Siedlung Am Zollhaus
Düsseldorf, Am Zollhaus
Peter Henkel
Die Siedlung Am Zollhaus in Düsseldorf-Gerresheim


Solange die Wirtschaft expandierte und Arbeit für alle vorhanden war, wurden viele Probleme wie Hygiene oder völlig überbelegte kleine Wohnungen in den Mietskasernen der Stadt nur am Rande wahrgenommen. Mit den Folgen des verlorenen Ersten Weltkrieges, der Inflation und den Wirtschaftskrisen der zwanziger Jahre traten diese sozialen Fragen in den Vordergrund. Sanitäranlagen gab es in den wenigsten Mietwohnungen, die Toiletten lagen im günstigsten Fall auf dem Gang und Badezimmer befanden sich häufig im Keller, eines für alle Familien im Haus. Für die steigende Zahl von Arbeitslosen wurden selbst diese kargen Lebensumstände nicht mehr bezahlbar. Zusätzlich platzten die vorhandenen Wohnungen aus allen Nähten. 1921 fehlten in Deutschland ca. 1 Millionen Wohnungen. Über 10000 Haushalte und Familien lebten ohne ein eigenes Dach über dem Kopf, Hinterhöfe wurden zu Notwohnungen umfunktioniert und die Städte eröffnete Notunterkünfte. Eine Reaktion war die Selbsthilfe. Indem sich die Arbeitslosen in den so genannten „Wilden Siedlungen“, unter Duldung auf meistens städtischem Grund und Boden niederließen, konnten sie ihre Not zwar nur ansatzweise lindern, sie gaben sich dafür jedoch auch einen Teil ihrer Selbstachtung zurück. Zu den bekanntesten Düsseldorfer „wilden Siedlungen“ gehörte der Torfbruch, die Berthastraße, Thewissen und schließlich das Heinefeld. Hier hatten sich seit 1925 obdachlose Familien in alten Militärbaracken niedergelassen. Bis 1931 dürften im Heinefeld ca. 2000 Personen gelebt haben. Sie hausten in Baracken, Verschlägen, Wohnwagen und sogar Erdhöhlen. Die sanitäre Lage war dramatisch und kaum zu beheben. Die Gefahr von Typhus und Rachitis verschlimmerte zusätzlich die Situation. Alle Versuche seitens der Stadt diese Siedlungen zu kontrollieren, scheiterten. Die Siedlung Heinefeld wurde schließlich durch die Nationalsozialisten gewaltsam geräumt.

Als Antwort auf die soziale Not startete die Stadt mehrere Wohnungsbauprogramme, mit denen gezielt sozial schwache Familien gefördert werden sollten. Zwischen 1926 und 1932 baute die Stadt unter dem Credo „Bauen für das Existenzminimum“ ca. 17000 neue Wohnungen für ca. 60000 Menschen. Als größte Maßnahme sind hier die Wohnbauten entlang des Hellwegs am Flinger Broich zu nennen. Trotz dieser Anstrengungen erreichte die Stadt ihr Ziel nicht. So wurden von den hier geplanten weit über 1000 Wohnungen lediglich 900 realisiert.

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Luftbild der Siedlung am Zollhaus. Quelle: Förderkreis Industriepfad Düsseldorf e.V./ Förderverein Industriepfad Düsseldorf-Gerresheim
Auch in Gerresheim kämpfte man mit der Wohnungsnot. Ab 1928 errichtete die Bürohaus GmBH, die an vielen Düsseldorfer Bauprojekten beteiligt war, am Hang zum Torfbruch hin die „Reichsheimstättensiedlung Am Zollhaus“. Hier entstand eine der bedeutendsten Düsseldorfer Siedlungen der zwanziger Jahre. Ziel war es, Eigenheime zu errichten, die nicht mehr kosteten als eine Mietwohnung. Der zu zahlende monatliche Betrag lag bei 54 Reichsmark (einschließlich Straßenreinigung und Tilgung), wobei sich der Betrag bei voranschreitender Tilgung verringerte. Die Häuser waren sehr schlicht gehalten, verfügten jedoch über ausreichende Sanitäranlagen und einen Garten zur Selbstversorgung. Mit Traktoren mussten die Siedler ihre Gärten urbar machen, indem sie z.B. auf den sandigen Boden Mutterboden auftrugen. Das Projekt war äußerst erfolgreich, zumal die Nachfrage 3 mal höher lag als das Angebot. Der Düsseldorfer Kunsthistoriker Professor Jürgen Wiener sieht in ihr ein zu unrecht in der Öffentlichkeit vergessenes Wohnungsbauprojekt. Wie wichtig generell die Wohnungsprojekte der Weimarer Republik waren, verdeutlicht die Aufnahme mehrerer vergleichbarer Berliner Wohnanlagen in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.