Dombrücke
Erbaut 1855-1859 Abgebrochen 1907 Ersetzt 1907-1911 durch die Hohenzollernbrücke



Lothar Hammerr
Die Dombrücke in Köln

Planungs- und Baugeschichte Die Dombrücke bildet nicht nur die erste feste Rheinbrücke Kölns, sondern auch die erste feste Rheinbrücke der Neuzeit unterhalb der Schweizer Grenze. Eine wesentliche Motivation für die Errichtung stellte der Ausbau des Eisenbahnnetzes durch die seinerzeit privaten Eisenbahngesellschaften dar. Bauherrin war die im rechtsrheinischen operierende Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft, die ihr Bauvorhaben einer Strecke zwischen Deutz und Gießen zum Anlass für das Brückenprojekts nahm. An der Rheinquerung hatten außer der Bauherrin auch die auf der linken Rheinseite aktive Rheinische Eisenbahngesellschaft, die Stadt Köln – beide zahlten Baukostenzuschüsse - und der preußische Staat ein Interesse. Der Staat behielt sich über die Baugenehmigung hinaus auch die Ernennung des technischen Bauleiters vor und bestellte als solchen zunächst den Wasserbauinspektor Friedrich Wilhelm Wallbaum und später dessen Kollegen Hermann Lohse, der sich durch die preußischen Ostbahnbrücken bei Dirschau und Marienburg einen Namen gemacht hatte. Als Standort wurde nach langer Prüfung verschiedener Alternativen schließlich von höchster Stelle eine Lage in der Achse des Domes festgelegt. Es waren, wie später noch dargelegt wird, nicht nur günstige Verhältnisse im Strombett, die für diese prominente Position sprachen. Die Tragwerke

Dombrücke von der Kölner Landseite. Foto 1909
Auffahrt zur Brücke für den Straßenverkehr. Rechts eine Zahlstelle für das Brückengeld.
Die größte Schwierigkeit stellte es dar, ein geeignetes System für die Brückenkonstruktion zu finden. In den Jahren zuvor waren bereits Brücken in verschiedenen Konstruktionsweisen entworfen und wieder verworfen worden. Die Systeme, zumeist Kettenbrücken, genügten nicht den Anforderungen, die sich aus den Lasten des Eisenbahnverkehrs und den Spannweiten ergaben. Erst nachdem Karl Lentze mit den Weichsel- und Nogat-Brücken bei Dirschau und Marienburg mit parallelgurtigen Gitterbalkenträgern die Lösung eines solchen Problems gelungen war, konnte auch in Köln, diesem Beispiel folgend, der Rhein überbrückt werden.

Die Dombrücke war zweizügig, ein Zug für zwei Eisenbahngleise, der andere für den Straßenverkehr, mit Spannweiten von je vier mal 103,20 m. Die 8,52 hohen Gitterträger, einer auf jeder Seite eines Brückenzuges, bestanden aus einem engmaschigen Netz von sich vielfach überkreuzenden Flacheisen, ein System, dass man statisch nicht genau berechnen konnte. Die Gitterwände bildeten zusammen mit den versteifenden horizontalen Konstruktionen zwischen den Ober- und Untergurten weitgehend geschlossen wirkende Kästen, von 7,73 Breite beim Eisenbahn- und 8,47 m Breite beim Straßenbrückenzug. Die Erzeugung der Schweißeisenteile für die Konstruktion erfolgte in der Steinhauser Hütte an der Ruhr. Bearbeitung, Lieferung und Montage übernahm die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft. Die Architektur der Pfeileraufbauten

Dombrücke von der Deutzer Seite. Foto ca. 1880
Die Landpfeiler und mittleren Strompfeiler erhielten Aufbauten, die keinem konstruktiven Zweck dienten. Bei diesen 1867 fertig gestellten baukünstlerischen Brückenelementen handelte es sich um flankierende Türme, auf den Landpfeilern durch Tore zu einer Portalarchitektur verbunden. Das Material war Udelfanger (Trierer) Sandstein. Der Berliner Architekt und Schinkelschüler Karl Strack gab ihnen den Stil einer schlichten und strengen Gotik, die Gestaltmerkmale des Klassizismus der Berliner Schule trug. Doppelt lebensgroße Reiterstandbilder der Preußenkönige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. bildeten ab 1867 die Bekrönung der Portale. Friedrich Wilhelm IV. hatte 1855 den Grundstein gelegt. Wilhelm I. war 1859 als Prinzregent bei der festlichen Einweihung zugegen gewesen. Die Ausstattung mit einer Architektur, die keinem technischen oder sonstigen praktische Zweck zu dienen scheint, lässt sich folgendermaßen erklären: Grundsätzlich wurde zur Bauzeit der Brücke zwischen höher- und niederrangigen Bauten unterschieden, die eine ihrem Rang entsprechende architektonische Gestaltung erhielten. Eiserne Brücken gehörten an sich zu den technischen Zweckbauten, die einen niedrigen Rang einnahmen und, wenn überhaupt, nur eine einfache architektonische Gestaltung erfuhren. Einen weiteren Aspekt bildet die aus der Trennung des Baufaches in Architektur und Ingenieurwesen, die es ermöglichte, Brücken als rein technisch geformte Ingenieurkonstruktionen entstehen zu lassen, die mit ihren neuen Formen nicht in den tradierten Formenkanon der Architektur passten. Und der Architekt fügte seine Formen bei Bedarf hinzu. Die Dombrücke war als großes Bauwerk in bedeutender Lage und ihrer symbolischen Bedeutung zu hochrangig, um auf eine gebührende architektonische Ausstattung zu verzichten, ließ aber eine komplette Ausführung in anerkannten architektonischen Formen nicht zu. Die Architektur, ausgeführt im klassischen Baumaterial Stein entstand dort, wo sie sich verwirklichen ließ: Auf den massiven Pfeilern. Von den Zufahrten aus gesehen verdeckte sie die zwar als technische Leitung bewunderte aber baukünstlerisch nicht vorzeigbare Eisenkonstruktion.

Die technische, wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Bedeutung der Dombrücke
Dombrücke mit dem Martinsviertel im Vordergrund
Ihre besondere Bedeutung, der die Dombrücke die architektonische und bildplastische Ausstattung zu verdanken hat, lässt sich am besten über die Reiterdenkmäler erschließen. Solche vollplastischen, überlebensgroßen Herrscherstandbilder nahmen unter den Denkmälern einen sehr hohen Rang ein. Die Brücke muss daher als Repräsentationsobjekt des preußischen Staates eine bedeutende Rolle gespielt haben. Auch die Portalarchitektur, die im seinerzeitigen höherrangigen Profan- und im Sakralbau Parallelen findet, weist auf ein bedeutendes Repräsentationsbauwerk hin.

Zunächst einmal bildete die Dombrücke ein Symbol technisch-industrieller und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und war damit im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung damit sehr gut als Repräsentationsobjekt nutzbar. Mit den kurz zuvor errichteten Brücken bei Dirschau und Marienburg zählte die Dombrücke zu den Pionierbauwerken, mit denen erstmals auf dem europäischen Festland die Überbrückung großer Hindernisse für den Eisenbahnverkehr gelungen war. Die prominente Lage vor dem Kölner Dom wertete die Brücke abermals auf und schuf eine eigenartige Konstellation zweier symbolträchtiger Bauten. Diese Lage war kein Zufall und ließ sich auch nicht rein technisch mit günstigen Verhältnissen im Strombett und an den Ufern begründen. Die Entscheidung für den Standort war von König Friedrich Wilhelm IV. mit der Absicht getroffen worden, direkten Bezug auf den Dom zu nehmen.

Stadtpanorama Köln mit Dombrücke und Dom. Links die Schiffsbrücke als zusätzliche Verbindung zwischen Deutz und Köln für den Fahr- und Fußgängerverkehr. Ölbild Georg Osterwald, um 1865
Der Dom, das wohl bedeutendste sakrale Bauwerk in Deutschland, besaß seinerzeit eine mehrfache symbolische Bedeutung. Einmal war er ein Symbol des politischen Katholizismus und die Kirche des Kölner Erzbischofs. Die weitestgehend katholische Bevölkerung und der Erzbischof hatten bis zum Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. in einem konflikteichen Verhältnis zum protestantischen Herrscherhaus und dessen zugezogener Beamtenschaft gestanden (Kölner Kirchenstreit um Mischehen, theologische Lehre an Hochschulen). Dieses Verhältnis hatte sich seit dem Amtsantritt Friedrich Wilhelms IV. 1840 zwar gebessert, konnte aber noch nicht als unbelastet bezeichnet werden. Darüber hinaus bildete die noch unvollendete gotische Kathedrale ein Symbol des mittelalterlichen Kaiserreiches und als solches ein Denkmal für den ebenfalls noch unvollendeten deutschen Nationalstaat. Die vom Geist der Romantik geprägten nationalen Einigungsbestrebungen wurden von katholischer ebenso wie von protestantischer Seite getragen. Friedrich Wilhelm IV., der „Romantiker auf dem Thron“, war ein Anhänger mittelalterlich geprägter Vorstellungen einer „Einheit von Thron und Altar“ über konfessionelle Grenzen hinweg und einer Herrschaft von Gottes Gnaden. Er hatte 1842 gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof symbolträchtig den Grundstein zum Weiterbau des Domes gelegt. Positive Auswirkungen auf das rheinisch-preußische Verhältnis hatte auch der sich immer deutlicher abzeichnende wirtschaftlichen Aufschwung, an dem der Staat durch tatkräftige Förderung einen maßgeblichen Anteil hatte und für den die Brücke symbolisch stand. Vor diesem Hintergrund lassen sich Brückenstandort, Denkmäler und Architektur als deutliches Zeichen des preußischen Anspruchs auf die Rheinlande und das nationale und katholische Symbolbauwerk Kölner Dom interpretieren.