Drehbrücke Krefelder Hafen
Krefeld, Hafenstraße 85


Alexander Kierdorf
Drehbrücke im Krefelder Hafen


Drehbrücken gehören zur Kategorie der „Beweglichen Brücken“, zusammen mit Klappbrücken und Hubbrücken. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die unbegrenzte Höhe einer Durchfahrt durch temporäre Entfernung des Übergangs herstellen. Alternativen sind (sehr teure) Tunnel oder sehr hohe Übergänge, verbunden mit den dazu notwendigen langen oder steilen Auf- und Abgängen (siehe die Brücken am Mülheimer und Niehler Hafen in Köln).

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Kehler Rheinbrücke. Lithografie nach Julius Naeher
Einfache, handbetriebene Drehbrücken gab es wohl bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Im von Kanälen durchzogenen Papenburg haben sich solche einfachen hölzernen Drehbrücken erhalten. Auch eiserne Drehbrücken sind wohl um 1850 schon vereinzelt gebaut worden. Die fast gleichzeitig mit der Kölner Rheinbrücke 1860 errichtete Eisenbahnbrücke zwischen Kehl und dem damals (noch) französischen Elsaß besaß aus verteidigungstechnischen Gründen an einem Ende eine Drehbrücke, die tatsächlich auch im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 gesprengt wurde. Auch der Kölner Rheinauhafen in seiner ersten Fassung besaß neben dem damals entstandenen Malakoffturm eine Drehbrücke (um 1860) über die allerdings wenig bekannt ist.

Drehbrücken entwickelten sich vor allem im Kanal- und Hafenbau. So war die 1877 errichtete Drehbrücke des Mainzer Winterhafens bis zu ihrem Neubau 2009 wegen „Sprödbruchgefahr“, also Materialermüdung, erhalten; auch beim Ausbau des Duisburg-Ruhrorter Hafens kamen Drehbrücken zum Einsatz.

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Köln, Deutzerhafen. Drehbrücke. Foto: Gregori, 2017
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Köln, Rheinauhafen. Drehbrücke
Entscheidend für die technische Entwicklung der Drehbrücken ist die Gestaltung des Drehpunktes. Hier entwickelte man unter Mitwirkung von Johann Wilhelm Schwedler – er war nach dem Gewinn des Wettbewerbs für die Kölner Dombrücke in Berlin zum führenden deutschen Brücken- und Stahlbauingenieur aufgestiegen – den sogenannten „Königstuhl“, eine mechanische Konstruktion, mit deren Hilfe die Brücke leicht angehoben und dann mechanisch gedreht wird. Keine Rolle spielen die Auflager.

Führend im Bau derartiger Drehbrücken war die „AG für Eisenindustrie und Brückenbau vorm. J. C. Harkort“ in Duisburg (bekannt als „Gesellschaft Harkort“), eines der ältesten, größten und wichtigsten deutschen Brückenbauunternehmen, das eine Vielzahl solcher Anlagen im In- und Ausland erstellte. Wie in anderen Fällen (Schiffshebewerk Henrichenburg) arbeitete sie für die Mechanik mit der Düsseldorfer Firma Haniel & Lueg zusammen. Sie bauten auch die beiden Kölner Drehbrücken, die im Abstand von fast einem Jahrzehnt entstanden. Beides sind ungleichschenkelige, ausbalancierte Brücken, die – ähnlich wie das „Blaue Wunder“ in Dresden – konstruktiv eine Mischung zwischen Fachwerkträger und versteifter Hängebrücke darstellen.

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Drehbrücke Krefeld. Foto um 1906
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Drehbrücke Krefeld. Foto: 2014
Während die Kölner Drehbrücken als Denkmale eingetragen, funktionsfähig und nicht abbruchgefährdet sind, wird ein anderes Prunkstück ihrer Gattung, die gleichschenkelige Straßen- und Eisenbahnbrücke mit Mittelpfeiler und zwei Schiffsdurchfahrten im Krefelder Rheinhafen, immer wieder in Frage gestellt: Durchfahrtsbreiten wie Traglast werden als unzureichend empfunden. Vor allem wegen der hohen Sanierungs- und Unterhaltskosten werden etwa in Hamburg noch immer historische Drehbrücken abgebrochen.

Weitere bedeutende historische Drehbrücken befinden sich neben dem erwähnten Mainzer Beispiel in Wilhelmshaven („Kaiser-Wilhelm-Brücke“ mit zwei symmetrischen Drehbrücken, Spannweite 159 m, von 1909), in Bremerhafen sowie in Lübeck. Auch in Großbritannien, etwa am „Liverpool Ship Canal“, in Belgien (Brügge), Frankreich und in Amerika gibt es bedeutende Drehbrücken.





Literatur

• Wilhelm Dietz: Bewegliche Brücken Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 2, Der Brückenbau, Abt. 4 Leipzig (Engelmann) 1907
• Claudia Kroth: Der Rheinauhafen Köln: eine Chronik in Bildern Köln (Bachem) 2001
• Sven Bardua: „Riesige Träger mit „leichter Hand“ bewegt. Drehbrücken in Europa – ein Überblick“ in: industrie-kultur, 4/2008, S. 31-33