Kentener Mühle
Bergheim, Brückenstr. 13
Walter Buschmann
Kentener Mühle


Die Kentener Mühle wurde urkundlich erstmals 1358 genannt. Das aus dem 12. Jahrhundert stammende Dorf Kenten lag zwar im Hoheitsgebiet der Kölner Erzbischöfe gehörte jedoch mit der Mühle zum Territorium der Jülicher Grafen und Herzöge. Schon im 17. Jahrhundert erwirtschaftete die Mühle überdurchschnittlich hohe Erträge. 1711 erwarb Freiherr Frentz zu Frentz die Anlage mit den zugehörigen Wiesen. Ein gutes halbes Jahrhundert später kaufte 1766 Gottfried Kolping die Mühle. Er gehörte zu jeder Familie Kolping aus Kerpen, aus der später der „Gesellenvater“ Adolf Kolping hervorging. Für das Jahr 1837 ist die technische Ausstattung der Kerpener Mühle überliefert: 2 Mahlgänge, 1 Graupengang, 2 Ölpressen und 2 unterschlächtige Wasserräder. Wenn das Rad der Ölmühle nicht gebraucht wurde, wurde dort der in der Landwirtschaft als Dünger verwendete Gips gemahlen. Auch ein Lageplan von 1855 (Archiv Erfverband) zeigt die beiden Wasserräder für die Mahl- und Ölmühle. Das Mühlengebäude war eingebunden in eine Hofanlage mit annähernd fünfeckigem Grundriß und der Hof nahezu vollständig mit Gebäuden eingefasst. Spätestens 1910 gehörte Heinrich Oebel die Mühle. Es ist inzwischen eine Walzenmühle für Mehl, Getreide und Kraftfutter. Seit 1921 ist die Familie Greve Eigentümerin der Kentener Mühle. Die Ölmühle wurde 1928 durch Brand zerstört und 1933 kam es zu einem Neubau der Erftschleuse durch die Witwe Peter Greve. Die Mühle wurde 1962 stillgelegt, Wasserrad und Wehr 1997 unter finanzieller Beteiligung der Denkmalpflege erneuert bzw. wiederhergestellt.

An dem auch heute noch fünfeckigen Hofraum sind Wohnhaus und Mühlengebäude an der westlichen Hofecke spitzwinklig direkt einander zugeordnet. Neben dem Wohnhaus befindet sich die Hofzufahrt mit kugelbesetzten Mauerpfeilern. Die Kleine Erft fließt westlich am Mühlengebäude vorbei. Der etwa drei Meter breite Flusslauf ist vor dem Radhaus mit dem Wasserrad mit Natursteinmauern eingefasst. Zwei Wehranlagen regeln den Wasserzufluss zum Wasserrad. Solange die Wasserzufuhr zum Wasserrad gesperrt ist, ergießt sich das Wasser der Kleinen Erft vollständig in einen dem Mühlengebäude südlich vorgelagerten Mühlenkolk.

Dominant ist im Mühlenhof vorgelagert das zweigeschossige Wohnhaus mit hohem Satteldach angeordnet. Dem Haus ist zur der vorbeiführenden Brückenstraße ein Garten vorgelagert. Die fünfachsige Hauptfassade mit Mitteleingang ist zur Hofseite orientiert. Der Putzbau ist inschriftlich (Ankersplinte) 1781 datiert. Auf die barocke Bauzeit verweisen noch Tür- und Obertürgewände und das Türblatt hin.

Das Mühlengebäude ist ein zweigeschossiger Backsteinbau mit Satteldach mit Radhaus für das Wasserrad am Fluss.

Zur Hofseite ist die Fassade symmetrisch nach Art eines Fünffensterhauses aufgebaut mit kleinem Dreiecksgiebel über der Mittelachse. Allerdings fehlt auf der rechten Seite die in einem Bauplan von 1946 noch eingezeichnete fünfte Achse (Bauakte Stadt Bergheim). Unter dem Giebel befinden sich im Obergeschoß eine Ladetür und leicht außermittig darunter die doppelflüglige Hauseingangstür mit rautenverzierten Türblättern. Die Tür wird im Erdgeschoß rechts und links flankiert von Lünettfenstern mit strahlenförmigem Sprossenwerk. Alle anderen Fensteröffnungen sind stichbogig mit zweiflügleligen Holzsprossenfenstern.

Die Fassade der Flussseite ist unregelmäßig mit überwiegend stichbogigen Fenstern versehen. Das Radhaus mit flachem Satteldach hat zum Fluss einen mit Ziegeln ausgefachten Fachwerkgiebel. Das unterschlächtige Wasserrad hat einen Durchmesser von etwa 4,0 Meter und ist aus Stahlblech mit Schraubverbindungen gefertigt. Dem Wasserrad vorgelagert ist eine Schützanlage. Die Schütztafel kann über Zahnräder und Stangen vom Obergeschoß aus betätigt werden.

Rechtwinklig zum Wasserrad ist das 1933 erneuerte und 1997 sanierte Erftwehr angeordnet. Das Wehr besteht aus zwei Schütztafeln mit mittig angeordneten Zahnstangen. Die Betätigung der Tafeln erfolgt im Handbetrieb mit aufsetzbaren Handkurbeln. Wehr und Radhaus sind über Stege mit dem Mühlengebäude verbunden.

Die Innenkonstruktion der Mühle besteht aus teilweise mit Doppel-T-Trägern aus Stahl verstärkten Holzbalkendecken. Die Geschosse sind durch gewendelte Holztreppen verbunden. Im Erdgeschoß befindet sich zentral hinter dem Hauseingang der Mühlenraum. Auf der rechten Hausseite befand sich hinter der letzten Fensterachse (heute WC-Anbau) ein Silo. Der Mahlraum im Obergeschoß ist durch Wände nicht unterteilt. Das Dach wird getragen von einem liegenden Dachstuhl, teilweise mit naturgebogenen Stuhlsäulen. Der rechte Teil des Daches wurde 1946 erneuert. In der linken Dachhälfte befindet sich eine durch Holzwände abgetrennte (Knechte?)Kammer.

Zentral hinter der Hauseingangstür ist im Mühlenraum ein mächtiges, gusseisernes Getriebe (stehendes Zeug) angeordnet. Die Holzbalkendecke zum Obergeschoß wird in diesem Bereich durch drei runde Gusseisenstützen mit Achtkantsockeln getragen. Die gusseisernen Räder des Winkelgetriebes sind einseitig mit Holzzähnen belegt. Von dem großen Stirnrad auf der Vertikalachse konnten drei Mahlgänge betrieben werden. Zusätzlich wurde durch ein seitliches Kegelgetriebe ein Transmissionsrad angetrieben, mit dessen durch das Obergeschoß reichenden Transmissionsriemen (nicht erhalten) eine zentrale Antriebsachse unter dem Dachfirst betrieben wurde.

An das Hauptgetriebe wurde mittels horizontaler Achse im Nachbarraum ein weiteres Kegelgetriebe aus Gusseisen angetrieben. Eine Vertikalachse aus Stahl führt durch die Decke ins erste Obergeschoß. Von der Mahleinrichtung sind nur noch die Auflagermarkierungen erhalten. Daneben befindet sich ein Schwenkkran zur Auswechslung von Maschinenteilen und Mahlsteinen. Neben dieser ehemaligen Mahleinrichtung ist ein Elevator angeordnet.

Über dem Hauptgetriebe befinden sich im Obergeschoß die Reste der drei Mahlgänge. Erhalten sind die drei Bodensteine und ein Schwenkkran zur Auswechslung der Mahlsteine. Mahlwerksverkleidung und Aufschüttungsvorrichtung fehlen.

Im Dachgeschoß und teilweise im Obergeschoß sind verschiedene Reinigungs- und Bearbeitungsmaschinen aufgestellt. Der Antrieb dieser Maschinen erfolgte zentral von einer unter dem First montierten Transmissionswelle. Von dieser Welle aus wurde auch ein Sackaufzug betätigt. Durch das Gebäude ziehen sich vom Erdgeschoß bis unter das Dach insgesamt vier Elevatorenstränge zum Transport des Mahlguts.

Der nördliche Elevator versorgt eine Getreidereinigung, wie sie zur Gerstenreinigung verwendet wurde. Das Korn gelangte über den Elevator vom Erdgeschoß (Siloraum, nicht zugänglich) auf den Dachboden. Vom Kopf des Elevators gelangte das Getreide über Schneckengänge bis zur Vorreinigungsanlage. Mittels Sauggebläse wurden lose Bestandteile entfernt und in eine durch die Geschoßdecke hindurchreichende Gruppe von Leinwandschläuchen mit Absackvorrichtung geleitet. Das Getreide gelangte über offene Rinnen in eine im Obergeschoß aufgestellte Reinigungsmaschine der Firma Fürmeyer & Witte - Maschinenfabrik und Mühlenbauanstalt/Kassel.

Die beiden mittleren Elevatoren sind im Dachgeschoß untereinander verbunden durch Schneckengänge. Mehrere Staubkammern sind in diesem mittleren Teil des Dachbodens erhalten. Sowohl von den mittleren Elevatoren, wie auch von dem darauf folgenden Elevator werden über Schneckengänge eine Reinigungs- oder Schälmaschinen (lt. Kettenbach: Zentrifugal-Sichtmaschine) versorgt. Von einem der Elevatoren führt eine geschlossene Rinne in einen zylinderförmigen Holzbehälter im Obergeschoß.

Der vierte Elevator in der südlichen Gebäudehälfte bediente im Dachgeschoß ausschließlich eine kleine Reinigungsmaschine.

Mahlgänge und Reinigungsmaschinen sollen zuletzt für Roggen (zwei Gänge), Weizen und Futtermittel verwendet worden sein.

Die Kentener Mühle ist eine der großen Mühlen an der mittleren Erft. Darauf verweist die Existenz des nur für Mahlzwecke genutzten eigenständigen Mühlengebäudes. Von besonderer Bedeutung ist die nahezu komplett erhaltene Mühlentechnik, von den wasserführenden Anlagen bis zu den Reinigungs- und Bearbeitungsmaschinen.



Literatur

• Thüner, Josef (Hg.): Erftheimat – Kenten, Bergheim 1990
• Kretzschmar, Frank: Alte Mühlen, Bauten und Ortsbilder im Erftkreis, Köln 1996
• Kretzschmar, Frank: Mühlen, Bauten und versteckte Winkel im Rhein-Erft-Kreis, Köln 2004
• Richter, Doris: Kentner Mühle. Rad drehte sich einmal pro Woche, in KStA 16./17. 12. 2000
• Sommer, Susanne, Mühlen am Niederrhein, Köln 1991
• Vogt, Niederrheinischer Wassermühlenführer, Krefeld 1998