Mechanische Näherei Brügelmann
Brügelmannstr. 16-18




Alexander Kierdorf
Mechanische Näherei Brügelmann

Der historische Baukomplex der seit 1820 existierenden Großhandelsfirma Brügelmann nordöstlich des Altermarkts entlang der Mühlengasse war über mehrere Generationen entstanden und ausgebaut worden – unweit des Hauptbahnhofs gelegen, war er auch für auswärtige Kunden und Vertreter gut erreichbar. Die wachsende Mitarbeiterzahl und zunehmende Mechanisierung jedoch ließ den Platzbedarf schnell ansteigen; zudem kam es wegen der Strickmaschinen zu Beschwerden aus der Nachbarschaft, so dass sich die Firmenleitung entschloss, einen zweiten Standort zu gründen. Dieser fand sich vergleichsweise innenstadtnah auf der rechten Rheinseite nordöstlich von Deutz. Hier war nach der Aufgabe der Deutzer Befestigungen 1908 umfangreiches, verkehrsgünstig gelegenes Gelände frei geworden, das bisher aufgrund der Rayonbestimmungen (Schussfeld der Festung) nicht hatte bebaut werden können. Zunächst wurden hier zusammen mit der Hochlegung der Eisenbahntrassen der „Turmbahnhof“ Köln-Deutz und das zweite Kölner Paketpostamt angelegt. Nördlich davon, an der neu angelegten Wermelskirchener Straße, erwarb die Firma ein ausgedehntes Gelände mit Bahnanschluss.

Von dem auf Industriebau spezialisierten Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz ließ man ein viereinhalbgeschossiges, 75 m breites, 27 Fensterachsen umfassendes Eisenbeton-Gebäude mit benachbarter Verwaltung errichten, dessen Fertigstellung bereits in die ersten Monate des Ersten Weltkriegs fiel.

Der Brügelmann-Neubau ist wie andere gleichzeitige Manz-Bauten als Stahlbetonskelett ausgeführt; die Außenfronten sind in klassischer Tradition mit einem Sockelbereich und kräftigem Stockgesims, einem mehretagigen, von den Fensterachsen zwischen glatten Vorlagen dominierten Hauptteil mit abschließendem Traufgesims sowie einem Mansarddach versehen, dem über der fünften und siebten Achse (jeweils vom Rand aus gesehen) zwerchhausartige Giebelaufsätze mit flachen Dreiecksgiebeln vorgesetzt sind. Ebensolche Aufsätze betonen die mittleren drei der insgesamt sieben Achsen der Schmalseiten. Der Raum zwischen den Giebeln der Längsseite ist durch ein Fensterband gefüllt; der restliche Raum des Mansardgeschosses eng mit Gauben angefüllt. Zwei polygonale Lüftungsaufsätze mit geschweifter Haube sitzen auf den Ecken des Dachfirsts, der dazwischen durchgehend verglast ist.

In den Sockel ist auf der Südseite ein aus dunklem Basalttuff barock gerahmtes Portal eingefügt. Eine grün patinierte Tafel im bogenförmigen Giebel erinnert mit seiner Inschrift an die Fertigstellung in den ersten Kriegsjahren 1914-15.

Südlich des Hochbaus befindet sich ein zugehöriger Verwaltungsbau, der die Gestalt eines zweigeschossigen Villenbaus übernimmt. Der rechteckige Baukörper ist mit Fensterachsen regelmäßig gegliedert und besitzt ein ringsum laufendes Mansarddach, in das jeweils Giebelvorbauten oder Gauben eingestellt sind. An den Verwaltungsbau schließen sich nach Osten Shedhallen an, die in einem zweigeschossigen Querriegel enden, der Wohnungen für Hausmeister und Pförtner enthält.

Nach der Fertigstellung des Hochbaus wurde 1915 im Gebäude und auf dem zugehörigen Werksgelände eine äußerst gut besuchte Kriegsausstellung mit Beutestücken, aber auch lebensgroßen Modellen für Kriegerheimstätten und Nutzgärten gezeigt. Danach boten die Inhaber dem Militär ein Teil des Baus als Lazarett an; 1917 wurde dort das „Festungslazarett XX“ eröffnet.

Im Dezember 1918 beschlagnahmte die Britische Besatzung den Hochbau und nutze ihn bis Ende 1922 als Durchgangslager. Um wenigstens die mechanische Strickerei nach Deutz verlegen zu können, baute man östlich an die Verwaltung anschließend eine flache Shedhalle.

Im Zweiten Weltkrieg wurde vor allem der zwei Geschosse (Mansarde und belichtetes Spitzdach) umfassende Dachbereich des Stockwerksbaus stark beschädigt. Nachdem die Wandreste und das Stahlskelett des Daches abgebrochen worden war, wurde zunächst die Obergeschossdecke abgedichtet. Um 1955 wurde dann nach Plänen von Wilhelm Riphahn ein neues (5.) Obergeschoss errichtet, das durch seinen leicht gewölbten Abschluss in Form einer innen stützenlosen Betonschale dem Bau ein typisches Element der 50er Jahre hinzufügt. An der Ostseite wurde dem turmartigen Anbau ein weiteres Bogensegment als Dach hinzugefügt, ebenso dem Hauptdach. Im Süden des Geländes, neben der ersten Sheddachhalle, wurden weitere ebenerdige Bauteile angesetzt: eine Pack- und Verladehalle mit viertelkreisförmigen Sheds, sowie ein winkelförmiger Garagenbau mit zentraler Werkstatt und Tankstelle für den Fuhrpark des zu dieser Zeit mehr als 100 Personen betragenden Vertreterstamms. Unter einem Anbau an die Verladehalle sind im Untergeschoss, aber mit großen Fenstern Sozialräume eingefügt. Ein kreisrunder Pförtnerpavillon mit weit überstehendem Dach wacht über die Einfahrt an der Straße.

Nördlich und östlich des Hochbaus wurde bis 1975 eine ebenerdige Großmarkt-Halle angefügt, um die Musterausstellung in der Mühlengasse abzulösen und den Kunden die direkte Mitnahme zu ermöglichen. Die Produktion wurde eingestellt, der Stockwerksbau für Verwaltungszwecke umgebaut.

Nachdem bereits um 1990 das Stammhaus in der Altstadt aufgegeben worden war, stellte die Firma F.W. Brügelmann Söhne nach mehr als 180 Jahren ihres Bestehens 2001 auch in Deutz den größten Teil ihrer bisherigen Aktivitäten ein. Der aus einer bisherigen Abteilung gebildete Nachfolgebetrieb Brügelmann Textile Services zur Betreuung von Hotels und Gaststätten ist heute einer von vielen Nutzern des in einen Gewerbepark umgewandelten Areals, das sich weiterhin im Besitz der Familie Brügelmann befindet.

Literatur
F.W. Brügelmann Söhne (hg.): Aus Tradition der Zeit voraus. 150 Jahre F.W. Brügelmann, Köln 1970

F.W. Brügelmann Söhne (hg.): Kriegs-Chronik der Firma F.W. Brügelmann Söhne, Köln a. Rhein, 1914-1918 (Exemplar in der Wirtschaftsbibliothek der IHK Köln, Sign. IV z 3)

Klein-Meynen, Dieter; Meynen, Henriette; Kierdorf, Alexander: Kölner Wirtschaftsarchitektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau, Köln 1996, S. 122-123, 245

Renz, Kerstin: Industriearchitektur im frühen 20. Jahrhundert. Das Büro von Philipp Jakob Manz, München 2005