straße als Wohngebiet und bekam den passenden Siedlungsnamen „Stahldorf“.

Erweiterungen

1929 wurde Fischeln nach Krefeld eingemeindet, zudem der Unternehmenssitz Krefeld zum Hauptstandort des Verbundes der „Deutschen Edelstahlwerke“. Als das Werk immer bedeutendere Ausmaße annahm, es waren zu dieser Zeit mehr als 4.000 Arbeiter im Werk beschäftigt, wurden noch mehr Werkswohnungen errichtet. Stahldorf selbst wurde ebenfalls, aber erst in den frühen 1930er- Jahren, mit weiteren Siedlungsbereichen erweitert, zunächst in nördlicher Richtung.

Daran anschließend entstand in östlicher Richtung ab 1934 die Siedlung Neuland. Weitere Siedlungen der Edelstahlwerke folgten, wie im Frühjahr 1936 die Siedlung Lindental jenseits der Gladbacher Straße. In der Fortsetzung der Siedlungen die von „Stahldorf“ ausgingen, schon weit in Richtung Fischeln im Osten, ist ab 1938 bis 1939 die „Tiroler Siedlung“, die heute als „Klein-Österreich bezeichnet wird, erbaut worden. Man hatte Arbeiter der „Böhler Stahlwerke“ aus Österreich an den Niederrhein abgeworben.

Der Arbeiterwohnungsbau in Krefeld ist in Krefeld erst vergleichsweise spät relevant geworden. Mit dem Fortschritt der Mechanisierung und der Ansiedlung von zuerst Fachbeitskräften, später aber einer Masse von Arbeitern mit Ihren Familien, wurde der Siedlungsbau interessanter. Zuerst traten die Firmen selbst als Bauherren der Arbeitersiedlungen auf. Später übernahmen gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, auf Initiative der Unternehmen, die Realisierung des Werkswohnungsbaus. Die Siedlung Stahldorf stellt in Krefeld diese Entwicklung dar, denn sie ist der Ausgangspunkt einer langen Reihe von Wohnungsbauaktivitäten des Edelstahlwerks.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Schwanke, Hans Peter: Architekturführer Krefeld, Krefeld 1996

Strauß, Stephan: Außer Samt und Seide auch Eisen und Stahl. Notizen zur Stahlindustrie in Stadt und Kreis Krefeld, in: Walter Buschmann (Hg.): Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein, Essen 2017, S. 187-201

Bangert, Wolfgang: Neue Siedlungen In Krefeld. In: Bauweit 29, 1939, S.585

Büsch, Heinz: 40 Jahre Kleinsiedlungen, In: Die Heimat 42, Krefeld, 1971, S.113

Ernst, Wilhelm: Außer Samt und Seide auch Stahl und Eisen, Krefeld 1997