Industriebahn Schluff
Krefeld
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Christoph Becker
Industriebahn Schluff

Vorgeschichte

Nachdem am 5. Oktober 1849 mit der Eisenbahnstrecke der Gesellschaft „Ruhrort-Crefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn“ die Stadt Krefeld erstmals vom Eisenbahnnetz berührte wurde und auf der Strecke Homberg-Krefeld-Viersen der Betrieb genommen worden war, folgte am 26 Januar 1856 eine zweite neue Strecke, die der „Cöln-Krefelder Eisenbahngesellschaft“, von Neuss über Osterath nach Krefeld.

Diese Eisenbahngesellschaften blieben aber nicht alleine, denn kleineren Städten und Kreisen war das enorme Potential des Eisenbahnverkehrs nicht entgangen. Man wollte nicht auf den Anschluss warten, sondern wurde selber aktiv.

Crefeld- Kreis-Kempener Industrie-Eisenbahn

Auf Initiative des Kempener Landrates Förster bildete sich daher am 13. Oktober 1865 ein Ausschuss, der die Errichtung einer „Crefeld- Kreis-Kempener Industrie-Eisenbahn“ vorantreiben sollte. Bereits am 14. Dezember 1865 konnten nach Genehmigung des preußischen Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten die Vorarbeiten zum Projekt beginnen. Es wurde eine Anleihe von 630.000 Talern aufgenommen, die Konzession zum Betrieb erfolgte am 6.Oktober 1868.

Die Bauarbeiten zogen sich nun, trotz der vergleichsweise kurzen zu errichtenden Strecke, aufgrund von Differenzen zwischen der Bahnverwaltung und den englischen Bauunternehmern, hin. Am 01.11.1870 wurde der Betrieb auf zwei Teilstrecken aufgenommen die Strecken Viersen - Süchteln - St. Tönis - Crefeld (Nordbahnhof) und die Strecke Süchteln - Grefrath.

Ringbahn

Am 7. November 1871 wurde der Ring der Bahn geschlossen. Die Strecke führte nun von Süchteln über Vorst, St. Tönis nach Crefeld-Nord, von dort weiter über Hüls, St. Hubert nach Kempen, weiter über Oedt und zurück nach Süchteln. Dennoch konnte der geregelte Personenverkehr der Kreisbahn, aufgrund einer niveaugleichen Kreuzung der Bahnlinie Krefeld-Kleve bei Kempen, erst im Februar 1872 aufgenommen werden.

Diese Bahn ermöglichte nun einen geregelten Personen- und Güterverkehr der ländlichen Umgebung mit der zu dieser Zeit aufstrebenden Stadt Crefeld, die mit über 50.0000 Einwohnern um 1860 größer als Düsseldorf war. Die Hauptaufgabe der Bahn war der Personenverkehr. Die in den kleineren Ortschaften verstreut lebenden Seidenweber konnten so bei den Seidenverlagen den Rohstoff bequem und schnell abholen und die fertigen Produkte zurück bringen. Es gab eine 1., 2. und 3. Klasse in den Wagen, in der 3. Klasse war Platz für den Transport von mitgeführten Waren der Reisenden vorgesehen worden, auf eine vierte Klasse war daher verzichtet worden.

Eine Besonderheit waren die niveaugleichen Kreuzungen mit der Strecke der Rheinischen Eisenbahngesellschaft, die die Erweiterung der Strecke von Köln über Neuss bis Krefeld am 3.3.1963 weiter in Richtung Kleve in Betrieb genommen hatte. Diese Kreuzung der Bahnlinien befand sich bis 1907 nahe der heutigen Gutenbergstraße in Krefeld.

Die „Crefeld- Kreis-Kempener Industrie-Eisenbahn“ war nicht direkt an den Bahnhof der beiden großen Bahnen, mit ihren Stecken zwischen Homberg, Köln, Kleve eingebunden. Daher wurde 1870 ein Gleisdreieck auf der Strecke zwischen St. Tönis und dem Nordbahnhof Krefelds, als Blockstelle Lindental erbaut und eine abzweigende Strecke entlang des äußeren Straßenrings in Krefeld, in Richtung Krefelder Hauptbahnhof eingerichtet. Am Ende dieser Strecke wurde, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, ein eigener Bahnhof errichtet, der Südbahnhof. Die Länge der Strecke belief sich nun auf 46,12km.

Bereits 1874 ging die Gesellschaft in Konkurs, allerdings nicht aufgrund betrieblicher Schwierigkeiten, sondern eines Wechsel-Geldgeschäftes aus Gefälligkeit, das der Vorsitzende der Eisenbahngesellschaft mit einem Industrieunternehmen eingegangen war und dessen Pleite nun auch zum Konkurs der Eisenbahn führte. Dies führte aber nur zur Einstellung des bereits begonnenen Baus der Strecke von Hüls nach Moers und zur Einstellung der Verbindung von Süchteln nach Grefrath, der restliche Verkehr wurde in der Insolvenz weitergeführt.

Crefelder Eisenbahngesellschaft

1878 wurde die Konkursmasse mit einem festgelegten Wert von 972.956M zur Versteigerung ausgeschrieben, aber erst am 14.2.1880 erwarb das Bankhaus Erlanger & Söhne aus Frankfurt die Bahn für 660.000M und gründete eine neues Unternehmen, die „Crefelder Eisenbahngesellschaft“. In der Konkursmasse war auch das rollende Material enthalten, 7 Tenderlokomotiven, 16 Personenwagen und 157 Güterwagen.

Am 15. Mai 1881 wurde die 1874 stillgelegte Zweigstrecke von Süchteln nach Grefrath in Betrieb genommen, am 15.05.1881 die nun fertiggestellte Strecke von Hüls nach Niep mit 6km Länge in Betrieb genommen, die am 03.06.1882 über Kapellen bis nach Moers in weiteren 8km Entfernung verlängert wurde. Diese Strecke nach Moers sollte den Transport der Kohle aus den dortigen Gruben nach Krefeld verbessern.

Das Streckennetz betrug 1890 insgesamt 60,22km. Der Schwerpunkt lag, anders als bei vielen anderen Sekundäreisenbahnen in Deutschland, immer noch auf der Beförderung von Personen. Angestellt waren 145 Beamte und Arbeiter, es waren nun 8 Lokomotiven, 24 Personenwagen, aber nur noch 84 Güterwaggons vorhanden. In Kempen bestand ein Anschluss an die Staatsbahn und war ein Industriebahnhof angelegt worden. Am Südbahnhof in Krefeld gab es eine Gleisverbindung zur Staatsbahn, in Moers und in Viersen jeweils eine Verbindung zwischen dem eigen Bahnhof und dem Staatsbahnhöfen und in Grefrath ein Anschlussgleis an den Staatsbahnhof.

Die Strecke war für eine Geschwindigkeit von maximal 30km/h ausgelegt und erlaubte nur eine vergleichsweise langsame Fahrt. Vielleicht bekam die Bahn aufgrund der gemächlichen Geschwindigkeit im Volksmund den Namen „Schluff“ (von „Schlurfen mit den Schluffen“).

Die Industrialisierung führte nun vermehrt zu neuen größeren Fabriken, die aus logistischen Gründen ihre Betriebe nahe der Bahnlinie erbauten, um direkt an den Transportweg den die Eisenbahn bot, angeschlossen zu sein. In Kempen wurden so die „Eisenmöbelfabrik Arnold“, die „Elektrochemische Fabrik Kempen“, die „Ölmühle Bartholomäus Dammer“ neben der Bahnlinie erbaut. In Krefeld die „Brauerei Tivoli“, die „Crefelder Dampfkessel- und Apparatebau-Anstalt, Koerver & Lersch“, die „Joh. Kleinewefers Söhne Maschinenfabrik“.

Zweiter Bahnhof Krefeld-Süd

Im Zuge der Höherlegung des Krefelder Hauptbahnhofes wurde 1907 ein neues Übergabegleis vom neu errichten Betriebswerk und Bahnhof Krefeld West zum neuen zweiten Bahnhof Krefeld Süd, dem „Südbahnhof“ an der Saumstraße errichtet und am 19. Juli 1907 eröffnet, dafür der bisherige erste Übergabebahnhof Süd wurde daraufhin aufgegeben.

Übernahmen

1912 ging die Betriebsführung der „Crefelder Eisenbahn“ auf die „Allgemeine Deutsche Kleinbahn-Gesellschaft A.G.“ in Berlin über. Die Wirtschaftsflaute nach dem Ersten Weltkrieg zwang die Stadt Krefeld und den Kreis Kempen-Krefeld bis 1921 90% der Anteile der Bahn zu übernehmen und führte am 1. März 1921 zur gesamten Übernahme der Bahn durch die Stadt Krefeld.

Modernisierung

Die Betriebsmittel waren bis 1924 in einem schlechten Zustand geraten, man versuchte daher mit der Beschaffung neuer Fahrzeuge den Personenverkehr anzukurbeln. Der Bedarf von ungefähr 60 Sitzplätzen wurde bislang mit jeweils einer Tenderdampflok, einem Packwagen und zwei Personenwagen ausgeführt. Dazu wurden 1925 zwei Motortriebwagen der „Deutschen Werke Kiel“ und zwei der „AEG-Berlin / Linke- Hofmann Köln“ beschafft und eingesetzt.

Zudem wurde der Krefelder Eisenbahn 1925 ein von den Firmen „Krupp Essen“ zusammen mit der „Waggonfabrik Uerdingen“ gebauter Benzoltriebwagen mit 66 Sitzplätzen, 20 Stehplätzen, 25t Gewicht und 15,34m Länge zu Versuchszwecken übergeben. Nach der Einführung der Triebwagen, dichteren Zugfolgen, wurde die Anzahl der beförderten Personen um 41% gesteigert.

Diese Modernisierung des Wagenparks lockte auch mehr Fahrgäste auf die Bahn, es wurden 1926 440.000 Fahrkarten verkauft. Zwischenzeitlich nahm die Eisenbahn aber zusätzlich zur Bahnstrecke probeweise den Autobus-Verkehr auf, die Geschwindigkeit mit Bussen lag bedeutend höher als auf der Bahnlinie. 1935 erfolgt dann die Umstellung des gesamten Personenverkehrs auf Omnibusse. 1939 werden die Omnibusse jedoch durch die Wehrmacht beschlagnahmt und der Personenverkehr wurde erneut auf die Bahnstrecke verlagert.

Streckenstilllegungen

In den 1950er-Jahren sanken erneut die Beförderungszahlen im Personen- und auch im Güterverkehr wieder drastisch ab. 1951 stellte man daher die Personenbeförderung auf den Abschnitten Krefeld-Hüls-Kempen ein, der Krefelder „Südbahnhof“ wurde geschlossen, zudem am 21.05.1951 die Strecke von Kempen bis nach Oedt, 1961 die Strecke Süchteln - Viersen, 1964 Oedt - Süchteln, 1972 Hüls - St. Hubert, 1974 Kapellen - Moers., 1974 den Abschnitt St. Hubert - Kempen, 1981 den Betrieb der Strecke Krefeld - Kempen.

1978 wurde die „Krefelder Eisenbahn-Gesellschaft AG“ aufgelöst und der verbliebene Betrieb auf die „Krefelder Verkehrs-AG“ übertragen. Die „Krefelder Verkehrs-AG“ wird 1990 mit den Stadtwerken und KVV (Krefelder Versorgungs-, Verkehrs- und Entsorgungs-GmbH) zur neuen Gesellschaft „SWK“ verschmolzen, der „Städtischen Werke Krefeld AG, Bereich Verkehr“.

Erhaltene Streckenabschnitte

Verblieben ist die Strecke St. Tönis - Krefeld West - Krefeld Nord - Hüls - Hülser Berg, die heute als die „Schluff“ Eisenbahn von der "SWK Mobil“, unterstützt durch die Vereine „Schluff und historische Verkehrsmittel Krefeld“, „Freunde der Eisenbahn Krefeld e.V.“ und der „Interessengemeinschaft Schienenverkehr Krefeld e.V.“, der „Hafen Krefeld GmbH & Co. KG“ als reine Ausflugsbahn betrieben wird.

Der Wagenpark als auch die eingesetzte Lok sind jedoch keine im historischen Zusammenhang mit den genannten Bahnen eingesetzten ursprünglichen Fahrzeuge. Die ursprünglich vorhandene historische Substanz des Wagenparks wurde stark umgebaut und verändert, zudem die relativ junge Dampflokomotive 1980 von der Kohle- auf eine Leichtölfeuerung umgestellt.

Christoph Becker, Verein zum Erhalt des historischen Klärwerks in Krefeld Uerdingen

Literatur:

Bäumer Wolfram: Vor 75 Jahren – Triebwagen bei Kleinbahnen in "Die Museums-Eisenbahn, Bruchhausen-Vilsen", 2002

Mayer, Arthur von: Geschichte und Geographie der deutschen Eisenbahnen, Berlin, 1890

Scholten, Wilfried: Zur Vorgeschichte Moerser Bahnhöfe, Grafschafter Museums- und Geschichtsverein, Moers, 2019