Hafen Mülheim-Nord / Güterverladehalle
Köln-Mülheim, Am Faulbach


Walter Buschmann
Güterverladehalle Am Faulbach


Geschichte

Die 1911/12 entstandene Güterverladung der Werftkleinbahn in Köln-Mülheim ist einzuordnen in die jahrzehntelangen Bemühungen um Bau und Ausbau des Mülheimer Hafens und zugleich in die Industriegeschichte des Mülheimer Nordens.

Der Mülheimer Hafen Obwohl direkt am Rhein gelegen, beginnt die in baulichen Zeugnissen darstellbare Geschichte des Mülheimer Hafens erst im 18. Jahrhundert mit der Ausweisung protestantischer Kaufleute aus Köln, deren Ansiedlung in Mülheim 1714 und dem Bau eines Rheinkrans mit großem Stapelhaus durch Heinrich von Außem
Ansicht Stadt Mülheim mit Rheinkran
1716. Wie schon in den vorauf gegangenen Jahrhunderten, so hatte auch jetzt dieser Ansatz zur Hafenbildung gegen den Widerstand Kölns keine Chance. Köln behauptete vehement sein Stapelrecht und bewirkte 1725 den Abbruch des Mülheimer Krans. Immerhin war durch den Kran im Norden der Stadt Mülheim an der späteren Krahnenstraße ein Ansatz geschaffen worden, der 1776 zum Bau eines zweiten Krans an dieser Stelle führte. Dieser durch den Erben von Außems, dem Kaufmann van Hees erbaute und nach ihm benannte Kran konnte sich behaupten und zierte über Jahrzehnte hinweg die mehrfach in Bildern fest gehaltene nördliche Stadtansicht von Mülheim.

Erst ein Jahrhunderts später wurden 1869 durch den Wasserbauinspektor Michaelis Pläne für einen Ausbau des ganzen Mülheimer Rheinufers von der Wallstraße im Süden bis zum Hees’schen Kran entworfen. Die Ausführung der Pläne verhinderte der Deutsch-Französischen Krieg. 1874 wurden die Pläne in veränderter Form wieder aufgenommen. Innerhalb von vier Jahren entstand nun eine neue Uferlinie an der dominant am Ufer gelegenen katholischen Kirche St. Clemens vorbei etwa zwischen der Salzstraße im Norden, bis zur Wallstraße.

Werkshafen Felten & Guilleaume an der Krahnenstraße
Etwa gleichzeitig wurde zwischen 1874 und 1880 der alte Hafenbereich an der Krahnenstraße ausgebaut und durch die im Mülheimer Norden entstehenden Großbetriebe(seit 1874 Carlswerk) genutzt. Die neue Rheinwerftmauer mit festem Dampfkran wurde von Jacob Scheiner 1895 im Bild festgehalten. Eine Verbindung zwischen Nord- und Südhafen entlang des Ufers gab es nicht. Die Hausgrundstücke im Bereich etwa zwischen Salz- und Uferstraße stießen mit ihren Gärten, wie schon Jahrhunderte zuvor direkt an die Uferlinie.

Nach Plänen von Wasserbauinspektor Demnitz wurde der Südhafen 1884-87 zwischen Brückenstraße(heute Köln-Mülheimer Brücke) und Wallstraße einheitlich ausgebaut und mit fahrbaren Dampfkränen ausgestattet. Höhepunkt dieser Phase im Ausbau der Mülheimer Ufer war die Errichtung der aus Mainz erworbenen Schiffsbrücke im Jahr 1888. Es folgten der Bau des Sicherheitshafens 1892-96 und des Zollhofs 1896-98 südlich der Wallstraße. Wie schon in den 1870er Jahren wurde parallel auch der Nordhafen entwickelt und nun, nach Ankauf durch Felten&Guilleaume 1896-99 als Werkshafen mit zwei Dampfkranen, Ladevorrichtung und Lagerräumen ausgebaut.

Sehr frühzeitig gehörte zum Konzept des Südhafens auch eine Hafenbahn mit Anschluss an den Bahnhof Deutz. Diese, anfangs ab 1898 als Hafenbahn mit zahlreichen Werksanschlussgleisen ausgeführte Anlage, wurde 1900 in eine Kleinbahn mit unbeschränktem, öffentlichem Verkehr umgewandelt.

In diese Zeit hinein reichen auch die Pläne für den Ausbau Nordhafens und seine Verbindung mit dem südlichen Hafenteil.

Die Werftkleinbahn Mülheim-Nord

Pläne für die Werftkleinbahn-Nord gab es seit 1898, doch der dann zwischen allen Behörden abgestimmte Entwurf wurde erst 1907 genehmigt. Das Konzept
Werftkleinbahn Mülheim-Nord, Lageplan 1908 (Ausschnitt)
umfasste den ganzen Hafenbereich der Stadt Mülheim zwischen dem Zollhof im Süden und dem Faulbach im Norden, mit einer nun erstmals durchgehenden Uferzone. Teil dieses Konzeptes war auch die Verlagerung des Werkshafens von Felten&Guilleaume von der Krahnenstraße weiter nach Norden in den Bereich des ehemaligen Hochofengeländes der Mülheimer Hütte(1863-74) mit einem Bahnanschluss für diesen Werkshafen von Norden aus durch die Werftkleinbahn Nord. Dazu gab es zwischen der Stadt Mülheim und Felten & Guilleaume einen Tauschvertrag, mit dem das Gelände an der Krahnenstraße an die Stadt Mülheim überwechseln sollte, während die Stadt Mülheim die Schlackenbergwerft an Felten & Guilleaume abgibt. Felten & Guilleaume verpflichtete sich, den Bahngüterverkehr über die Werftkleinbahn zu leiten.

Der erneute Ausbau des Mülheimer Ufers, gegen den Widerspruch von Anliegern an der westlichen Rheinseite, die durch eine erneute Verschiebung der Mülheimer Uferlinie eine erhöhte Hochwassergefahr für ihre Grundstücke befürchteten, fand 1912 ihren vorläufigen Abschluss durch die Inbetriebnahme der Werftbahn. Bedingt durch schwierige Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken der ehemaligen Mülheimer Hütte wurde der neue Werkshafen von Felten&Guilleaume erst 1922-24 erbaut. Die Werftkleinbahn Nord führte nicht nur an diesem, nach den Hinterlassenschaften der Mülheimer Hütte Schlackenbergwerft genannten Werkshafen vorbei, sondern verband diesen Hafen auch mit dem Werksgelände des Carlswerks.

Die Bahnlinie wurde als Vollspurbahn „zur Beförderung von Gütern mittels Dampfkraft“ realisiert, wie es in der Genehmigung von 1911 hieß. Als Zweck der neuen Bahnanlage wurde genannt: Bedienung der in Mülheim-Nord gelegenen Industriebetriebe, die Erschließung neuen Industrielandes und die Unterhaltung einer öffentlichen Güterverladung. Angebunden werden sollte auch der neue Werkshafen von Felten & Guilleaume an der Schlackenbergwerft und am Ufer entlang an St. Clemens vorbei sollte eine mehrgleisige Verbindung zwischen den beiden Werftbahnen erfolgen. Bei Realisierung dieser Pläne wäre Mülheim vom Rhein abgeschnitten worden.

Ausgangs- und Endpunkt der Werftkleinbahn Nord war ein neuer Güterbahnhof im Mülheimer Norden. Dies war ein Übergabebahnhof. Leere Waggon wurden bereitgestellt und volle Waggons der Mülheimer Industrie dort an die Staatsbahn übergeben. Der Bahnhof wurde in dieser Funktion auch durch die Kleinbahn Mülheim-Opladen und durch das Bayerwerk Leverkusen genutzt. Von diesem Bahnhof ausgehend, führte die Bahntrasse in einem S-förmigen Verlauf über die Düsseldorfer Straße hinweg, überquerte den Faulbach, verlief dann in Parallellage zum Rhein, schwenkte nach Osten und erreicht nach erneuter Querung der Düsseldorfer Straße das Gelände des Walzwerks Böcking & Co. Von dort aus führte die Trasse weiter ins Carlswerk von Felten & Guilleaume. Neben diesen Werken waren außerdem an die Werftkleinbahn-Nord angeschlossen: Farbenfabriken August Lüttgen, die Dampfkessel- und Maschinenfabrik Th. Lammine, die Fabrik für Eisenkonstruktion Walter Cramer, das Unternehmen für Hoch- und Tiefbau Heinrich Stöcker sowie das Dampfsäge- und Hobelwerk Hertz und Schmitz vorm. Heinr. Heidgen. Auf den Kreuzungen der Düsseldorfer Straße wurden zugleich die Gleise der Kleinbahn Mülheim-Opladen überquert mit Vorrang für die Werftkleinbahn. Da der Straßenübergang niveaugleich war, hatte bei Straßenquerung stets eine Lokomotivglocke zu läuten und ein Rangierer musste dem Zug mit Schelle und roter Fahne vorweg gehen.

Erst 10 Jahre nach Inbetriebnahme der Werftkleinbahn-Nord entstand als neuer Werkshafen für Felten & Guilleaume die
Schlackenbergwerft
Schlackenbergwerft 1922-1924. Da inzwischen Mülheim nach Köln eingemeindet war, wurde der Werkshafen durch die Stadt Köln auf Kosten von Felten & Guilleaume erbaut. Nach Fertigstellung wurde die Anlage Felten & Guilleaume in Erbpacht auf 99 Jahre überlassen. Anstelle der fälligen Pachtzinsen übertrug Felten & Guilleaume den alten Werkshafen an der Krahnenstraße an die Stadt Köln.

Der Weg für eine Gleisverbindung zwischen dem nördlichen und südlichen Hafen von Mülheim wäre nun frei gewesen. Diese Pläne wurden jetzt aber nicht mehr ausgeführt.

Lageplan Güterverladehalle, um 1920
Die Gleisanlagen der Werftkleinbahn-Nord in Mülheim sind vermutlich völlig verschwunden. Erhalten geblieben aus dieser groß angelegten, industriebezogenen Infrastrukturmaßnahme im Mülheimer Norden sind die Schlackenbergwerft und die Güterverladung am Faulbach.

Die Güterverladehalle der Werft-Kleinbahn Mülheim-Nord am Faulbach

Die 1911 erbaute Halle ist ein Stahlfachwerkbau mit Satteldach. Beiden Traufseiten sind Rampen, den Giebelseiten niedrigere Vorbauten vorgelagert. Die Halle ließ sich zu den Rampen durch große doppelflüglige Rolltore aus Holz öffnen, von denen eins erhalten ist. Davon unabhängig ist die Halle durch eine Tür im südlichen Vorbau mit vorgelagerter Treppe zugänglich. Die Halle wird belichtet durch vergitterte Rechteckfenster und ein Fensterband mit kleinteiligem Metallsprossenfenster in der östlichen Trauffassade. Die
Güterverladehalle, Foto 2011
Stahlfachwerkkonstruktion gliedert sich in kräftiger ausgebildete Eckstützen und schmalere Profile für die Ständer und Riegel in den Wandfeldern. Die Anschlüsse an die Eckstützen erfolgen am Hauptbau durch genietete Knotenbleche. Die Ausfachung besteht
Güterverladehalle, Foto 2011
aus roten bis blaugrauen Ziegelsteinen. Die Halle wird überspannt durch genietete Dachbinder mit kräftigen Knotenblechen an den Verbindungsstellen. Am nördlichen Kopfende sind in der Halle in ganzer Gebäudebreite Räume abgeteilt für Büro- und Sozialzwecke. Im Osten ist vor der Halle das Grauwacke-Kopfsteinpflaster für den Be- und Entladeverkehr mit Fuhrwerken und Autos erhalten. Im Westen ist noch die Trasse der vorbeiführenden Gleise der Werftkleinbahn-Nord als Schotterbett erkennbar.

Die öffentliche Güterverladehalle war in dieser Funktion bis in die 1920er Jahre in Betrieb. Seit spätestens 1923 wurde die Halle an verschiede Firmen vermietet, u. a. an Fa. Nettelbeck & Co.(Pappen, Rollenpapiere, Fahrschein-Druckerei), an die Deutsch-Amerikanische-Petroleum-Gesellschaft zur Lagerung von Mineralöl in Fässern, an die Fa. Friedrich Wilhelm Weidlich(Textilaltrohstoffe) und zuletzt an den Baustoff-Großhandel H. Reimann(aufgemalte Inschrift an der östlichen Traufseite).

Bedeutung

Die Güterverladehalle am Faulbach ist das letzte bauliche Zeugnis der Werftkleinbahn Mülheim-Nord. Es ist ein Relikt der industriebezogenen Infrastrukturmaßnahmen im Mülheimer Norden und zeugt von den Entwicklungs- und Neuordnungsmaßnahmen der öffentlichen Hand in diesem Bereich. Zudem ist die Halle Teil der Industriegeschichte des Mülheimer Nordens und verweist auf die Erschließungsmaßnahmen für mehrere Betriebe in dem Sektor zwischen Düsseldorfer Str./Clevischer Ring und dem Rhein. Die Güterverladehalle ist neben der Schlackenbergwerft und den Gebäuden des Bauunternehmens Gebr. Meyer eines der letzten weitgehend unverfälscht überlieferten Bauten der Mülheimer Hafengeschichte und ist insofern für die lokale Verkehrsgeschichte von Bedeutung.

Schokoladenfabrik Menir in Noisel-sur-Marne. Pionierbau der Stahlfachwerkarchitektur 1870
Darüber hinaus ist die Güterverladehalle am Faulbach ein vergleichsweise frühes Beispiel für die in der Industriearchitektur so wichtige Stahlfachwerkbauweise. Der seit 1870 nachweisbare Stahlfachwerkbau entwickelte sich wegen seiner günstigen Baukosten, seiner Flexibilität bei Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen und der Aufnahmefähigkeit von dynamischen Belastungen als eine außerordentlich erfolgreiche Bauweise im Industriebau und Verkehrswesen. Ganze Werksareale waren schon um 1900 durch Stahlfachwerkbauten geprägt. In der Verkehrsarchitektur wurde Stahlfachwerk für die Hochbahnen in Berlin, Hamburg und Wuppertal verwendet. In der Architekturgeschichte immer wieder zitiert werden die von Otto Wagner entworfenen Eingangsbauten zur Stadtbahn am Wiener Karlsplatz.
Wartesaalgebäude unter der Bahnsteighalle des Kölner Hauptbahnhofs 1894 (nicht erhalten).
Maschinenhalle der Zeche Zollern 2/4 in Dortmund. 1902
Zeche Zollverein 12 in Essen. 1928-32 von Fritz Schupp und Martin Kremmer
Auch in Köln wurden prominente Bauten des Verkehrs in Stahlfachwerkarchitektur errichtet, wie das nicht erhaltene Wartesaalgebäude im Kölner Hauptbahnhof von 1891 oder die ebenfalls nicht erhaltenen Lagerhallen im Rheinauhafen von 1898. Aus der Verwendung in der Ausstellungsarchitektur heraus, mit der außerordentlich einflussreichen Ausstellungshalle der Gutehoffnungshütte und der Gasmotorenfabrik Deutz auf der Kunst- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf von 1902 wurde das Stahlfachwerk auch für anspruchsvolle Architekturen akzeptabel. Die Maschinenhalle der Zeche Zollern 2/4 von Bruno Möhring in Dortmund zeugt davon. Als ausgesprochener Glücksfall muss die Teilüberlieferung der Düsseldorfer Halle selbst auf dem Werksgelände der Deutz AG an der Deutz-Mülheimer Straße verstanden werden. In den 1920er und 1950er Jahren war das Stahlfachwerk mit den Bauten von Fritz Schupp und Martin Kremmer sowie später von Mies van der Rohe eine wichtige Ausdrucksform des Konstruktivismus. Das Kölner Stadthaus in Deutz ist ein später Vertreter dieser Architekturauffassung. Die Güterverladehalle ist in diesem Zusammenhang ein Dokument für die Herkunft und Verwendung einer architekturgeschichtlich wichtigen Bauweise.

Links
SSM Halle am Faulbach

Literatur

Bendel, Johann: Der Landkreis Mülheim am Rhein. Beschreibung, Geschichte, Sagen und Erzählungen, Köln-Mülheim, 1911 ; 2. und 3. Auflage 1925

Bendel, Johann: Die Stadt Mülheim am Rhein, Mülheim 1913

Jutzi, W.: 50 Jahre Carlswerk 1874-1924, Köln o. J.

Führer durch die Industrie- und die Hafenanlagen in Mülheim a. Rhein Duisburg-Ruhrort Rheinische Verl. Ges. 1909 80 S. + Hafenplan

Hermanns, Heinz: Die Handelskammer für den Kreis Mülheim am Rhein(1871-1914) und die Wirtschaft des Köln-Mülheimer Raumes (=Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte hg. Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln Bd. 21), Köln 1969

Lehrke, Johannes: Historische Kartensammlung von Mülheim a. Rhein, Mülheim 1895

Quellen

Historisches Archiv der Stadt Köln

Bestand 760

148 Ausbau des Cöln-Mülheimer Rheinufers und Ausbau des Stammheimer Ufers, 1914-1941

Bestand 791

212 Anschluß der Werftkleinbahn Mülheim-Nord an den Reichsbahnhof Mülheim, 1917-1926 216 Privatanschlüsse an die Hafenbahn Köln-Mülheim-Nord, 1916-1925

Bestand 792

517 Güterschuppen und Lagerplatz der Werftkleinbahn Nord, 1926-1937
505 Lageplan der Mülheimer Hafen- und Werftanlagen; vollständiger Verlauf des Ufers; um 1912 mit Nachträgen(Schlackenbergwerft in rot = 1921?)

Bestand 793

14 Werftkleinbahn Mülheim-Nord, 1922-40

Bestand 870

9 Verlängerung des Werftes stromabwärts, 1898-1908

Bestand 871

74 Bau der Nordbahn. Tarif, 1911-1916 99 Werftanschlußbahn. Umwandlung dieser in eine Kleinbahn. 1907-1920