Filztuchfabrik Bossbach & Klein
Aachen, Marientaler Weg 70-72


Kurztext

Der Standort an der Sief wurde ursprünglich durch eine Eisenhütte genutzt. Nach deren Aufgabe waren auf dem Grundstück verschiedene Nutzungen untergebracht: Wollwäsche, Färberei und Lohnweberei. 1913 wurde auf dem Gelände die Filztuchfabrik durch Willy Bosbach und Herbert Klein eingerichtet. Erhalten geblieben ist ein beeindruckenter Baubestand des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Kim Pulina
Filztuchfabrik Bossbach


Geografische | Demografische Einordnung

Die im Osten Raerens gelegene Ortschaft Sief gehört heute zur Stadt Aachen. So war es nicht immer. Bis zum Jahr 1921 war Sief der Stammgemeinde Raeren zugeteilt.

Der häufig verwendete Begriff „Wilbank“ stammt aus dem Mittelalter. Dieser beschreibt das heutige Grundgebiet der Ortschaft Sief. Sief (aus der Erde quellend) bezieht sich auf den Siefbach, in der Biologie ein langsam fließender von Quellwasser gespeister Bach. Solch ein Bach fließt auch südlich von „Beyenhof“ Richtung „Wilbank“. Dieser nimmt ein Rinnsal auf, welches vom „Siefer Börnchen“ herkommt. Das besonders kalte Wasser wurde früher gern von Landwirten zum Waschen der Butter benutzt. Dem gleichen Zweck diente das Wasser, das man am „Rusche Böensche“ in Mariental holte. Der Orsbach bildet die Verlängerung des Siefs. An der Eisenhütte mündet er in die Iter.

Überhaupt ist das ganze Gebiet sehr wasserreich, was seine Geschichte im 20. Jahrhundert entscheidend beeinflusst hat.

Im 19. Jahrhundert wurde der am Sief gelegene Ortsteil das Kernstück der Wilbank. Dort befanden sich die Steinbrüche und Kalköfen, die 70 bis 80 Arbeiter beschäftigten. So kam es, dass der Name Sief auf die ganze Ortschaft ausgedehnt wurde und die Bezeichnung Wilbank immer mehr verdrängte.

Diese Gegend wurde schon von den Römern um 200 nach Christus zur Verhüttung von Eisenerz genutzt. Sie wussten die großen Holzvorräte des umliegenden Waldes und die Nähe des Iterbaches zu schätzen. Diese Eisenhütte bedingt zudem auch den heutigen im Volksmund gebräuchlichen Namen „a jen Hött“ (an der Hütte) anstatt Mariental.

Heute ist der kleine Ort Sief eigentlich kein richtiges Dorf, sondern eine so genannte „Streusiedlung“, in der gut 200 Menschen leben, gleich neben der Grenze zum belgischen Raeren. Im Verlauf der letzten paar hundert Jahre gehörten sie immer mal zu Belgien und wieder zu Deutschland, früher waren sie Limburger, heut sind es Aachener. Sie selbst sehen sicher als „Siefer“.

Außer Landwirtschaft gibt es in Sief fast nur Wohnhäuser. Sie stehen weit auseinander, umgeben von Wiesen - und von Kühen natürlich. Eine kleinere Siedlung bilden nur die Häuschen früherer Zollbeamter. Sie lebten hier, als die Grenze zum nahen Belgien noch bewacht werden musste. Heute ist sie nur noch durch ein paar Schilder zu erkennen. In der Zollsiedlung wohnen längst Leute aus der Stadt, die tagsüber in Aachen und Umgebung arbeiten.

Der Ursprung von Sief ist vermutlich die Brandenburg. Ein altes Gemäuer mit Wehrturm, Hofanlage und sogar einer Kapelle. Man hat ihr durch Brandrodung Platz verschafft - daher der Name. Heute ist die Brandenburg längst umgebaut worden zu mehreren Wohnungen - wie die meisten der alten Höfe. Darunter hat der ursprüngliche Dorfcharakter natürlich etwas gelitten. Denn sogar die alte Kneipe ist vor kurzem in Wohnraum umfunktioniert worden. Doch einen richtigen Dorfmittelpunkt hat Sief auch früher eigentlich nie gehabt. Statt dessen sieht man verstreute Bauernhöfe soweit das Auge reicht.


Geschichte

Die alte Grundstücksbezeichnung „an der Hütte“ läßt sich auf die im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts betriebene Eisenverhüttung zurückführen. Damals trieb die Wasserkraft des Itterbaches die Gebläse eines Eisenschmelzwerkes an, in dem das in der Umgebung abgebaute Eisenerz verhüttet wurde. Diese jedoch sehr kleine Hütte zeigte sich im Verhältnis zu den großen Eisenhütten im Ruhrgebiet als nicht ausreichend rentabel und wurde aus diesem Grunde geschlossen.

Seitenansicht der Shedhalle,
im Hintergrund der Stockwerksbau
Das Gebäude wurde nacheinander als Wollwäscherei, Färberei und dann als Lohnweberei betrieben. Letztere Tuchfabrik von Müllemeister und Legewie besaß 100 Webstühle und beschäftigte bis zu 120 Arbeiter und Angestellte, die zum Teil von auswärts, z.B. von Roetgen kamen. Da viele von ihnen erst am Wochenende heimkehrten, wurde ihnen in einem anliegenden Gebäude Gelegenheit zum Übernachten geboten. Ebenfalls war eine Wirtschaft vorhanden.

Die Filztuchfabrik Mariental wurde im Jahre 1913 von Willy Bossbach und Herbert Klein gegründet. Die wirtschaftlichen und technischen sehr günstigen Verhältnisse waren Grund dafür, die Fabrik, hervorgegangen aus zwei Fabriken im Raum Siegen und Köln, hier zu errichten. Die bereits über Jahrhunderte genutzte Wasserkraft, das weiche Wasser, welches zur Verarbeitung der Stoffe wichtig war, die benötigten Rohstoffe in Form von Abfällen aus der Wolle verarbeitenden Textilindustrie, sowie die verhältnismäßig billige Kohle, die ohne größere Transportkosten bezogen werden konnte. Außerdem konnte man im Aachener Raum auf gut ausgebildete Fachkräfte der Textilindustrie zurückgreifen.

Der abgelegene Standort erwies sich hierfür allerdings als sehr ungünstig, so dass keine dieser folgenden Nutzungen sich länger halten konnte. Anders war die Situation für die Filztuchfabrik, welche lediglich im Bezug des Rohstoffes an den Aachener Raum gebunden war, ihre Erzeugnisse aber mit Bahntransporten weit über die Grenzen des Umlandes ins In- und Ausland lieferte. Dies war möglich da 1907 die Anbindung an das Schienennetz mit der Gleisverlegung der „Aachener Kleinbahn“ von Walheim über Sief nach Raeren hergestellt worden war.

Die Filzfabrik Bossbach und Klein stellte Geschirr- und Sattelfilze sowie viele Arten von Wollfilzen her. Zu den Abnehmern zählten u.a. die Wehrmacht und die Mercedes-Werke in Untertürkheim. Da statt Filz im zunehmenden Maße auch Schaumstoffe verwendet wurden, sank der Bedarf an Filz und die Firma schloss am 30. September 1976. Dies war auch bedingt durch das Alter des Inhabers, der am 31. Dezember 1974 mit 87 Jahren verstarb. Einige Belegschaftsmitglieder verbrachten ihr gesamtes Arbeitsleben in der Fabrik.


Die Shedhalle

Shedhalle innen, Foto: 1997
Dieser Zweckanbau ist durch Industriehallen-Charakter geprägt. Hierbei sind drei Achsen, die durch die Stützen laufen, erkennbar.

Die Komplexität von Produktionsprozessen, ihre Vernetzung und gegenseitige Abhängigkeiten haben für die Tuchfabrik ein richtungsloses flächiges Gebäude gefordert.

Schon immer haben besondere Nutzungen zu besonders darauf abgestimmten Dachformen geführt. So wurden tiefe Baukörper abgestuft, um den Innenbereich zu belichten. Auch hier findet man die Dachform, das Sheddach, als zweckmäßiges Mittel zur Belichtung wieder.

Das Sheddach wird hier aus mehreren parallel hintereinanderliegenden Pultdächern zusammengesetzt. Die Urform stammt aus den frühkapitalistischen Zeiten Englands. Der senkrechte Teil zeigt zur Nordseite und ist verglast. Das ermöglicht eine gute Ausleuchtung der Halle mit Tageslicht ohne Blendeffekte durch hereinfallendes Sonnenlicht.

Die Fachwerkonstruktion des Daches scheint mir aus dem Anfang, der Mitte des letzten Jahrhunderts zu stammen. Es ist kein Gusseisen, sondern gewalzte Elemente, die aus eisernen Einzelteilen bestehen, welche hauptsächlich über Nieten miteinander verbunden sind.


Gestalt

Stockwerksbau und Halle, Foto: 1997
Als Anschluss an den Stockwerksbau ist die Halle sehr schön ausgearbeitet. Der verwendete Blaustein und die rote Backsteinleibung der Fenster tragen zu einem homogenen Ensemble bei.

Das Gebäude wirkt von der Ferne durch sein Sheddach, als sei es mit überdimensionalen Sägezähnen bestückt. Folglich spiegelt die Halle ebenso in der Gestalt die industrielle Funktion der ehemaligen Fabrik wieder.

Die Strenge in der rechteckigen Grundform, ebenso in der Dachform, ist von außen durch die homogene Gestalt durch den Blaustein klar wiederzufinden.

Als schönes Beispiel für eine wesentlich verspieltere Morphologie der Dachform ist die Wollweberei Aymerich, Amat Jover in Terrassa (Spanien) zu nennen. Diese geschwungene Form des Daches ist im Wesentlichen auf die Größe der Halle zurückzuführen, wobei ein höheres Entwurfspotential zu sehen ist. Ferner hat dieses extravagante Erscheinungsbild die triste Fabrikatmosphäre einer derart geräumigen Halle mindern können.

Das ist natürlich für den Anbau der Fabrik Bossbach und Klein undenkbar, weil zum einen die Größen nicht vergleichbar sind und zum anderen hätte sich eine derart extravagante Form nicht dem Gesamtensemble fügen können.

Die vier Oberlichtbänder des Sheddaches sind jeweils mit drei klappbaren Öffnungselementen versehen. Ein Oberlichtband ist in über 30 aneinandergereihte Glaselemente mit filigranen Eisenrahmen eingeteilt. Die Einfachverglasung ist teilweise erhalten und ist zum einen in Waben- und zum anderen in Gitterstruktur zu verzeichnen. Vermutlich ist die Wabenstruktur die ältere Variante und die fehlenden bzw. beschädigten Elemente wurden durch Einfachverglasung mit Gitterstruktur ersetzt.

Des Weiteren gibt es noch vier Öffnungen im Mauerwerk, die als Fenster ausgearbeitet wurden. Diese Eisenfenster sind mit filigranen Streben in kleinere Elemente eingeteilt. Die Fensterleibung, an der Stirnseite zur Kapelle, ist mit rotem Backstein gearbeitet. Dies ist als gestalterisch, homogener Anschluss der Halle an den Stockwerksbau zu deuten, da im Erdgeschoss ebenfalls alle Fenster derart umgesetzt wurden.

Das Dach wurde im Zuge der Umbaumaßnahmen neu bitumiert. Die Entwässerung des Daches erfolgt über an den Seiten angebrachte Fallrohre. Die schadhaften Bohlen der innenliegenden Dachkonstruktion wurden durch Faserzementplatten ersetzt. Leider ist der einst steinerne Boden nicht mehr vorhanden, da dieser entfernt und der Boden der gesamten Halle mit Sand aufgeschüttet wurde.


Material

Das Hauptmaterial, welches zur Konstruktion der Halle benutzt wurde, ist der regional gebräuchliche Blaustein. Vermutlich wurde auch dieser Blaustein direkt vor Ort in gemauerten Öfen gebrannt, oder es wurde Eisen aus dem Gestein herausgeschmolzen. Heute ist von diesem Handwerk nicht mehr viel übrig in Sief.

Deshalb gibt es auch kein Ackerbau in Sief, denn in dieser Erde lässt sich nicht tief pflügen. Schon nach ein paar Metern kommen die Schieferplatten zutage, aus denen der typische Aachener Blaustein gewonnen wurde.

Innerhalb der Halle war der Blaustein ursprünglich verputzt, ist nach der Umnutzung sandgestrahlt worden und hat seinen natürlichen Charakter zurückgewonnen. Der Außenliegende Blausein ist unverändert, die Fugen sind glatt geschlossen.

Wie schon erwähnt, scheinen alle tragenden Elemente aus eisernen Einzelteilen zu bestehen, die mit Nieten miteinander verbunden sind. Das Fachwerk ist aus gewalzten Elementen zusammengesetzt. Die Beschaffenheit der Stützen ist nicht ersichtlich, da sie komplett ummantelt sind. Ich vermute allerdings, dass diese auch aus gewalzten Profilen gearbeitet sind, da das Fachwerk ebenso produziert wurde.


Ausstattung

Die ehemalige technische Ausstattung ist nicht mehr nachzuweisen, außer ein vorliegendes Fotos, welches zeigt, dass zur Hofseite Maschinen gestanden haben müssen, sind keine Ansätze mehr erkennbar. Aufgrund der Umnutzung zur Reithalle ist das Fehlen der Instrumente auch eindeutig zu begreifen.

Jedoch außerhalb der Halle auf der Hofseite sind Wasserbecken, worin die Stoffe gewalkt wurden, sowie die entsprechenden Eichenwalzen zum Walken noch vorhanden.


Umnutzung

Die ehemalige Industriehalle wurde zur Reithalle umfunktioniert. Dazu hat die Besitzerin die Halle komplett saniert. Wie schon erwähnt wurde der Betonboden entfernt und stattdessen Sand aufgetragen. Blausteinfassade wurde sandgestrahlt und neu verfugt. Zudem wurden schadhafte Glaselemente im Sheddach ersetzt.

Bei den eigentlich eher wenigen Umbaumaßnahmen konnte darauf geachtet werden, dass der ursprüngliche Zustand gewahrt bleibt, was bis auf den Boden durchaus gelungen ist.

Mehrere Beschaffenheiten der Halle sind wichtig, dass überhaupt der Pferdesport ausgeübt werden kann. Die ausreichende Gesamthöhe, die nach Richtlinien mindestens 4 m betragen muss und die Eingangstore, die mindestens 2.75 m Höhe aufweisen müssen.

Vor allem ist auch die Form der Halle entscheidend, denn Ausläufe im Langrechteckformat bieten mehr Bewegungsanreiz für die Pferde als quadratische.


Bewertung

Die vorgenommenen Maßnahmen sind aus denkmalpflegerischer Sicht meiner Beurteilung nach durchgängig akzeptabel.

Durch die Reithallennutzung bleibt großflächiger Eindruck der Industriehalle bestehen. Außer, dass das Treiben der ehemaligen Maschinen jetzt durch Pferde abgelöst wird, sind die Nutzungsaspekte gleichgeblieben. Auch die Sanierungs- bzw. Erhaltungsmaßnahmen sind als positiv zu beurteilen, da sowohl der urzeitliche Zustand gesichert wurde, als auch ein gesamtheitlicher Eindruck erhalten bleibt, ohne mit fremdartigen, fragmentartigen Ausbesserungen zu stören. Alles in allem entspricht Erscheinungsbild weitgehend der Urform, die schadhaften Elemente sind sorgfältig behoben worden. Es ist lediglich bedauerlich, dass der Boden entfernt und durch Sand ersetzt wurde, weil ansonsten der vollständige Urzustand ablesbar geblieben wäre.

Das Gesamtensemble Halle und Fabrikgebäude sind aus technischer, wirtschaftlicher und unter-nehmensgeschichtlicher Sicht mit Sicherheit von geringfügiger Bedeutung. Jedoch geben die übrigen Gesichtpunkte, die Wirkung als Landmarke für das Gebiet und die sozialgeschichtlichen Aspekte, den denkmallpflegerischen Wert preis.

Zudem sind die vorab genannten, gelungenen Erhaltungsmaßnahmen bzw. der Erhaltungszustand ein wichtiges Argument um die Gesamtanlage als erhaltenswert einzustufen.

Kim Pulina: Filztuchfabrik Bossbach. Semesterarbeit RWTH Aachen 2004(gekürzte und für das Internet bearbeitete Fassung)


Literatur

• Hermanns, Will (1953): Heimatchronik des Landkreises Aachen. Köln
• WDR: Lokalzeit aus Aachen. Dörfer der Region http://wdr.de/studio/aachen/lokalzeit/serie n/dorf/info.jhtml am: 14.09.2005
• Pfarrei Sankt Josef (2004): Glaube überwindet Grenzen / 100 Jahre Sankt Josef Schmithof-Sief . 1. Aufl. Aachen
• Helmut C. Schulitz, Werner Sobek, Karl J. Habermann (1999): Stahlbau Atlas
• freenet Lexikon http://lexikon.freenet.de/fabrikhalle am: 10. September 2005
• Neufert, Ernst (1964): BAUENTWURFSLEHRE /. - 24. AUFL. BERLIN (U.A.):