Kraftwerk Borngasse
Aachen-Münchener-Platz 2-3
Texte und Dokumente
Walter Buschmann:Kraftwerk und Umspannwerk Borngasse in Aachen
Literatur




Walter Buschmann
Kraftwerk und Umspannwerk Borngasse in Aachen


Entstehung des städtischen Kraftwerks Borngasse

Nachdem Thomas Alva Edison 1879 die Glühfadenlampe erfunden, ein dazu passendes Beleuchtungssystem mit Kraftwerk, Kabeln und sämtlichem Zubehör von der Steckdose über Sicherungen bis zu den Stromzählern entwickelt und dem staunenden europäischem Publikum 1881 auf der Elektrischen Ausstellung Paris präsentiert hatte gab es in allen größeren deutschen Städten Projekte für den Bau von "Central-Anlagen" oder eigentlich noch genauer für die sogenannten "Lichtzentralen". Zweck dieser Anlagen war die Erzeugung von Strom zum Betrieb von Glühbirnen in öffentlichen und privaten Gebäuden. 1885/86 waren die ersten Central-Anlagen in Berlin entstanden 1887 folgten die ersten öffentlichen Kraftwerke Westdeutschlands in Barmen und Elberfeld.

In diese Aufbruchsstimmung in ein neues Zeitalter fallen die ersten Überlegungen für ein Kraftwerk in Aachen. Schon am 7. Juli 1887 brannten die ersten Bogenlampen am Rathaus, Dom, Salvatorkirche, St. Peter und Technische Hochschule. Bogenlampen gab es bereits seit 1844. Für jede dieser Lampen war jedoch ein Generator notwendig und die sich durch den Lichtbogen verbrauchenden Kohleelektroden mussten per Hand nachgeführt werden. Bogenlampen wurden daher nur selten an besonderen Orten, z.B. 1880 zur Fertigstellung des Kölner Doms oder 1884 zum Kaisermanöver in Brühl eingesetzt.

Lage des Kraftwerks südöstlich der Aachener Altstadt
Die Zukunft gehörte aber der Glühfadenlampe. Ein "Komitee für Beleuchtungsangelegenheiten" mit dem verdienstvollen Aachener Physikprofessor Adolph Wüllner erarbeitete ein technisches Konzept und 1889 fiel der Beschluss zum Bau des Kraftwerks Borngasse. Nach Einholung mehrerer Angebote unter anderem von den Firmen AEG, Siemens & Halske, Schuckert & Co, der Kölner Helios AG und der einheimischen Elektrofirma Deutsche Elektrizitätswerke vorm. Garbe, Lahmeyer & Co entschied man sich für das Angebot von Schuckert & Co. Das Nürnberger Unternehmen baute das Kraftwerk 1892/93 und betrieb die Anlage auf Pachtbasis bis zur Übernahme durch die Stadt Aachen 1901.

Das Kraftwerk in der Borngasse war ein Gleichstromkraftwerk. Da sich Gleichstrom mit den Mitteln der damaligen Zeit nicht über größere Entfernungen übertragen ließ, musste auch das Aachener Kraftwerk - wie schon die Gleichstromkraftwerke in Berlin, Barmen und Elberfeld - verbrauchernah angeordnet werden. Der für Anlieferung der Brennstoffe und Emissionen eigentlich ungünstige Standort des Aachener Kraftwerks in einem Blockinnenraun auf dichtbebautem Terrain war typisch für diese Kraftwerksgeneration.

Städtisches Kraftwerk Borngasse. Kesselhaus

Maschinenhalle

Bühne für die Schalttafeln
Ausgestattet war das Kraftwerk anfangs mit zwei stehenden 350 PS Dampfmaschinen, die direkt mit den Gleichstromdynamos gekoppelt waren. Drei Flammrohrkessel von der Fa. Jaques Piedboef wurden aufgestellt. Die Wasserversorgung erfolgte aus dem über das Grundstück führenden Paubach. Ein 45 Meter hoher Schornstein sorgte offenbar mehr schlecht als recht für die Rauchabfuhr, denn schon 1893 gab es gegen den Lärm und Dampf Beschwerden durch die Anlieger. Kessel und Maschinen waren in zwei parallel angeordneten Backsteinhallen aufgestellt. In einem wiederum parallel dazu angefügten Geschoßbau waren Akkumulatoren untergebracht: denn die Speicherfähigkeit von Gleichstrom galt als Vorteil gegenüber dem um 1890 aufkommenden Wechsel- und Drehstrom.

Wie in anderen deutschen Städten stieg auch in Aachen der Strombedarf sprunghaft mit der Elektrifizierung der bis dahin von Pferden gezogenen Straßenbahnen. Das Aachener Pferdebahnnetz wurde bis Ende 1895 elektrifiziert.

Im Kraftwerk Borngasse war zunächst genug Platz zur Aufstellung von zwei zusätzlichen Dampfmaschinen und zwei weiteren Kesseln. Nachdem 1899/1900 eine fünfte Dampfmaschine mit Kessel zugefügt worden war; waren Kessel- und Maschinenhaus voll belegt. Für die schon kurz darauf fällig werdenden Erweiterungen musste die Doppelhalle 1907 verlängert werden. Als Kessel wurden nun Schrägrohrkessel noch dem Patent von A. Büttner/Uerdingen eingebaut und im Maschinenhaus zwei Dampfdynamos aufgestellt.

Kraftwerk Göbbelgasse
Maschinenhalle Bornstraße mit Umformern
Die Ansprüche an die Stromversorgung entwickelten sich nach der Jahrhundertwende in immer neue Dimensionen. Zu den Straßenbahnen als Großabnehmer kam die Industrie mit einem immer umfangreicher werdenden Einsatz von Elektromotoren dazu. Diese Motoren erforderten Drehstrom, den die Lichtzentrale in der Borngasse nicht liefern konnte. Seit 1903 wurde Aachen mit Drehstrom vom Wasserkraftwerk Heimbach versorgt. 1908/09 entstand als Drehstromkraftwerk die Anlage in der Göbbelgasse. Ab 1922 erhielt Aachen Strom aus der Braunkohle, der im Kraftwerk Zukunft bei Weisweiler seit 1914 erzeugt wurde. Damit wurde das Kraftwerk Borngasse stillgelegt, Kessel, Maschinen und Akkumulatoren verschrottet, der Schornstein abgebrochen und die beiden Hallen in ein Umformwerk umgewandelt. Der in den Kraftwerken Göbbelgasse, Heimbach und Zukunft erzeugte Drehstrom wurde für den privaten Verbrauch im Stadtgebiet im Werk Borngasse und seit 1925 auch im Umform Minoritenstraße in Gleichstrom umgespannt. Erst nach dem Krieg erfolgte die Umstellung von Gleich- auf Drehstrom. 1956 wurde der letzte Gleichstrom-Umformer um Werk Borngasse stillgelegt. Das Werk dient seither als Netzwerk zur Überwachung der anderen Umspannwerke und des gesamten Energienetzes.


Beschreibung

Kraft- und Umspannwerk Borngasse. Foto 1998
Nach Sanierung und Umbau für das städtische Orchester Aachen. Foto 2014
Giebel der Maschinenhalle
Das 1892/93 erbaute und 1901 erweiterte Kraftwerk Borngasse präsentiert sich heute als Bauwerk nahezu komplett mit einer Kombination von zwei Backsteinhallen mit einem zweigeschossigen Backsteinbau. Die drei parallel angeordneten Gebäudekörper sind mit Satteldächern gedeckt. Die Doppelhalle für Kessel und Maschinen springt um das Maß der Erweiterung von 1901 aus der ehemaligen Fluchtlinie vor, die noch von dem Giebel des Akkumulatorenhauses überliefert wird. Die Backsteinarchitektur der drei Ostgiebel ist weitgehend gleich: in den dreiachsigen Fassaden wird die Mittelachse durch einen schwach vorspringenden Risalit betont (beim Akkmulatorenhaus nur im Giebeldreieck). Die durchgängig segmentbogigen Öffnungen werden in den Giebeldreiecken ergänzt durch rundbogige Zwillingsfenster. Ein kräftiger Fries mit Stummelpilastern trennt die Giebeldreiecke von den unteren Fassadenpartien. Auch die Ortgänge werden durch Friese betont. Das rote Ziegelmauerwerk wird durchzogen von Streifen aus gelben Ziegeln, die den Gebäudekörpern eine horizontale Grundstruktur geben. Das Wechselspiel von roten und gelben Ziegeln wiederholt sich in den Fenster- und Türlaibungen. Die südliche Trauffassade des Akkumulatorenhauses ist über dem Erdgeschoß mit Teerpappe verschalt; die Westgiebel sind weitgehend verdeckt durch den quer sich verlagernden Trakt von 1961 für Umspann- und Netzüberwachungsanlagen und die Nordseite ist eingebunden in die Bebauung des Nachbargrundstücks.

Schaltschränke 1998
Im Inneren sind noch die genieteten Stahlbinder mit in den Ecken gerundeten Untergurten erhalten. Das Strebenwerk der Binder ist nach Art der Polonceau-Tragwerke ausgebildet. Im ehemaligen Maschinenhaus befindet sich ein Doppelbrückenkran in Vollwandbauweise und an der Südwand Reste der Schalttafeln.

Innenraum nach Umgestaltung zum Proberaum
Das Kraftwerk Borngasse wurde 2009 umgebaut für einen Probesaal des städtischen Orchesters Aachen.


Bedeutung

Die Entstehung der Kraftwerke markiert einen wesentlichen Abschnitt in der Menschheitsgeschichte, der häufig auch als zweite industrielle Revolution gekennzeichnet wird. Sowohl in technischer, wie auch in architektonischer Hinsicht waren die Anfangsschritte in das neuen Zeitalter jedoch Überwiegend tastend und verhalten. In dieser empirisch ausgerichteten Phase der Kraftwerksgeschichte ging die Initiative von den städtischen "Central-Stationen" aus, die später (seit etwa 1908) in ihrer Bedeutung durch die Überlandzentralen in den Kohlerevieren abgelöst wurden. Aus dem ersten Entwicklungsabschnitt der Stromerzeugung (1885-1908) sind nur wenig bauliche Zeugnisse überliefert. Neben dem Kraftwerk der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke in Köln fällt es in Westdeutschland besonders dem Kraftwerk Borngasse in Aachen zu, die Frühzeit der Stromversorgung zu dokumentieren. Typisch für ein solches Gleichstromkraftwerk ist die Parallellage von Kessel- und Maschinenhaus, da in diesem Stadium der Entwicklung Dampferzeugung und Dampfverbrauch in den Dampfmaschinen noch in einem ausgewogenen Verhältnis stand. Mit Einsatz der Dampfturbinen steigerte sich der Dampfbedarf derart, dass die Kesselhäuser mit mehreren Kesseln pro Maschine rechtwinklig an das Maschinenhaus angefügt werden mussten.

Typisch ist auch die Kombination von Hallen- und Geschoßbau, wobei der Geschoßbau bei diesen Gleichstromkraftwerken oft die energiespeichernden Akkumulatoren aufnahm.

Dagegen war die bauliche Ausprägung für Schaltanlagen noch unterentwickelt, da sich diese Einrichtungen - wie im Kraftwerkt Borngasse - auf Emporen im Maschinenhaus befanden.

In der aufwendigen Fassadenarchitektur des Kraftwerkes Borngasse spiegelt sich das Selbstgefühl des städtischen Bürgertums, das sich mit diesen Bauten zu Recht an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter wähnte.


Literatur

König, Wolfgang: Massenproduktion und Technikkonsum. Entwicklungslinien und Triebkräfte der Technik zwischen 1880 und 1914, in: König, Wolfgang/ Weber, Wolfhard: Propyläen Technikgeschichte, Bd. 4, Berlin 1990, S. 324

Erbslöh,Fritz Dieter: Die frühen elektrischen Zentralanlagen in den Nachbarstädten Elberfeld und Barmen, Frankfurt a.M. 1995

Stadtwerke Aachen AG (Hg), 100 Jahre Strom für Aachen 1895-1993

Lindemann, Cormelita: Chancen und Grenzen kommunaler Elektriziätspolitik (= Studien zur Technik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. von Hans-Joachim Braun), Diss. Aachen, Frankfurt a. M. 1996