Courtaulds
Köln, Neusser Landstraße 2
Glanzstoff-Courtaulds GmbH | Kunstfaserwerk



Lageplan und Gebäudeführer

Die Glanzstoff-Courtaulds GmbH nahm einen schnellen Aufstieg, der sich in dem großflächigen und systematischen Aufbau der Werksanlagen zeigte. Seit 1933 kam dem Unternehmen zudem im Rahmen der Autarkie- und Rüstungspolitik der Nationalsozialisten eine wichtige Rolle für die Textil- und Kunststofferzeugung zu, so dass man jahrelang täglich sogar drei Schichten fahren musste. Gegen Ende des Krieges wurden hunderte von Kriegsgefangenen, die in einem benachbarten Lager untergebracht waren, bei der Produktion von Fallschirmseide als Zwangsarbeiter eingesetzt. (Alexander Kierdorf)



Alexander Kierdorf
Glanzstoff Courtaulds


Zufahrt zum Gebäude
Im Jahr 1925 beschlossen zwei der führenden Kunstfaserhersteller Europas, die Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG aus Wuppertal und die englische Courtaulds Ltd., in Köln ein gemeinsames neues Werk zu errichten. Als Standort wählte man das in der Stadtentwicklungsplanung von Fritz Schumacher festgelegte neue Industriegebiet im Norden von Köln, auf dem Gelände der erst 1922 eingemeindeten Bürgermeisterei Worringen. Zuvor befand sich nahe des Schnittpunktes der preußischen Militärringstraße und der seit der Römerzeit existierenden Fernstraße nach Neuss eines der preußischen Forts der Kölner Befestigung, die aufgrund des Versailler Vertrages aufgegeben werden mussten.

Die Herstellung von Kunst- und Chemiefasern hatte in Köln bereits Tradition: Schon 1849 entstand die „Kölnische Gummifädenfabrik“ von Ferdinand Kohlstadt an der Deutz-Mülheimer-Straße, und auch die Rheinische Gummiwaren-Fabrik Clouth in Nippes stellte Kunstfasern her. Bauten beider Unternehmen sind Teil der Via Industrialis (Rechtsrheinisches Köln und Kölner Norden).

Die Glanzstoff-Courtaulds GmbH nahm einen schnellen Aufstieg, der sich in dem großflächigen und systematischen Aufbau der Werksanlagen zeigte. Seit 1933 kam dem Unternehmen zudem im Rahmen der Autarkie- und Rüstungspolitik der Nationalsozialisten eine wichtige Rolle für die Textil- und Kunststofferzeugung zu, so dass man jahrelang täglich sogar drei Schichten fahren musste. Gegen Ende des Krieges wurden hunderte von Kriegsgefangenen, die in einem benachbarten Lager untergebracht waren, bei der Produktion von Fallschirmseide als Zwangsarbeiter eingesetzt.

Das Werk blieb – möglicherweise, weil es eine englische „Mutter“ hatte – von Bombenangriffen weitgehend verschont, und das betriebseigene Kraftwerk versorgte in den ersten Nachkriegsjahren auch die Stadtteile Nippes und Ehrenfeld mit Strom. Noch 1960 wurden hier etwa zehn Prozent der deutschen Kunstfaserproduktion erzeugt.

Backsteinfassade
Frontansicht mit Uhrturm
Das Unternehmen stellte seinen rund 3000 Mitarbeitern von der Werksküche über die Bücherei und mit einem eigenen Erholungsheim viele Leistungen zur Verfügung. Doch schon 1967 kam es zur geregelten Auflösung, weil die Anteilseigner sich nicht über notwendige Investitionen einigen konnten. Seitdem ist ein Großteil der Werksanlagen abgebrochen worden. Erhalten ist aber das Verwaltungsgebäude auf dem freien Eckgrundstück unweit der Kreuzung Neusser Landstraße| Militärringstraße, das 1926 nach Plänen des Stettiner Architekten Ferdinand Flawkowski als klar definierter, dreigeschossiger Bau mit Backsteinfassade gestaltet wurde. Sein schlanker Uhrturm – ein traditioneller Bestandteil von Werksverwaltungen und Symbol der Ordnung und Pünktlichkeit – ist mit patiniertem Kupferblech verkleidet. Die Fensterbrüstungen bestehen aus Feldern ornamental verlegten Backsteins. Das Gebäude steht in der Tradition der expressionistischen Ziegelarchitektur der 1920er Jahre, doch scheinen hier in der Materialwahl, der Kombination von glattem und sehr rauem Ziegel, niederländische oder englische Gewohnheiten oder Vorlieben auch eine Rolle gespielt zu haben.

Nordwestlich dieses Verwaltungsbaus stehen entlang der Neusser Landstraße noch zwei Großbauten aus den 1960er Jahren, von denen vor allem das ehemalige Sozialgebäude beeindruckt. Der zweigeschossige Backsteinbau mit einem überhöhten Obergeschoß ist ehrenhofartig zu einer begrünten Freifläche auf dem Firmengelände hin orientiert. Dabei nehmen die beiden durch vorgesetzte Wandpfeiler monumental gestalteten Seitenflügel die Treppenhäuser auf. Dieses 1950/51 von den Gebrüdern Günther und Hans Bunge errichtete großzügige Gebäude, das noch wichtige Teile seiner originalen Innenausstattung besitzt, steht für die vorbildliche soziale Versorgung der Mitarbeiter seitens des Unternehmens.

Erhalten auch der originale Werkseingang an der Neusser Landstraße. Ursprünglich in baulichem Zusammenhang mit den ausgedehnten Shedhallen des Werkskomplexes befindet sich weiter nördlich, etwa zurückgesetzt, ein stattlicher, kegelförmiger Turmbunker aus backsteinverblendetem Beton für bis zu 700 Personen. In der drehbaren, verschieferten Spitze war eine Flakstellung untergebracht.

Heute befinden sich auf dem Gelände unter anderem Logistikunternehmen sowie eine Großdiskothek.



Quellen

• Wilfrid Schreiber: 25 Jahre Glanzstoff-Courtaulds-GmbH Köln: ein Werk in der Domstadt ; 1925 – 1950, Köln 1950
• Meynen|Klein-Meynen|Kierdorf: Kölner Wirtschaftsarchitektur, Köln 1996, S. 124|125