Zeche Rheinpreussen | Schacht 1-2-3
Duisburg, Baumstraße
Walter Buschmann
Zeche Rheinpreußen in Duisburg | Schacht 1-2-3


Schon im Erscheinungsbild der imposanten Doppel-Malakowanlage für die Schachtanlage Rheinpreußen 1/2 spiegelt sich der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang mit den Zechen Zollverein und Oberhausen. Die Malakowanlage - 1857 geplant, aber erst 1875/76 ausgeführt - stand am Ende einer Reihe von Zechen, die unter dem Einfluss von Franz Haniel entstanden und jeweils mit einer Doppel-Malakowanlage ausgestattet waren. Im Gegensatz zu Zollverein und Oberhausen sind auf Rheinpreußen wesentliche Teile dieser Anlage erhalten.

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Der erhaltene Malakowturm in einem Luftbild von 2012
Im Mai 1857 wurde mit den Abteufarbeiten im Senkschachtverfahren begonnen und im November des gleichen Jahres stellte Hugo Haniel den Antrag auf Ausführung der Übertageanlagen. Die dem Antrag beigefügte Baubeschreibung (Zeichnungen sind leider nicht überliefert) zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt die bauliche Ausprägung der erst später vollendeten Anlage bereits festgelegt war. Ausgeführt wurde 1857/58 jedoch zunächst nur ein beschränktes Bauprogramm. Es entstand der ausgedehnte Werkstatt-Trakt mit Gießerei und ein Kesselhaus für acht Kessel, das aber anfangs nur mit drei Kesseln ausgestattet wurde. Zum Kesselhaus gehörte zunächst ein provisorischer Schornstein aus Eisenblech, der erst 1859 durch einen massiv aus Ziegeln gemauerten Schornstein ersetzt wurde. Über den Schächten standen hölzerne Abteufgerüste und die zugehörigen Abteufmaschinen waren in provisorischen Bauten aufgestellt. Dieses später generell übliche Verfahren galt gerade für Rheinpreußen im Hinblick auf den unsicheren Erfolg des ganzen Unternehmens als sinnvoll.

Das Abteufen der Schächte erwies sich durch den geologischen Aufbau des Deckgebirges über der Steinkohle als schwierig und langwierig. Begonnen hatte man 1857 im Senkschachtverfahren, wechselte aber nach einem Jahr bereits zum für die Grube Anna im Aachener Revier entwickelten Verfahren mit Sackbohrer und Schachtauskleidung mit gusseisernen Tübbings von immer geringer werdendem Durchmesser. Vier Jahre nach Abteufbeginn, als 1861 erst eine Teufe von 94 m erreicht war, unterbrach ein gewaltiger Schwimmsandeinbruch die Arbeiten. Der Schwimmsand zerdrückte weitgehend die eingebaute Tübbingsäule und stieg bis 17,5 m unter die Hängebank. Seit 1863 hatte Obersteiger Heinrich Hochstrate die technische Leitung übernommen. Ohne Klarheit über ein erfolgreiches Abteufen von Schacht 1 wurde 1867 mit dem Schacht 2 begonnen und dort schon 1872 das Karbon erreicht. Bis Dezember 1876 wird der Malakowturm mit angrenzenden Maschinenhäusern für Schacht 2 fertiggestellt worden sein, denn nun wurde eine der beiden Wasserhaltungsmaschinen in Betrieb genommen und mit der Förderung begonnen. Erst 1877 erreichte man mit Schacht 1 das Steinkohlengebirge. 1878 bis 1880 wurde der Schachtturm für Schacht 1 mit zugehörigen Maschinenhäusern errichtet und mit Aufstellung der zweiten, 1000 PS starken Wasserhaltungsmaschine die Wasserhaltung gesichert. Die Übertageanlage wurde komplettiert durch Magazin und Gezäheschmiede (1876), Wäsche (1878/79), Kokerei (1878/79 und 1880/81) sowie Lade- und Transportbrücken (1876-80) und einen gemauerten Viadukt zum Rhein mit Rheinhafen (1879-81). Damit war ein Zustand erreicht, der uns durch ein prachtvolles Schaubild von 1888 überliefert ist.


Die vollendete Malakowanlage von 1880

In der Gesamtdisposition war eine nahezu vollkommen symmetrische Gesamtanlage entstanden, die dominiert wurde von den beiden identischen Malakowtürme. Rückwärtig wurden an die Schachttürme die beiden ebenfalls gleich ausgebildeten Trakte für die Wasserhaltungsmaschinen angefügt und zwischen den Türmen war ein Mitteltrakt für die beiden Fördermaschinen entstanden.

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Die Zechenanlage in einem historischen Schaubild
Die Malakowanlage wurde in ihrer Großform wesentlich von der maschinellen Ausstattung geprägt. Zur Schachtförderung dienten die im Mitteltakt aufgestellten beiden Zwillings-Dampffördermaschinen, von denen die Fundamente noch erhalten sind. Die ältere von Schacht II aus dem Jahr 1857 war mit Bobinen (Durchmesser 2,85 m) ausgestattet und leistete 200 PS. Die Zylinder hatten Durchmesser von 94 cm und die Hublänge war 1,57 m. Die Fördermaschine von Schacht I war 1886 eingebaut worden. Sie trieb mit 400 PS eine Spiraltrommel von 6 bis 8 m Durchmesser. Die Maschine hatte Zylinderdurchmesser von 1,0 m und eine Hublänge von 1,9 m.

Die Fördermaschinen zogen in Schacht I vieretagige Förderkörbe für je einen Wagen pro Etage und im Schacht II zweietagige Körbe für je zwei Wagen hintereinander. Die Förderkörbe konnten an der Hängebank gleichzeitig auf zwei Etagen be- und entladen werden.

Zur Wasserhaltung diente am Schacht I eine Woolf'sche Maschine (benannt nach Arthur Woolf, mit 1000 PS von 1880. Die nebeneinander stehenden Zylinder hatten Durchmesser von 1,05 m und 1,65 m. Die Hubhöhe der Kolben betrug 3,6 m. Das Auflager des Balanciers ist erhalten. Am Schacht II standen zwei Woolf'sche Maschinen von 1875 und 1886 mit je 500 PS. Die Zylinder der beiden Maschinen standen hintereinander und hatten Durchmesser von 1,1 und 1,5 m. Der Kolbenhub betrug 2,4 und 2,7 m. Zusätzlich dienten zur Wasserhaltung auf der 450 m Sohle zwei hydraulische Pumpen mit je 250 PS und eine Wassersäulenmaschine.

Das Kesselhaus zum Betrieb der Maschinen war rückseitig am Mitteltrakt, in zentraler Position zu den Dampfverbrauchern angeordnet. Nach dem Konzessionsantrag von 1857 sollten im Kesselhaus 18 Kessel aufgestellt werden. Hinter dem Kesselhaus, axial auf die beiden Türme bezogen, stand der Kamin, der von einem quadratischen Sockel in ein Achteckprofil wechselte. Im Erdgeschoßbereich, vor dem Mitteltrakt, lag ein langgezogener Gebäudekörper für Magazin und Gezäheschmiede. Er wird im historischen Schaubild verdeckt von der Ladebühne. Die Ladebühne war flankiert von zwei Kokskohletürmen mit Transportbrücken zu den parallel zur Schachtanlage aufgestellten Koksofenbatterien. Die Aufbereitung ist dem östlichen Schachtturm (Schacht II, links im Schaubild) zugeordnet.

Nur der zum Rhein führende Viadukt variierte das Bild einer sonst konsequent orthogonal aufgebauten Gesamtanlage. Die Förderung der Kohlewagen zum Rhein erfolgte anfangs mit Pferden und seit 1878 mit maschineller Seilförderung.


Expansion durch Anlage neuer Schächte

Gleich nach Betriebsaufnahme konnte Zeche Rheinpreußen eine hohe Förderung erreichen. 1880 wurde mit 711 Bergleuten 135.685 t Kohle gefördert. Nachdem 1884 Schacht 1 die Förderung aufnahm, wurde 1885 mit 1002 Mann knapp 200.000 t Kohle gefördert und 1890 erreichte man schon ein Ergebnis von knapp über 300.000 t. Damit war die Effektivität einer gut ausge¬statteten Einzelschachtanlage wie Zeche Carl (1899) erreicht, aber Rheinpreußen kam damit nur auf etwa ein Drittel des auf Zollverein geförderten Ertrages. Zollverein verfügte allerdings schon seit 1882 über drei Schächte und konnte 1892 schon den vierten Schacht in Betrieb nehmen. Es war naheliegend, daß Rheinpreußen das riesige Grubenfeld ebenfalls durch Anlage weiterer Schächte erschließen mußte.

Hatte noch beim Abteufen der Schächte 1 und 2 und dem Bau der Malakowanlage Obersteiger Hochstrate die technische Leitung, wurde ab 1887 Heinrich Pattberg die bestimmende Kraft bei Anlage der folgenden Schächte. Pattberg blieb bis 1932 Grubendirektor von Rheinpreußen.

Nicht weit entfernt von den Schächten 1 und 2 (1,1 km) wurde 1891 mit dem Abteufen des Schachtes 3 begonnen. Der Schacht sollte auch zur Wasserhaltung der Schächte 1 und 2 beitragen. Das Steinkohlengebirge wurde 1894 erreicht, die Förderung 1898 aufgenommen. Die geförderte Kohle wurde über eine Transportbrücke der Separation und Wäsche auf den Schächten 1/2 zugeführt. Schacht 3 diente nur bis 1914 der Förderung, wurde aber darüber hinaus zur Bewetterung und bis 1956 zur Wasserhaltung genutzt.


Ausbau der Schachtanlage 1/2 nach der Jahrhundertwende

Nach knapp 20jährigem Betrieb wurde die Malakowanlage im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts durchgreifend modernisiert. Im Zentrum der Maßnahmen stand 1911/12 die Erneuerung der Förderanlage von Schacht 2. Der Malakowturm wurde bis auf zwei Geschosse abgetragen, ein neuer Wagenumlauf auf dem Turmstumpf in Stahlfachwerkkonstruktion montiert und ein zweigeschossiges Fördergerüst über dem Schacht errichtet. Die neue Elektrofördermaschine wurde in einem separaten Fördermaschinenhaus aufgestellt. Zuvor waren 1907 bereits die beiden Hängebänke erneuert worden und 1908-10 die Dachkonstruktionen aus Holz durch Stahlbinder ersetzt worden. Der Umbau von Schacht 2 mit Umstellung auf Elektroförderung wurde bei laufendem Betrieb in Nacht- und Sonntagsarbeit durchgeführt.

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Grundriss der Förderanlage und des Kauengebäudes
Schon 1900 hatte man das direkt hinter dem Mitteltrakt der Doppelturmanlage stehende Kesselhaus mit Kamin abgebrochen. An seiner Stelle entstand eine neue Kaue mit Büros und Lampenreinigung. Mit dem Umbau von Schacht 2 wurde die Kaue 1911 auf ihren heutigen Umfang erweitert. Die aus den Anfangstagen der Zeche stammende Werkstatt wurde 1911 und 1921 erweitert.

Umfangreiche Erneuerungen gab es im Bereich der Kohlenverarbeitung und -veredelung. 1906/07 wurde eine neue Doppelwäsche zur Verarbeitung der Kohle von Schacht 1/2 und Schacht 3 gebaut. Direkt gegenüber der Wäsche und mit dieser über eine Transportbrücke verbunden stand der Kohlenturm für die 1905 entstandenen Otto-Hofmann-Öfen. Die zugehörige Nebenproduktenanlage bedeutete den Einstieg in die für Rheinpreußen später so wichtig werdende Herstellung chemischer Produkte. Die Kokerei wurde 1911/13 mit Koppers-Öfen (Querregeneratoren) ausgestattet.400 Abschließend entstand in diesem Bereich der Verarbeitungsanlagen 1924/25 noch eine Brikettfabrik. Das Verwaltungsgebäude, 1903/04 an der Zufahrtstraße zur Schachtanlage 1/2 errichtet, demonstrierte das steigende Selbstbewusstsein eines Unternehmens, das zu dieser Zeit, kurz vor Gründung der Krupp'schen Friedrich-Alfreds-Hütte in Rheinhausen, noch die dominierende Kraft am linken Rheinufer war.

Der Aufschwung in den Jahrzehnten nach 1900 setzte sich zu¬nächst auch nach dem Ersten Weltkrieg fort. 1922 wurde der Schacht 6 begonnen, der später ebenso wie Schacht 7 (1932) zu dem abgeteilten Feld Rheinland gehörte. Die seit 1927 so genannten Pattbergschächte wurden lange als eigenständiges Bergwerk betrieben.

Mitten in der Phase des Aufschwungs wurde jedoch auch Rheinpreußen von der Krise der 1920er Jahre erfasst. Rationalisierungsbemühungen erforderten die Konzentration des Förderbetriebs. Die technisch veraltete Malakowanlage konnte trotz der gerade 10 Jahre zuvor durchgeführten Modernisierung die Konkurrenz mit den anderen Rheinpreußenschächte nicht bestehen und wurde 1925 stillgelegt.

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Foto der Gesamtanlage von 1954
Die wichtigste Maßnahme in den 1930er Jahren war der Bau einer Fischer-Tropsch-Anlage 1936 in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schachtanlage 5. Im Oktober 1936 verließ der erste Tankwagen mit synthetischem Benzin das Werk. 1940 wurde direkt im Anschluss an die Schachtanlage 1/2 eine Schmierölfabrik errichtet.

1941-45 entstand direkt am Rhein der Außenschacht 8 (Gerdt) mit Förderturm und Kauengebäude nach Entwurf der Architekten Schupp und Kremmer.

Seit Fertigstellung des Zentralförderschachtes 9 (1958-62) wurden die Schächte 4 und 5 nicht mehr zur Förderung genutzt. Rheinpreußen gehörte seit 1970 zum Bergwerk Rheinland, das bis 1986 das größte Bergwerk des Ruhrgebietes war. Mit Stilllegung des Schachtes 9 endete 1990 die Geschichte des Bergwerkes Rheinpreußen.


Rheinpreußen 1/2

Zentraler und dominanter Baukörper der überlieferten Anlage ist der Malakowturm von Schacht 1, ausgeführt in jener massiv wirkenden Backsteinarchitektur, die für die Industriearchitektur der Jahrhundertmitte charakteristisch ist. In gleicher Formensprache schließen sich der Mitteltrakt, die Fragmente des Turmes von Schacht 2 und die Seitenflügel für die Wasserhaltungsmaschinen an. Das Büro- und Kauengebäude wurde in kongenialer Backsteinbauweise zugefügt, so dass die Gesamtanlage noch ganz dem Geist jener kompakten Malakowschächte der Zeit um 1850 verpflichtet ist.


Schachtturmanlage Rheinpreußen 1/2, 1876-80/1911/12

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Der erhaltene Malakowturm in einem Foto von 1994
Der Turm von Schacht 1 erhebt sich auf annähernd quadratischem Grundriss. Über dem Zeltdach ist eine breite, gedrückt wirkende Laterne angeordnet, die ebenfalls mit einem Zeltdach gedeckt ist. Die dreiachsig aufgebauten Fassaden sind fünfgeschossig ausgebildet mit Rundbogenfenstern in den unteren Geschossen und Rundfenstern im obersten Geschoß. In den Öffnungen befinden sich teilweise noch die schönen Gußeisenfenster der Entstehungszeit mit Rosetten in den Bogenfeldern. Alle Fenster sind überfangen von halbsteinstarken Backsteinbändern. In den Mittelachsen der beiden freistehenden Fassaden befinden sich hohe, teilweise vermauerte Öffnungen, die bis in Höhe des zweiten Geschosses reichten. Darüber sind bis auf Höhe der Fenster des dritten Geschosses weitere Rundbögen im Mauerwerk erkennbar, die wohl zur Herstellung von Montageöffnungen dienten. Zwischen den Fensterachsen und an den Turmecken befinden sich Wandvorlangen. Die zurückspringenden Wandfelder werden oben durch Klötzchenfriese begrenzt. Die umlaufenden Traufgesimse sind als Deutsches Band ausgebildet. In den Mittelachsen befinden sich über den oberen Rundfenstern in großen gusseisernen Ziffern als Inschrift die Jahreszahl 1879.

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Das Innere des Malakowturms in einem Foto von 1988
Im Inneren des Turmes ist ein Führungsgerüst in geschraubter Stahlkonstruktion aus jüngerer Zeit mit Spurlatten, Fallklinken und Prellböcken erhalten.

An den Malakowturm des Schachtes 1 schließt der dreigeschossig ausgebildete Mitteltrakt mit Rundbogenöffnungen (teilweise vermauert) im Erdgeschoß und Segmentbogenfenstern in den beiden Obergeschossen an (Abbruch 2006). Der Mitteltrakt hat sieben Achsen mit durchweg zwei Fenstern pro Achse. Die Mittelachse wird betont durch drei Fenster. Der nicht mehr vorhandene Mittelrisalit ist noch durch Bruchspuren im Mauerwerk nachvollziehbar. Im Bereich der westlichen drei Achsen des Mitteltrakts ist das obere Geschoß ersetzt durch einen zweigeschossigen Aufsatz in Stahlfachwerkkonstruktion für den Wagenumlauf von Schacht 2 (1911/12).

Der Mitteltrakt wird überspannt von Stahlbindern (1910). Zum Schacht 1 orientiert ist das Fundament der Fördermaschine erhalten. Die Förderseile durchstießen das Dach des Mitteltrakts und führten schräg durch eine Öffnung im Mauerwerk zu den Seilscheiben im Kopf des Malakowturmes. Die Seile wurden durch eine Einhausung in Stahlfachwerk geschützt.

Der zu Schacht 2 (1879) gehörende Malakowturm war noch in zwei Geschossen mit gleicher Architektur wie der Turm von Schacht 1 erhalten(Abbuch 2006). Über dem Turmstumpf setzte sich der Aufbau in Stahlwerkkonstruktion für den Wagenumlauf von 1911/12 fort. Dieser Aufbau war seitlich über den Turm hinausgeführt und hier im unteren Bereich mit Stahlstützen aufgeständert. In dieser Zone lag der Materialaufzug, mit dem die auf Rasenhängebankebene eintreffenden Wagen auf Höhe des Wagenumlaufs gehoben werden konnten.

Rückseitig schließt sich an den Turm von Schacht 1 der dreigeschossige Flügel für die Wasserhaltungsmaschinen an. Innen deutet die besonders kräftig ausgebildete Trennwand zwischen dem Turm von Schacht 1 und zugehörigem Seitenflügel das Auflager des Balanciers an. Der Durchlass für den Balancier wird überfangen durch einen hohen Rundbogen.

Die Malakowanlage ist - auch in ihrer fragmentarischen Überlieferung - von hohem Dokumentationswert für eine in Bergbautechnik und Architektur realisierte Spitzenleistung, die im Ruhrbergbau für die Zechen Zollverein, Oberhausen und Rheinpreußen verwirklicht wurde. Im sparsamen, klassizistisch orientierten Duktus der Fassadenarchitektur deutet sich noch eine andere Auffassung an, als sie in dem 'Burgenstil' späterer Malakowanlagen (vgl. Hannover in Bochum) zum Ausdruck kommt. Rheinpreußen 1/2 ist wegen dieser erhaltenen Reste der Malakowdoppeltur-manlage von herausragender architektur- und bergbaugeschichtlicher Bedeutung.


Verwaltungs- und Kauengebäude, 1900/1911; Arch.: Vallentin (Abbruch 2006)

Die direkt an der Rückseite der Malakowanlage ansetzende mehrteilige Gebäudeanlage bestand im Kern aus einer sechsschiffigen Halle für die Hakenkaue und einem vorgelagerten Trakt für die Büros der Steiger und Betriebsführer.

Die sechs Hallenschiffe waren überspannt von Stahlbindern, die auf fünfzehn 9,10 m hohen gusseisernen Säulen ruhten. Die Säulen waren mit korinthischen Kapitellen geschmückt. Vier der Hallenschiffe hatten tonnenförmige Dächer. In diesen Schiffen waren die Aufzugsvorrichtungen für die Kleidung und Bänke untergebracht. Dazwischen lagen schmale Hallenschiffe für die Gänge zwischen den Bänken mit steilen Satteldächern. Im ersten Bauabschnitt waren 1900 nur die drei westlichen Hallenschiffe entstanden. Die drei östlichen Schiffe wurden 1911 angefügt.

Der vorgelagerte Bürotrakt stammte ebenfalls von 1911. Er bestand aus zwei pavillonartigen Gebäudeteilen mit Zeltdächern und langgestreckten, eingeschossigen Bürotrakten mit schmal-hochrechteckigen Zwillings- und Drillingsfenstern. Zwischen den Fenstergruppen waren schwer wirkende Wandpfeiler angeordnet, die über das Traufgesims hinausragen und eine Attika gliedern, hinter der sich das flachgeneigte Dach verbirgt. Einer der beiden Pavillons diente als Haupteingang. Die stark zurückspringende Eingangstür lag in einer offenen Eingangsloggia, die von einem kassettierten Tonnengewölbe überspannt wird und deren Wandfelder mit Fliesen belegt sind. Der zweite Pavillon stand anstelle des zur Kesselanlage gehörenden Schornsteinsockels. Der Schornstein sollte nach der ersten Planung für das Verwaltung- und Kauengebäude stehen bleiben, wurde dann aber doch abgebrochen und sein Standort durch diesen Pavillon markiert. An der Westseite des Bürotrakts befand sich ein zweiter Zugang, der portalartig mit Pilastern und Giebeldreieck gerahmt war. Im Bürotrakt befanden sich die Steigerbüros, die mit einer reich durchfensterten, leichten Holzwand mit Schalterfenstern vom angrenzenden Flurbereich getrennt waren. Diese Holztrennwand wurde ausgelagert und befindet sich im Ausstellungsbereich des Ruhrlandmuseums, Essen. Zwischen den Hallen der Hakenkaue und der Malakowanlage erstreckte sich ein schmaler Erschließungstrakt, der durch ein Glasdach belichtet wird und die großzügigen, zu den Hängebänken führenden Treppenanlagen aufnimmt.

Die Kaue wurde mehrfach verunstaltend verändert und ist durch Zwischenwände und partiell durch Geschoßdecken unterteilt. Im östlichen Teil wurden Büros eingefügt, die im oberen Geschoß über Emporen erschlossen werden.


Werkstatt , 1857/1911/1921

Langgestreckte Backsteindoppelhalle mit Rundbogenfenstern, gliedernden Wandvorlagen und Traufgesims mit Klötzchenfries. Die Fenster werden überfangen von halbsteinstarken Backsteinstreifen. Sohlbänke und die Laibungen der rundbogigen Tore aus Naturstein.

Die Werkstätten für Rheinpreußen waren besonders großzügig, weit über das übliche Maß hinausgehend dimensioniert worden. In den Hallen war eine Gießerei mit Kupolofen und Modellschreinerei untergebracht. Daneben gab es eine Schmiede, sowie Dreherei und Schreinerei. Blasebälge, Dreh- und Hobelbänke wurden von einer Dampfmaschine angetrieben. Die Größe und Ausstattung der Werkstatt erklärt sich aus den erwarteten Schwierigkeiten beim Schachtabteufen und dem Wunsch, Maschinen, Geräte, Werkzeuge direkt vor Ort reparieren zu können.

Die Werkstätten wurden 1990/91 für eine Büronutzung umgebaut. Erhalten blieben nur an zwei Außenfassaden. Hinter den Fassaden entstand ein völlig neues Gebäude mit neuer Nord- und Ostfassade.


Fördermaschinenhaus Schacht 2, 1911/1938; Arch.: Vallentin (Abbuch 2006)

Backsteinhalle über Sockelgeschoß mit prismatisch gebrochenem Dach. In den Trauffassaden Segmentbogenfenster, im Südgiebel großes, mit Backsteinpfeilern und Querstöcken unterteiltes Fenster. Im Nordgiebel waren noch die vermauerten Auslässe für die Förderseile erkennbar. Die Halle wurde überspannt von Stahlbindern mit leicht gebogenen Untergurten. In der Halle war eine Elektrofördermaschine mit zwei Elektromotoren und Treibscheibe untergebracht. Die Maschine wurde 1932 zu den Pattbergschächten umgesetzt und dort für die östliche Förderung von Schacht 1 bis 1993 verwendet. 1938 wurde das Fördermaschinenhaus umgebaut zu einem Labor.


Verwaltungsgebäude, 1903/04

Zweigeschossiger Backsteinbau mit einseitig abgewalmtem Satteldach. Leicht aus der Vorderfassade vorspringender dreiachsiger Seitenrisalit mit Fialen und aus der Mittelachse versetzter Uhrenturm. Daneben befindet sich der ursprünglich mit einem baldachinartigen Torbau versehene Haupteingang. Segmentbogige Fenster, die im Obergeschoß leicht spitzbogig ausgebildet sind.

Im Verwaltungsgebäude war im Erdgeschoß die kaufmännische und im Obergeschoß die technische Abteilung untergebracht. Im Dachgeschoß, das schon 1938 mit großen Gauben ausgebaut wurde, saß die Kokereiverwaltung.


Literatur

• L. Achepohl, Das niederrheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet. 1. Aufl. 1888, 2. Aufl. Berlin 1894

• Der Bergbau auf der linken Seite des Niederrheins. Festschrift zum XI. Allgemeinen deutschen Bergmannstage in Aachen, Berlin1910

• Beschreibung der Anlagen der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Rheinpreußen und der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Rheinland. Homberg o.J. (etwa 1931)

• Blees, W: Die Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge im Concessionsfelde Rheinpreussen bei Homberg, in: ZBHS 11, 1863, S. 43-63

• Boldt, Hermann/Vorstand Bergbau AG Niederrhein (Hg.), 125 Jahre Steinkohlenbergbau am linken Niederrhein. Duisburg 1982

• Boldt, Hermann/Rabe, Horst: Das Verbundbergwerk Rheinland, in: Glückauf 117, 1981, Nr. 1, S. 5-13.-

• Cleff, Wilhelm: Zeche Rheinpreußen. Ein deutsches Steinkohlenbergwerk, Berlin 1932.- 8. Führer..., 1880.- 9. Gebhardt, 1957

• Haniel, John: Die Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge beim Schachte No II des Conzessionsfeldes Rheinpreussen bei Homberg, in ZBHS 23, 1875, S. 236-255

• Wilhelm und Gertrude Hermann, Die alten Zechen an der Ruhr, Königstein/Taunus 3. Aufl. 1981, 6. Auflage 2008

• Hochstrate, Die Kohlen-Aufbereitung auf der Steinkohlenzeche Rheinpreußen bei Homberg a. Rhein, in: ZBHS 33, 1882, S. 279-285

• Hundert Jahre Bergbau am linken Niederrhein 1857-1957. Aus der geschichtlichen Entwicklung der Rheinpreussen AG für Bergbau und Chemie, Homberg. Darmstadt o.J. (1957)

• Joachim Huske, Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987

Kgl. Oberbergamt Bonn (Hg.): Beschreibung des Bergreviers Düren, Bonn 1902

• Landkreis Moers (Hg.): 100 Jahre Kreis Moers. Festschrift zur Feier des 100jährigen Bestehens. o.O., 1957

• Müller, Walter: Die Zusammenfassung der Bergbaubetriebe der Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie, in: Glück¬auf 103, 1967, Nr. 25.- 18

• Phillipi, Elektrische Haupt¬schachtfördermaschine auf Schacht II der Zeche Rheinpreußen Homberg a. Rhein, in: Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen 11, 1913 Nr. 21, S. 421-429

• Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie Homberg (Hg.), Unser Werk in Geschichte und Gegenwart. Homberg, o.J. (1951)

• Slotta, Rainer: Zur Denkmalwürdigkeit der Tagesanlagen am Schacht Rheinpreußen 4 (unveröff. Manuskr. DBM BA)

• Spethmann, Hans: Franz Haniel. Sein Leben und seine Werke, Duisburg 1956

22. Steinkohlenbergwerk Rheinpreußen 1857-1907. Zur Erinnerung an das 50jährige Bestehen des Steinkohlenbergwerks Rheinpreußen zu Homberg. Homberg 1907

• Stroemer, Dietrich: Die Schachtanlagen V und IX in der Geschichte des Bergbaus am linken Niederrhein, o.J. o.O. (um 1990)

• Wagner, H.: Vierte Betriebsperiode der Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge bei Schacht I des Conzessionsfeldes Rheinpreußen und Anschluß dieses Schachtes an das feste Gebirge. in: ZBHS 27, 1870, S. 1-17

• Werk und Mensch. Werkszeitung der Bergbaugesellschaften "Rheinpreußen" und "Neumühl", 1. Jg. 1951 bis 19. Jh. 1969