Tuchfabrik Pastor | Neuwerk
Aachen, Augustastraße
Walter Buschmann
Tuchfabrik Pastor in Aachen


Geschichte/Baugeschichte

Die Ursprünge der Anlage gehen zurück bis ins 13. Jh., als die zum Haus Holsit gehörende Mühle Hoseich urkundlich erwähnt wird. 1581 wird diese Mühle erstmals als Papiermühle bezeichnet. Am gleichen Standort gab es später zwei Mühlen, die obere und die untere Papiermühle.

Die obere Papiermühle wurde 1760 an Gotthard Pastor als "Papieren Walckmühl" verkauft, war 1816 im Besitz seiner Enkel Heinrich und Friedrich Pastor und diente als Spinnmühle. Später hieß das Unternehmen Pastor und Bölling. Von dieser Anlage sind Bauten nicht überliefert.

Die untere Papiermühle war 1737 Mahlmühle und wurde von der Aachener Bäckerzunft betrieben. Anschließend, noch im 18. Jh. war Wolter von Heyningen Eigentümer, der die Mühle um 1800 an den Tuchkaufmann Caspar Braaf (1776-1846) verkauft. Braaf gehörte zu den bedeutensten Tuchfabrikanten seiner Zeit. 1816 ist seine Spinnmühle verzeichnet - es handelte sich vermutlich um die untere Papiermühle. Nach geschäftlichen Mißerfolgen ging Braas 1829 in Konkurs. Die untere Papiermühle ging 1828 in das Eigentum der Schwestern Maria Josephine und Maria Anna Braaf. Sie verpachteten die Mühle an die Tuchfabrikanten Schwamborn und Bischof, die 1829 das Wasserrad vergrößern ließen. 1856 erwarb Gottfried Pastor die Anlage und baute sie großzügig aus.

1856 entstand zunächst die nicht mehr erhaltene "Alte Fabrik" anstelle des Mühlengebäudes. Es war ein dreigeschossiges Gebäude mit vier Achsen und Rechteckfenstern mit Blaustein?umrahmung. Die Hozbalkendecken wurden durch eine Mittelreihe Gußeisenstützen getragen. 1858 wurde eine 14 PS Dampfmaschine konzessioniert, die den bisherigen Wasserantrieb ersetzen sollte.

Das Geschäft der Tuchfabrik von Gottfried Pastor schien gut zu laufen, denn 1863 wurde die "Alte Fabrik" um ein Stockwerk aufgestockt und es wurde rechtwinklig ein Erweiterungsbau angefügt. In den Winkel wurde der heute noch bestehende Treppenturm eingefügt.
Aufzug im Treppenturm am Hauptbau,
Foto 1999
Nur wenig später wurde dieser Erweiterungsbau erneut erweitert, eine 40 PS Dampfmaschine wurde installiert und ein Zweiflammrohrkessel aufgestellt. Der bestehende Schornstein - wohl von 1856 wurde weiter genutzt.

Der Hauptbau war umgeben von zwei Werkshöfen: der östliche Werkshof wurde begrenzt durch die Färberei (nicht erhalten), Werkstor und ein 1867 entstandenes Wohnhaus (später Pförtner); der westlich Werkshof wurde eingefaßt durch Kesselhaus mit Schornstein, Wäscherei, Pferdestall, Schreinerei und im Norden durch einen Schuppen. Die Wäscherei wurde später Bürogebäude und war zuletzt Schlosserei.

1867 entstand als separate Anlage im Osten eine Tuchfabrik, die später als Fa. Friedrich van Zütphen verzeichnet war. Auch diese Fabrik gehörte zum Standort untere Papiermühle. Von dieser Fabrik sind keine Reste erhalten.

1908 wurde die Pastor'sche Fabrik durch die Erben an Katz und Langstadt verkauft. Gegen die Proteste der Anwohner bauten Katz & Langstadt 1912 eine große Schedhalle, die als mechanische Weberei genutzt wurde. Die Spinnerei war damit zur Volltuchfabrik geworden. Von der Shedhalle ist nur die südliche Außenmauer erhalten - sie begrenzt das heutige Fabrikareal.

In den 1920er Jahren hieß das Unternehmen Tuchfabrik Neuwerk GmbH, dessen Eigentümer Ernst Israel Jacobsohn den Betrieb im Zuge der Arisierung 1938 an seinen Schwiegersohn übergeben mußte. Nach Kriegsschäden wurde das Hauptgebäude dreigeschossig wieder aufgebaut. Die Innenkonstruktion wurde in Stahlbeton erstellt, die Fenster sämtlich als kleinteilige Stahlsprossenfenster erneuert. In den 1960er Jahren wurde die Tuchproduktion eingestellt und die Anlage durch P. Josef Zimmermann erworben. Es wurde Herrenwäsche und Kindermoden, seit 1974 auch die Damenkollektion JOSEPh JANARD hergestellt. 1983 wurde der Komplex in die Denkmalliste eingetragen und 1983/84 unter Betreuung durch die Denkmalpflege saniert.

Der überlieferte Baubestand gehört zu der von Gottfried Pastor am Standort der unteren Papiermühle seit 1856 völlig neu erstellten Spinnerei und zeigt im wesentlichen die Erweiterungsphase 1863-67, wobei der Schornstein wohl noch der Gründungszeit 1856 zuzurechnen ist.

Von dem ursprünglich winkelförmigem Hauptbaukörper ist der 1856 direkt entstandene Flügel nicht erhalten. Die senkrecht dazu anglegte "Haupt-Fabrik" ist ein dreigeschossiger Backsteinbau. Der ehemals viergeschossige Baukörper hat 13 Fensterachsen und endet in Eckfialen, die ursprünglich über die Traufe als Ecktürmchen hinwegreichten. Dieser Haupt-Fabrik war ein zweigeschossiger Trakt mit 4 : 4 Achsen vorgelagert, der nach dem Krieg mit großen Rechteckfenstern versehen auf die (reduzierte) Höhe der Haupt-Fabrik aufgestockt wurde. Die Fenster sind rundbogig mit Sohlbänken aus Blaustein. Die keinteiligen Sprossenfenster aus Gußeisen wurden im Zuge der letzten Sanierung 1983/84 eingebaut. In der Fassade sind die Telleranker zur Verankerung der Holzbalkendeke erhalten.

Dominiert wird die Hauptfabrik durch den an Ostseite vorgelagerten Treppenturm. Der Turm wird ebenfalls durch Rundbogenfenster belichtet (mit originalen Gußeisenfenstern) und bekrönt durch eine zinnenartige Attika mit Eckfialen. Im Turm befindet sich eine Treppe, die um ein großzügig bemessenes Treppenauge herumführt. Die Treppe ist teilweise in der Originalkonstruktion erhalten mit Podesten, die auf Korbbögen aus Ziegelstein aufliegen und zwischen die Podeste gespannte Treppenläufe mit Stufen aus Naturstein. Im Treppenauge befindet sich ein historischer Lastenaufzug aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

Fabriketage im Hauptbau, Foto 1999
Die Innenkonstruktion der Haupt-Fabrik wurde nach Kriegsschäden als Betonskelett mit Betondecken erneuert. Die Fabriksäle sind in den beiden Untergeschossen erhalten. Im 2. OG ist sensibel ein Raumzellensystem eingefügt worden, um Büros voneinander abzutrennen.


Zum denkmalwerten Bestand gehört im zweiten Fabrikhof das Kesselhaus mit Schornstein mit quadratischem Querschnitt. An das Kesselhaus schließt sich die sog. Schlosserei an, die um 1865 als Wäscherei entstand.

Der vordere Fabrikhof wird am Werkstor begrenzt durch einen zweigeschossigen Backsteinbau mit einseitigem Krüppelwalmdach und Rundbogenfestern. Dieser Bau entstand 1867 als Wohnhaus. Das vorgelagerte eingeschossige Pförtnerhaus wurde 1920 gebaut. Hofpflasterung und Gestaltung der Außenanlagen gehen auf die Sanierung von 1983/84 zurück. Die Mauer gegenüber dem Wohnhaus ist die Außenwand der 1912 als Shedhalle entstandenen Weberei.


Literatur

• Coels von der Brüggehen, Luise von: Die Bäche und Mühlen im Aachener Reich und im Gebiet der Reichsabtei Burtscheid, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 70, 1958, S. 5-122
• Fehl, Gerhard/Kaspari, Dieter/Krapols, Marlene: Umbau statt Abriß, Aachen 1995
• Jocham, Wilfried: Sanierung einer Textilfabrik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Denkmalpflege im Rheinland 2, 1985, S. 36.37
• Meyer, Lutz Henning: Bericht über die Denkmalpflege in Aachen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 97, 1990, S. 437-473
• Macco, H. F.: Geschichte und Geneaologie der Familie Pastor (=Beiträge zur Geneaologie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien IV. Band), Aachen 1905
• Huyskens, Albert: Deutschlands Städtebau. Aachen (Dari Verlag 2. Auflage), Berlin 1925
• Osteneck, Volker/Königs, Hans: Landeskonservator Rheinland. Denkmälerverzeichnis. 1.1 Aachen Innenstadt, Köln 197