Siedlung Lindental Krefeld
Forstwaldstraße – Ferlingsweg - En et Bennert - Op de Pley - Heimatplan - Am Konnertzfeld




Stephan Strauß
Siedlung Lindental

Die Gründung der Krefelder Stahlwerk AG, später Deutsche Edelstahlwerke durch August Thyssen und seine Partner erfolgte 1900 an der Grenze zu Krefeld auf dem Gebiet der Bürgermeisterei Fischeln. Das rasch expandierende Unternehmen lag in einem bis dahin ländlich Bereich, vor den Toren der Stadt; für die Arbeiterschaft entstand zunächst (damals noch in einiger Distanz zum Werk) die Siedlung Stahldorf.

Die Bauernschaft Benrad westlich von Krefeld (und westlich der Edelstahlwerke) war in den 1920er-Jahren noch agrarisch geprägt. Die Siedlungsentwicklung Krefelds war hier bis an die Trasse der Krefelder Eisenbahn (heute: Kleinbahnstrecke ‚Schluff’) herangewachsen, südlich davon reichte der Krefelder Hauptfriedhof bis an die nach Rheydt führende, heute noch aktive Strecke der früheren Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft.

In den 1920er-Jahren war hier östlich der Forstwaldstraße eine Beamtensiedlung entstanden. Diese heute auch als Alt-Lindental bekannte Siedlung wurde 1920 bis 25 durch einen Beamtenbauverein in einer reformhistoristischen Gestaltung errichtet.

Die Siedlung östlich der Forstwaldstraße hingegen entstand als Arbeitersiedlung für die Deutschen Edelstahlwerke AG. Mitte der 1930er-Jahre führten diese eine Befragung unter ihrer Arbeiterschaft durch, um den Wohnbedarf zu ermitteln. Errichtet wurde die Siedlung jedoch ab 1936 in städtischer Regie. Die Durchführung übernahm die Linner Aktienbaugesellschaft, geplant durch die Arbeitsgemeinschaft der Krefelder Architekten Hugo Dahmen, Kurt Geilen und Erich Nothoff.

Der erste Bauabschnitt entstand im südlichen Siedlungsbereich, im Dreieck von Forstwaldstraße, Ferlingsweg und En et Bennert. Die 96 ziegelsichtigen Häuser zeigen einen eigentümlichen Heimatstil, mit eng unter der Krüppelwalmdachtraufe liegenden Giebelfenstern und asymmetrischen Dächern. Die Häuser waren konventionell als Arbeiterwohnhäuser mit Selbstversorgung konzipiert: Im Erdgeschoss lagen Küche und Wohnstube, im Dachgeschoss Schlaf- und Kinderzimmer, zudem gab es einen Stall für Kleintierhaltung und eine großzügige Hausparzelle für die Selbstversorgung.

In einem zweiten Bauabschnitt entstand 1937 am Platzraum Op de Pley ein Ladenhaus mit Kolonialwarengeschäft, Frisör und Tabakladen. Zudem wurde ein Gemeinschaftshaus mit Kindergarten realisiert. Für Letzteres übernahmen die Deutsche Edelstahlwerke AG die Kosten; auch die Herrichtung der zugehörigen Grünanlage und die Erstausstattung der Siedlerstellen mit Garten und Stall nebst Kleintieren stammten vom Unternehmen.

Am Platzraum Op de Pley bildet das Konsumgebäude eine zentrale Platzfront; Bogenarkaden, ein Siedlerrelief an der Schmalseite und der rückwärtige Treppenturm heben es aus der übrigen Siedlungsbebauung heraus. Um den Platz sind die Siedlungshäuser raumbildend verkettet und gestaffelt, während die übrigen Siedlungshäuser freistehend sind.

Ein dritter Bauabschnitt entstand zwischen 1938 und 1940 nördlich der bestehenden Siedlungsbauten und war von diesen zunächst durch einen Grünstreifen getrennt, der heute u.a. Standort der Kirche St. Martin ist. Der zentrale Platzraum Heimatplan ist mit dem Platz Op de Pley in direkter Linie durch die Straße Am Konnertzfeld verbunden. Beide Bauabschnitte eint die gekrümmte Straßenführung, die im nördlichen Teil aber enger, dörflicher erscheint. Hier sind die ebenfalls ziegelsichtigen Siedlungsbauten vorrangig eingeschossig und tragen Giebelanker, die teilweise das Baujahr 1938, teilweise vier Buchstaben zeigen – in der Tradition ländlicher Bauten, die die Monogramme des Bauherrenpaars tragen.

Aus historischer Sicht ist bemerkenswert, dass der südliche Siedlungsteil eher unverfängliche Straßennamen trägt, zum Teil in örtlicher Mundart; die Straßennamen des nördlichen Teils waren hingegen deutlich politisierter. Die Straßen Goldrad (für das Symbol der Deutschen Arbeitsfront, dem NS-Einheitsverband für Arbeitnehmer und Arbeitgeber) und Werkschardank (Werkschar = NS-Gliederung der Arbeitnehmer) wurde 1947 umbenannt. Die Straße Arbeitsfrieden erinnert jedoch weiterhin daran, dass in der NS-Zeit das Streikrecht als abgeschafft galt.

Die Siedlungsbauten sind heute überwiegend deutlich verändert und die Siedlung nachverdichtet, das Konsumgebäude zu einem Wohnhaus umgewidmet. Der Platzraum Op de Pley vermittelt noch einen Eindruck der historischen Siedlung. Die baumbestandene Grünfläche des Heimatplans verdeutlicht mit den sie umgebenden Siedlungshäusern gut den Unterschied der frühen und späten Siedlungsbauten.

Stephan Strauß, Historische Bauwerke GbR / Krefeld + Bremen

Literatur

Bechstein, Jürgen: Arbeitersiedlungen in Krefeld, in: Die Heimat Jg. 81, 2010, S. 77-91.

Strauß, Stephan: Außer Samt und Seide auch Eisen und Stahl. Notizen zur Stahlindustrie in Stadt und Kreis Krefeld. In: Walter Buschmann (Hg.): Industriekultur. Krefeld und der Niederrhein. Essen 2017, S. 187-201.

Ernst, Wilhelm: Außer Samt und Seide auch Stahl und Eisen. Die Entwicklung der Maschinen-, Eisen- und Stahlindustrie Krefelds 1835-1930 (= Krefelder Studien 9), Krefeld 1997