Zeche Victoria
Essen, Nierenhofer Str. 90
Walter Buschmann
Zeche Victoria


Kurztext

Versteckt im Wald konnte der 1890 für die Zeche Victoria erbaute Wetterkamin als Ruine überdauern. Das späte Baujahr zeigt das lange Beharrungsvermögen einer Bewetterungstechnik aus vorindustrieller Zeit. Das Verwaltungs- und Kauengebäude im Deilbachtal mit dem benachbarten Stollenmundloch verweist auf den Ursprungsstandort der ehemaligen Stollenzeche.

Geschichte der Zeche Victoria

Zeche Victoria entstand aus einer Vielzahl kleiner und kleinster Stollenzechen, im Deilbachtal, die im Feld dieses Bergwerkes schon seit dem 18. Jahrhundert Kohle abbauten. Für 1861 und 1864 sind Konsolidationsurkunden überliefert, nach denen unter dem Namen Victoria folgende ältere Zechen vereinigt wurden: Freundschaft, Friedrich Anton, ver. Himmelscroner Erbstollen, Himmelscrone, Siegeswagen, ver. Neuglück, Bescheidenheit. Von diesen Zechen wurden bei einer Neuvermessung 1889 zehn Stollenmundlöcher, ein Röschenmundloch und sechs Wetterüberhauen aufgenommen. Wichtigster Stollen, weil zunächst zur Förderung von Victoria genutzt, war der Himmelscroner Erbstollen, dessen Anlage auf Gründung der gleichnamigen Zeche von 1847 zurückgeht.

eisenhuette
Foto des Mundlochs des Himmelscroner Erbstollens
1861, drei Jahre vor Konsolidation mit Victoria waren der Zeche Himmelscroner Erbstollen 13 Flöze mit zusammen 272 Zoll (= 7,12 m) verliehen, von denen aber nur zwei Flöze mit 18 Zoll (= 47,1 cm) und 52 Zoll (= 136,2 cm) abgebaut wurden. Die Zeche förderte mit 18 Mann Belegschaft 10.572 t Kohle. Repräsentant war der Ökonom Wilhelm Deilmann, der in der Nähe einen großen Bauernhof führte und dessen Familie Fluß (Deilbach) und Tal den Namen gab.

Zeche Victoria bot anfangs das typische Bild einer Stollenzeche. Der Förderstollen unterquerte die Nierenhofer Straße und endete mit seinem Stollenmundloch in einem Gebäude, dessen Rückwand direkt an der Straße lag. Aus dem Gebäude führte eine Schienenbahn zu einer Ladebrücke an der Prinz-Wilhelm-Bahn, deren Trasse in nur 80 Metern Entfernung lag. Dicht an der Überbauung des Stollenmundloches lagen Zechenhaus und ein Gebäude für Werkstätten und Magazin. Bis in die Mitte der 1880er Jahre blieb dieses Bild einer bescheidenen Stollenzeche erhalten. 1885 wurde mit 19 Beschäftigten 630 t Kohle gefördert.

Wohl ausgehend von Planungen um 1884 wurden weit oben am bewaldeten Nordhang über dem Deilbach eine neue Schachtanlage mit dem tonnenlägigen Schacht Wilhelm (Teufbeginn 1890, Förderung 1893) und 1887, verbunden mit diesem Schacht durch eine Kettenförderung direkt an der Prinz-Wilhelm-Bahn eine Wäsche mit Preßnußkohlen und Brikettfabrik errichtet. Etwa auf halber Strecke zwischen Schacht Wilhelm und den Bauten im Tal entstand 1890 der erhaltene Wetterkamin.


eisenhuette
Foto des Wetterkamins
Der Förderbetrieb aus dem Himmelscroner Erbstollen wurde 1894 eingestellt. Die Produktivität der Grube war mit diesem Übergang zum Tiefbau erheblich gestiegen. 1895 wurden mit 133 Mann nur 15.548 t gefördert, 1900 stieg der Ertrag bei 351 Beschäftigten auf 110.654 t.

Die Anlage der 1890er Jahre genügte nicht lange den Anforderungen und Möglichkeiten dieses Bergwerksbetriebes. Zwischen 1909 und 1913 entstand im Tal, unmittelbar im Anschluß an die Brikettfabrik eine neue Doppelschachtanlage. Der Förderschacht erhielt als Fördergerüst einen Tomson-Bock. Zur Schachtanlage gehörten ferner ein Zentralmaschinenhaus, Kesselhaus, Werkstätten und das erhaltene Kauen- und Verwaltungsgebäude von 1910. Gleichzeitig mit dieser Doppelschachtanlage wurde der Wetterschacht oben am Hang mit einem Ventilator ausgestattet. Der tonnlägige Schacht Wilhelm wurde 1913 stillgelegt und nach gut 25jähriger Existenz 1919 verfüllt. Die neue Doppelschachtanlage brachte einen erheblichen Produktionssprung. Schon 1913 wurden mit 510 Beschäftigten 122.578 t gefördert und 1920 erreichte das Bergwerk die größte Leistungskraft mit 865 Mann und 145.253 t geförderter Kohle.


eisenhuette
Luftbild der Gesamtanlage von 1926
Im Zuge der Wirtschaftskrise wurde Zeche Victoria 1925 stillgelegt. Die Gebäude der Übertageanlage wurden von anderen Gewerbebetrieben übernommen. Das Grubenfeld ging 1950 an Carl Funke, gehörte damit zur Essener Steinkohlenbergwerke AG, die 1955 vom Mannesmann-Konzern übernommen wurde.







Stollenmundloch Himmelscroner Erbstollen

Der Stollen wurde an der Nierenhofer Straße beginnend um 1847 relativ geradlinig nach Nordwesten in den Berg getrieben und stand 1887 über fünf Wetterschächten mit der Tagesoberfläche in Verbindung. Im Bereich der Nierenhofer Straße führt der Stollen dicht am Ostgiebel des Hauses Nr. 71 vorbei, ist unterhalb der Straße verrohrt und setzt sich jenseits der Straße auf einer Länge von sechs Metern mit einer Breite von 1,1 m und einer Höhe von 2,0 m fort. Der in diesem Bereich mit Ausmauerung versehene Stollen endet in einem Mundloch mit Flankenmauern, wohl aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, und ist mit einer losen Eisenplatte überdeckt.

Trotz des relativ neuzeitlichen Erscheinungsbildes ist der Stollen von großer ortsgeschichtlicher Bedeutung. Er tradiert zumindest den Standort einer Stollenzeche, die in Verbindung stand mit dem Bauernhof Deilmann und auch einen Sinnzusammenhang mit dem erhaltenen Eisenhammer und dem Kupferhammer im Deilbachtal bietet.


Verwaltungs- und Kauengebäude

Das 1909-10 erbaute Verwaltungs- und Kauengebäude der Zeche Victoria ist ein in den Architekturformen vergleichsweise zurückhaltendes Beispiel im bergbaulichen und industriellen Verwaltungsbau. Es dokumentiert einen Höhepunkt in der Geschichte der Zeche Victoria. Die Anordnung der Kaue im Obergeschoß ermöglichte eine optimale Funktionsbindung zur Hängebank des Schachtes.

eisenhuette
Foto des Verwaltungs- und Kauengebäudes
Zwei- bis dreigeschossiger Backsteinbau in Hanglage mit einem höheren, fünf-achsigen Gebäudeteil für die Kaue und einem niedrigeren Trakt für Lohnhalle und Büros. Die Fassaden beider Gebäudeteile sind strukturiert durch ein System gliedernder Architekturelemente in Ziegelmauerwerk (Wandvorlagen, Stockwerks-, Trauf- und Sohlbankgesimse, segmentbogige Fenster- und Türstürze) und teilweise zurückliegend ausgebildete verputzte Wandflächen. Der talseitig ein Vollgeschoß bildende Sockel in Sichtmauerwerk setzt sich optisch bis in Höhe der Kämpfer der Erdgeschoßfenster fort. Der gleiche Effekt findet sich an den Obergeschoßfenstern der Giebelseiten. Zusätzlich sind Ziegelstreifen in den Putzfeldern über den Erdgeschoßfenstern des höheren Gebäudeteils eingelassen.

Die fünfachsige Straßenfassade des Kauentraktes ist zusätzlich betont durch einen Mittelrisalit mit geschweiftem Giebel (teilweise gekappt). Die später erneuerten Fenster waren ursprünglich im Erdgeschoß aus Holz und im Obergeschoß aus Eisen oder Stahl. Die Haupterschließung des Gebäudes erfolgt von den beiden Giebelseiten. Hinter dem Eingang lag die ehemalige Lohnhalle. Von dort führt eine breite Steintreppe ins erste Oberschoß zur Lampenstube. Ein Mannschaftsgang stellte die Verbindung her zwischen Lampenstube und Schachthalle. Die Hakenkaue mit Duschanlagen erstreckte sich hinter der Lampenstube im Obergeschoß des Haupttraktes. Im Erdgeschoß befanden sich die Büros und im Sockelgeschoß Nebenräume, Magazin und Totenkammer.


Wetterkamin

Turmartiges Bauwerk von 1890 in Form einer abgestumpften Pyramide aus Bruchsteinmauerwerk (Ruhrsandstein) im wilden Verband aber mit überwiegend durchgehenden Lagerfugen. An den Ecken regelmäßiges Bossenquadermauerwerk. Oben sind die Ecken mit verschraubten Ankerstangen und gusseisernen Ankerplatten verstärkt. An der Südseite des Turmes, knapp unterhalb der Mauerkrone, saß ursprünglich ein Inschriftenstein mit Hammer und Schlägel, sowie den Initialen W.N. und der Jahreszahl 1890. Dieser Stein wird heute im Depot des Ruhrmuseums aufbewahrt. Der Turm ist annähernd 6,0 m hoch und hat oben etwa eine Kantenlänge von 5,0 m. Am Fuß des Turmes setzt nach Süden ein gewölbter Wetterkanal (1,5 x 2,2 m) an, der nur noch auf kurzer Länge erhalten ist und ursprünglich die Verbindung zum Schacht herstellte. An der gegenüberliegenden Seite lag hinter einem Rundbogen der Wetterofen, in dem ein offenes Feuer für den Luftzug aus dem Schacht sorgte. Bei Grabungen wurde in der Aschekammer über 10 cbm Ruß- und Aschefüllung gefunden. Der Wetterkamin wird nur bis zum Bau des weitaus effektiveren Ventilators 1911 in Betrieb gewesen sein.

Literatur

• L. Achepohl, Das niederrheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet. 1. Aufl. 1888, 2. Aufl. Berlin 1894
• Buschmann, Walter: Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau, Berlin 1998
• Friedrich Carl Devens, Statistik des Kreises Essen für die Jahre 1859-1861, Essen 1863
• Führer durch die rheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie. Mit zahlreichen Situationsplänen, Profilen, graphischen Darstellungen und einer Übersichtskarte. W. Forschpieper (Hg.), Oberhausen 1880
• Gerhard Gebhardt, Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957
• Wüstenfeld, Gustav Adolf: Frühe Stätten des Ruhrbergbaus, Witten 1975.
• Kurt Pfläging, Die Wiege des Ruhrkohlen-Bergbaus. Die Geschichte der Zechen im südlichen Ruhrgebiet, Essen 1987
• Carl Koschwitz, Die Hochbauten auf den Steinkohlenzechen des Ruhrgebietes (= Beiträge zur Landeskunde des Ruhrgebietes Heft 4), Essen 1930
• Wilhelm und Gertrude Hermann, Die alten Zechen an der Ruhr, Königstein/Taunus 3. Aufl. 1981
• Joachim Huske, Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987
• Geschäftsberichte Gewerkschaft Victoria, 1903-1920
• Kupferdreh auf Kohle und Stein, Essen 1983
• Kupferdreh in 9 Jahrzehnten, Essen 1987
• Almanach der Heimat. Im tausendjährigen Steele, Essen-Steele 1951