Allgemeiner Konsumverein
Düsseldorf, Ronsdorfer Str. 77a
Walter Buschmann
Allgemeiner Konsumverein Düsseldorf


Geschichte

Die in Deutschland lange Zeit handwerklich-mittelständischem Gedankengut verhaftete Genossenschaftsbewegung wandelte sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einer Selbsthilfeeinrichtung der Arbeiter, wurde nach anfänglicher Ablehnung seit 1910 auch von den Sozialdemokraten getragen und galt vielfach neben Partei und Gewerkschaften als dritte Säule der Arbeiterbewegung.

Seit 1900 überwogen in der Genossenschaftsstatistik die Konsum- vor den Kreditgenossenschaften. Schon frühzeitig, in den 1870er und 1880er Jahren, hatten die Konsumgenossenschaften Produktionsbetriebe, zumeist Bäckereien und Schlachtereien, angegliedert.

Am 11. April 1897 gründeten 30 Arbeiter und Handwerker in Düsseldorf einen Wohnungs- und Konsumverein, der sich ab 1901 "Allgemeiner Konsumverein für Düsseldorf und Umgebung" nannte. Die Genossenschaft war Mitglied im sozialistischen Zentralverband. Mit ca. 3500 Mitgliedern wurde eine Zentrale an der Ronsdorfer Straße 1906 geplant und ab 1909 nach Plänen von Karl Moritz und Werner Stahl ausgeführt. Hinter einer ebenfalls von der Genossenschaft errichteten Wohnhauszeile (Ronsdorfer Straße 73-91) entstanden im Hof drei Gebäude für Bäckerei, Lagerhaus mit Verwaltung und Stallung. Die Bäckerei wurde mit vier Doppelauszugdampfbacköfen betrieben. Weiterhin gab es eine Bierabfüllerei und eine Limonaden- und Selterwasserfabrikation. Die Genossenschaft hatte 24 Verkaufsstellen in Düsseldorf und Umgebung und belieferte vor 1914 14.000 Mitglieder. Ende der 1920er Jahre waren 28.000 Mitgliederfamilien eingeschrieben, so dass fast 25 % der Düsseldorfer Bevölkerung vom Allgemeinen Konsumverein versorgt wurde.


Beschreibung

Abgeschirmt vom öffentlichen Raum durch die Wohnhauszeile Ronsdorfer Straße 73-91 formen die drei Gebäude Bäckerei, Zentrallager mit Verwaltung und Stallung einen mit Kleinpflaster aus Blaubasalt befestigten Hofbereich. Der Zugang von der Straße erfolgt über zwei Durchfahrten im Haus Ronsdorfer Straße 77. Der Entwurf der Gesamtanlage stammt von den Architekten Karl Moritz und Werner Stahl.

Das 1909 entstandene Gebäude der Bäckerei war zunächst dreigeschossig, hatte vier Normalachsen und einen erkerartigen über alle drei Geschosse reichenden Vorbau mit zwei Fensterachsen, hinter der sich noch heute eines der Treppenhäuser befindet. Später, wohl in den 1920er Jahren, wurde der Gebäudekörper in beide Richtungen erweitert und ein viertes Geschoß aufgestockt.

Bäckerei. Foto 2018
Bäckerei, Treppenhauserker. Foto 2018
Die Fassaden sind durchweg gekennzeichnet durch breite Rundbogenfenster zwischen Wandvorlagen. Die schlanken Rundbogenfenster im vierten Geschoß sind in Zweiergruppen zusammengefasst; das vierte Geschoß ist durch ein kräftig vorkragendes Putzgesims von den unteren Geschossen getrennt. Laibungen und Sohlbänke der Fenster bestehen aus gräulichen Hochofenschlackesteinen, die sich vom roten Ziegel der Wände absetzen. Das Treppenhaus, etwa in der Mitte des Gebäudekörpers, hebt sich durch abweichende Formate und Lage der Rundbogenfenster ab, ist jedoch in die Flucht des südlichen Erweiterungsbaukörpers integriert. An den Ecken sind dem Gebäude in der Vorderfassade zwei halbrunde Treppentürme vorgelagert. Das innere Tragwerk besteht aus einem Stahlbetonskelett. Außer der Fliesenverkleidung im Erdgeschoß des südlichen Erweiterungsbaus und den Treppen sind erhaltenswerte Innenbauteile nicht vorhanden.

Zur erhaltenswerten Substanz gehört hinter dem Gebäude der Schornstein mit rundem Querschnitt. Dem südlichen Erweiterungsbau ist im Erdgeschoß rückwärtig eine Halle mit tonnenförmigem Dach angegliedert und vor der Vorderfassade liegt eine Halle, die zwar später zugefügt wurde, aber in Funktion (Verladung) und mit ihrer inneren Verfliesung eng mit dem Hauptbau verbunden ist. Der südlich dem Hauptbau vorgelagerte Querriegel und der nördliche Vorbau gehören nicht zur denkmalwerten Substanz.

Lagerhaus und Verwaltung. Foto 2016
Lagerhaus und Verwaltung - Rückseite. Foto 2016
Rechtwinklig zur Bäckerei ist das Lagerhaus mit Verwaltung angeordnet. Es ist ein viergeschossiger Stahlbetonskelettbau mit Backsteinfassaden. Auch hier gibt es wenigstens zwei Bauphasen mit dem siebenachsigen Ursprungsbau von 1909 und einer vierachsigen Erweiterung aus den 1920er Jahren. Auch das Obergeschoß wurde später aufgesetzt. Die Fassadengliederung der Obergeschosse ist analog zur Bäckerei ausgeführt. Im Erdgeschoß des Ursprungsbaus sind überwiegend noch die Holzsprossenfenster mit Doppeltüren in großen Rechtecköffnungen erhalten. Neben dem zu einem Steintreppenhaus führenden Haupteingang befindet sich ein Erker auf polygonalem Grundriß. Die zurückspringende Erdgeschoßzone des Erweiterungsbaus ist abweichend ausgeführt mit massiven Holzschiebetüren auf einer Rampe. Der turmartig ausgebildete Ostgiebel (Lastenaufzug) erinnert mit dem großen Rundfenster, den schlanken, rundbogigen Blendnischen und den in Fischgrätmuster gesetzten Ziegeln schon an die Architektur des Rheinischen Expressionismus.

Außer dem Steintreppenhaus sind im Inneren keine erhaltenswerte Bauteile überliefert.

Verladehalle. Foto 2018
Zwischen Bäckerei und Lagerhaus erstreckt sich die aus der Gründungszeit stammende Verladehalle. Es handelt sich um genietete Dachbinder mit Ständer- und Strebenfachwerk, die zwischen den beiden Baukörpern eingespannt sind.

Als Solitär, mit etwa kubischem Körper (3:3 Achsen), steht im Hof die ehemalige Stallung. Sie gleicht im Fassadenaufbau den anderen beiden Gebäuden. Später wurde die Stallung als Schmiede und Schreinerei verwendet.

Die Gebäude werden heute durch Kleinbetriebe vielfach aus der Kreativwirtschaft genutzt.


Bedeutung

Die Anlage des Allgemeinen Konsumvereins für Düsseldorf ist ein Zeugnis für die Genossenschaftsbewegung in Deutschland. Sie zeigt die Produktions- und Lagerstätte einer örtlichen Genossenschaft und ist als historisches Dokument eine wertvolle Ergänzung zu den zentralen genossenschaftlichen Produktionseinrichtungen (vgl. GEG- Seifenfabrik, Hamburger Straße 5 in Düsseldorf). Da die Genossenschaften Teil der Arbeiterbewegung waren, gehören deren Bauten zu den wenigen Relikten, die diese bereits historische Phase der Menschheitsgeschichte hinterlassen hat.

Die enorme Bedeutung, die der Produktionsstandort an der Ronsdorfer Straße für die Versorgung der Düsseldorfer Bevölkerung mit Lebensmitteln hatte, ist von stadtgeschichtlichem Belang.

In architekturhistorischer Hinsicht sind die Bauten deshalb von hochrangiger Bedeutung, weil an deren Entwurf der Architekt Karl Moritz beteiligt war. Moritz war einer der führenden deutschen Architekten auf dem Gebiet der Theater- und Kirchenbauten und hatte auch zahlreiche Geschäftshäuser, Banken und Villen, darunter sein eigenes Wohnhaus in Köln-Marienburg entworfen. In Düsseldorf stammt von Moritz die ehemalige Darmstädter und Nationalbank (heute Dresdener Bank), die 1924 an der Königsallee entstand. Die Position von Karl Moritz ist in der Architektur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts so bedeutend, dass die Zeugnisse seines Lebenswerkes vollständig bewahrt werden sollten.


Literatur

• Peter Hüttenberger, Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert (Hg. Hugo Weidenhaupt), Bd. III: Die Industrie- und Verwaltungsstadt, Düsseldorf 1989

• E. Hasselmann, Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, Frankfurt a.M. 1971

• Klaus Novy/Arno Mersmann/Bodo Hombach (Hg.), Reformführer NRW. Soziale Bewegungen, Sozialreform und ihre Bauten, Köln/Wien 1991

• Klaus Novy/Günter Uhlig/Frank Karhaus/ Arno Mersbach, Anders Leben. Genossenschaftliche Selbsthilfe als politische Kultur, o.O., o.J. (um 1983)