Wasserwerk Severin der Stadtwerke Köln
Zugweg 29-31 / Bonner Wall 10-70




Alexander Kierdorf
Wasserwerk Severin


Nach der Aufgabe der mittelalterlichen Befestigungsanlagen und des zugehörigen Rayons begann die Stadt Köln 1880 mit der Erschließung der Neustadt. Im südlichen Bereich, „vor dem Severinsthor“, wurde unweit der Bonner Straße ein ganzer Baublock für moderne Infrastruktureinrichtungen vorgesehen, zu denen neben dem Wasserwerk auch ein Elektrizitätswerk kommen sollte.

Maßgeblich für die Planung des Wasserwerks Severin war der Leiter der städtischen Gas- Elektrizitäts- und Wasserwerke, Franz Joly, und sein Baumeister Heinrich Deutz. Er publizierte die bis dahin fertiggestellten Anlagen 1895 in einer mit zahlreichen Plänen und Fotografien ausgestatteten Dokumentation und betonte damit die Vorbildlichkeit und Bedeutung dieser kostspieligen städtischen Investition. Der angesichts des schnellen Bevölkerungswachstums und der Verbreitung von Hausanschlüssen weiter sprunghaft ansteigende Bedarf führte bereits um 1900 zum Bau des Pumpwerks Hochkirchen südlich der Militärringstraße bei Raderthal. Nach dem Ersten Weltkrieg folgte zur Versorgung der nördlichen Eingemeindungsgebiete und der dort anzusiedelnden Industrie das Wasserwerk Weiler. Die rechtsrheinische Wasserversorgung erfolgte getrennt durch die privatwirtschaftlich organisierte Rheinische Wasserwerks-AG, die auch Bonn versorgte.

Als erstes Maschinen- bzw. Pumpenhaus des Wasserwerks (später als „Severin I“ bezeichnet) wurde 1883/84 zwischen Zugweg und Ohmstraße ein querliegender, mächtiger Baukörper errichtet, dessen Schauseite nach Norden gerichtet ist. Er sollte von zwei erheblich eingeschossigen, dreiteiligen Kesselhäusern flankiert werden, von denen aber nur das östliche errichtet wurde (nicht erhalten).

An beiden Längsseiten des Wasserwerks waren je drei Brunnenschächte angelegt worden. Während auf der Nordseite zur Stadt hin das Vorgelände als Park gestaltet war (heute teilweise bebaut), sollten auf der Nordseite zwei wohl offene Ausgleichsbecken angelegt werden. Statt ihrer wurde hier um 1900 ein unterirdisches Reservoir in Stampfbetonbauweise mit einem Füllungsvermögen von 40.000 m³ angelegt, das bis heute in Betrieb ist. Das Wasserwerk Severin in der Kölner Neustadt stellt die zweite Entwicklungsstufe der modernen Kölner Wasserversorgung dar. Vorausgegangen war ihm das erste Kölner Wasserwerk Alteburg im heutigen Marienburg; einziges verbliebenes Zeugnis dieser ersten Phase ist der heute als Hotel genutzt Wasserturm in der Kaygasse. Das Pumpwerk auf der Alteburg mit seinem auffälligen Hebeturm konnte aber mit dem schnellen Bedarfsanstieg nicht mithalten, nicht zuletzt, weil die Abrechnung nur über die Anzahl der Verbrauchsstellen und nicht mengengenau erfolgte. Dies führte zunächst zu massiver Wasserverschwendung; aber auch, nachdem Wasserzähler eingebaut worden waren und nach Verbrauch abgerechnet wurde, war die Grenze der Leistungsfähigkeit absehbar.

Das Reservoir gehörte zu den Baumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Wasserwerk Severin II, dessen dominierendes Druckpumpenhaus gegenüber des ersten Maschinenhauses an der Geländekante zum Bonner Wall errichtet wurde.

Das querrechteckige neue Pumpenhaus Severin II zeigt sich als dunkelroter Backsteinbau in Formen der norddeutsch-hanseatischen Backsteingotik; insbesondere die mehrteiligen, breiten Spitzbogenfenster mit ihren farbig glasierten Ziegeln und dekorierten eisernen Unterteilungen schmücken die Wände. Nicht erhalten sind nach Kriegsbeschädigung und vereinfachter Wiederherstellung die runden, in den Baukörper einbezogenen Ecktürme und die gesamte Dachzier.

Der einheitliche große, mit einem eisernen Dachstuhl überdeckte Innenraum nahm die nun in liegender Ausführung verwendeten Druckpumpen auf.

Etwa gleichzeitig mit dem zweiten Wasserwerk wurde das gesamte Gelände auch mit einer aufwendigen Mauer- und Zaunanlage umgeben, die aus geschlossenen Abschnitten mit Rundbogenblenden, vor allem aber aus geschmiedeten Gitterelementen mit pflanzlicher und Wasser-Motivik besteht; Sockel und Pfeiler bestehen aus dunklen Tuffstein.

Bereits in den 1980er Jahren erfuhren die Bauten auch im Rahmen einer neuen architektonisch-städtebaulichen Bewertung der Kölner Neustadt unter Stadtkonservatorin Hiltrud Kier grundlegende Instandsetzung und teilweise Wiederherstellung verlorener Bestandteile und Details. So präsentiert sich hier heute ein Ensemble aus Wasser- und Elektrizitätswerksbauten, das in Lage und Gestaltung den Anspruch und Stellenwert spiegelt, die man in der Wilhelminischen Kaiserzeit der neuzeitlichen Infrastruktur zumaß. Es ist integraler Bestandteil der Kölner Neustadt als einem der bedeutendsten Stadterweiterungs-vorhaben des späten 19. Jahrhunderts.

Literatur
Architekten- und Ingenieurverein für Niederrhein und Westfalen (hg.): Köln und seine Bauten, Köln 1888, S. 283-299

Blumrath, Fritz: Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke der Stadt Köln, hg. zur 1900-Jahrfeier der Stadt Köln, Köln 1950, S. 18-21

Buschmann, Walter; Hennies, Matthias; Kierdorf, Alexander: Via Industrialis. Entdeckungsreise Kölner Industriekultur, Essen 2018, S. 218-219

Joly, Franz (hg.): Die Beleuchtung und Wasserversorgung der Stadt Köln, Köln 1895

Klein-Meynen, Dieter; Meynen, Henriette; Kierdorf, Alexander: Kölner Wirtschaftsarchitektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau, Köln 1996, S. 66-69, 80-87

Lindemann, Doris; GEW Köln (hg.): Mit Energie für Köln. 125 Jahre Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG, Köln 1998, S. 58-65, 91-96, 121, 218

Vogts, Hans (Red.): Köln. Bauliche Entwicklung 1888-1927, Köln 1927, S. 285-293