Feuerwache 1
Stolberger Str. 1
Walter Buschmann
Die Feuerwache 1 in Aachen



Geschichte des Feuerlöschwesens der Stadt Aachen

Von den vermutlich schon vor dem großen Aachener Stadtbrand von 1656 existierenden Anordnungen der Stadt zur Brandverhütung und Brandbekämpfung sind keine urkundlichen Belege überliefert. Der Großbrand, dem mehrere tausend Häuser zum Opfer fielen, wird die Aufmerksamkeit für diese Gemeinschaftsaufgabe sicher noch erhöht haben. Erste Nachrichten zum Feuerlöschwesen finden sich aber erst 1691. Hundert Jahre später gab es in der Franzosenzeit große Anstrengungen mit Bildung der aus Leyen- (=Schiefer)deckern und Schornsteinfegern gebildeten Brandkompanien. Der ersten Feuerordnung von 1836 folgte die Aufstellung eines in acht Kompanien gegliederten Brandcorps unter Leitung eines Brandcorps-Oberst. Die feierliche Verpflichtung durch den damaligen Regierungspräsidenten Graf von Arnim am 20. 3. 1836 gilt als Geburtsstunde der freiwilligen Feuerwehr in Aachen.

Große Verdienste erwarb sich der Tuchfabrikant Emil Lochner um die Organisation und Ausstattung der Feuerwehr. Lochner wurde 1866 zum Oberst der Aachener Feuerwehr ernannt. Nach seinen Ideen und durch ihn finanziert entstanden ab 1871 die Feuerwehrkasernen in der Oligsbendengasse und Kasernenstraße. Zudem wurden die Gebäude Klosterbongard 3-5 gemietet. Eine Tageswache gab es seither im Rathaus. Lochner stattete die Feuerwehrleute mit Uniformen aus und sorgte für die Ausrüstung, zu der auch schon eine Schiebeleiter der Fa. Magirus gehörte. Wichtig war die Einrichtung eines Feuerwehrtelegraphensystems mit anfangs 53 Feuerwehrmeldern in Fabriken und öffentlichen Gebäuden. Signale im Brandfall gingen an die Rathauswache, in die Wohnungen der Offiziere, an verschiedene Dienststellen der Polizei und an die Militärwache in Marienthal.

Das bis 1881 andauernde Engagement Lochners ist sicher auf die zuweilen verheerenden Brände in den Fabriken und besonders in den Tuchfabriken zurückzuführen. Die Stadt übernahm zu diesem Zeitpunkt die Kasernen und den Feuertelegraphen. Nach dem Rathausbrand von 1884 wurden Mannschafts- und Gerätewagen für Pferdebespannung ausgelegt und die 1887-89 entstandene Feuerwache I in der Vinzenzstraße war mit Wagenhallen und Pferdeställen für diesen nun schon fortentwickelten Ausrüstungsstand ausgelegt. Mit Vereinigung der Städte Aachen und Burtscheid wurde in der Bendstraße 40-48 eine neue Feuerwache errichtet und die Stadt in drei Feuerbezirke mit den drei Feuerwachen Vinzenzstraße, Bendstraße und Oligsbendengasse eingeteilt. Die bis dahin ehrenamtliche Leitung der Feuerwehr durch Fabrikbesitzer wurde 1906/07 abgelöst durch die Einrichtung hauptamtlicher Stellen für einen Branddirektor und zwei Brandmeister. Die Jahrzehnte vor und nach dem Ersten Weltkrieg waren geprägt durch die Motorisierung der Wagen und Gerät. Die Wache Vinzenzstraße war im Jahr 1913 zuerst mit einem vollständigen, mittels Benzinmotoren angetriebenen Löschzug ausgestattet. Die verbesserte Mobilität durch Motorisierung führte zur Auflösung der Feuerwache Oligsbendengasse und eine Beschränkung auf die beiden Feuerwachen in der Vinzenz- und Bendstraße. 1944 wurde die Feuerwache I in der Vinzenzstraße weitgehend durch Bomben zerstört und in reduzierter Form bis 1955 wieder aufgebaut. Eine Zukunft hatte dieser Standort für die Feuerwehr nicht mehr, weil sich in diesem Bereich die Hochschule mit Neubauten(Kármán-Auditorium) ausdehnte.

Feuerwache 1 der Stadt Aachen. Ansicht von der Hofseite
Mit dem Bau der zentralen Feuerwache an der Stolberger Straße 1961-64 wurden die bisherigen Feuerwachen Vinzenz- und Bendstraße aufgelöst. Zur Hauptfeuerwache gehörten 96 Dienstwohnungen an der Stolberger Straße. Die Wohnungen waren mit Alarmwecker ausgerüstet, so dass bei Großeinsätzen schnell eine Einsatzreserve in unmittelbarer Nähe der Wache zur Verfügung stand. Schon wenige Jahre später erwies sich der für 100 Mann konzipierte Neubau der Hauptfeuerwache als zu klein. In den 1970er Jahren entstanden bis 1982 die Gruppenwachen Süd (Kornelimünster) und Nord (Seffent), so dass unter den später durchnummerierten Feuerwachen die Anlage in der Stolberger Straße die Ziffer I erhielt. 1992 kam die Rettungswache West an der Vaalser Straße dazu.


Die Feuerwache I an der Stolberger Straße, 1961-64

Die Feuerwache I entstand in mehrjähriger Bauzeit nach Plänen des Architekten und Aachener Hochschulprofessors Rudolf Steinbach unter Mitwirkung von Dipl.-Ing. H. Kohl.

Straßenansicht
Tore auf der Straßenseite
Hofseite mit Holztore
Die Gesamtanlage besteht aus dem Hauptbau mit den Fahrzeughallen im Erdgeschoß als lang gestreckter Baukörper an der Stolberger Straße, einem Schlauchtrockenturm und dem Werkstattgebäude im Hof.

Der dreigeschossige Hauptbau ist deutlich geschoßweise in drei Zonen gegliedert mit den, gegenüber dem Obergeschoß zurückspringenden Erd- und Obergeschoß. Im Erdgeschoß dominiert das Wechselspiel zwischen den im Querschnitt H-förmig gestalteten Stahlbetonpfeilern und den Faltschiebetoren. Die Schiebetore zur Straße sind so an die Hinterkanten der Pfeiler montiert, dass die Pfeiler als stark strukturierende Elemente im Erdgeschoß in Erscheinung treten. Die Tore zur Straße sind erneuert, während die rückwärtigen Tore zum Hof teilweise erhalten sind. Einige Tore wurden in die vordere Flucht der Pfeiler versetzt. Über dem Erdgeschoß ist das vorspringende Obergeschoß für die Mannschaftsräume durch großflächige Rechteckfenster gegliedert. Das Dachgeschoß ist zurückliegend als eine Art Staffelgeschoß in den Hintergrund gerückt und wird zudem durch die Brüstungselemente vor den Gängen und begehbaren Flächen abgeschirmt. Das Dachgeschoß ist in leichter Stahl-/Holzkonstruktion ausgeführt mit einer Verkleidung aus Siporex-Platten.

Straßenseite mit Ercker für die Leitzentrale
Auch vertikal wird der Baukörper besonders zur Stolberger Straße durch einen dreigeschossigen Erker im Mittelteil gegliedert. Dieser stark vorspringende Erker ist zur Straße fensterlos und öffnet sich mit seitlichen Fenstern zu den Seitenflügeln. Von dem im Erker untergebrachten Leitstand konnte so die Ein- und Ausfahrt der Löschfahrzeuge überschaut werden. Der Erker als dominantes Bauteil in der Straßenansicht korrespondiert mit einem der westlichen Schmalseite vorangestellten Treppenhaus und auf der gegenüberliegenden Seite mit dem Schlauchturm. Auch in der Rückansicht sind die beiden Treppenhäuser zur Gliederung des langgestreckten Gebäudekörpers spezifisch gestaltet.

Geprägt wird die Architektur auch durch das konstruktive System mit einer Trennung von Tragstruktur und wandabschließenden Bauteilen. Primäre Tragglieder sind die auch in den Außenansichten der Langseiten in Erscheinung tretenden Stützen. Diese Stützen setzen sich im Obergeschoß als Querwandschotten und halbe Rahmenelemente fort, die sich mit ihren Horizontalteilen zur Gebäudemitte verjüngen und hier, durch in den Fluren sichtbare Gleitlager zusammengefügt sind.

Zum Tragwerkskonzept gehören zwangsläufig zur Aussteigung gegen die Horizontalkräfte unverschiebliche und mit der entsprechenden Steifigkeit ausgebildete Bauteile in Ortbeton: Treppenhäuser, Aufzugsschacht, der Zentraltrakt mit Leitstand und die schmalen Außenwandscheiben.

Differenzierte Oberflächen: Rillenstruktur, glatte Flächen und Waschbeton
Ort- und Fertigbetonteile erscheinen in natürlicher Farbigkeit und in dezent unterschiedlichen, überwiegend glatten und leicht durch den Kies im Beton geprägten Oberflächen. Das freistehende Treppenhaus vor der westlichen Schmalseite und der Leitstand-Erker in der Straßenfassade sind abweichend durch senkrechte, wohl von den Schalungsbrettern herrührende Rillen und unregelmäßig über die Oberflächen verteilte Quetschwülste gekennzeichnet.

Der Hauptbau war laut Baubeschreibung mit Holzfenster ausgestattet worden. Die Fenster sind jedoch überwiegend zwischenzeitlich erneuert worden. Nur in Teilbereichen sind – z. B. in den Treppenhäusern – noch die bauzeitlichen Fenster, hier auch in Stahl, erhalten.

Halle mit Löschfahrzeugen und Holztore zur Hofseite von innen.

Hofansicht mit Schlauchturmn
Im Inneren des Hauptbaus sind die nichttragenden Innenwände im Obergeschoß mit Oberlichtelementen erhalten. Der Raum für den Leitstand im straßenseitigen Erker erwies sich als größenmäßig nicht ausreichend, so dass der Leitstand 1986 als moderne Einsatzleitstelle in das Erdgeschoß verlegt wurde. Dieser erneuerte Leitstand gehört nicht zur denkmalwerten Substanz.

Auch der Schlauchturm wurde als kubisches Bauwerk mit ungegliederten Außenwänden auf drei Seiten und Flachdach ausgebildet. Zum Hof ist der Turm geschoßweise unterteilt mit Brüstungselementen und einer größeren geschlossenen Fläche im oberen Turmteil aus Holz. Die Schlauchtrocknung erfolgte im Inneren durch einen Schacht mit umlaufenden Treppen.


Bedeutung

Regelmäßig spielen Brandkatastrophen in den Chroniken der Menschheitsgeschichte besonders in den Städten eine große Rolle. Mehrere Instrumente wurden ersonnen und entwickelt, um den mit den Bränden regelmäßig einhergehenden Menschenopfern, Sachverlusten, finanziellen Belastungen und traumatischen Erfahrungen entgegenzuwirken. Dazu gehörten Bauordnungen mit ihren Bestimmungen für eine sichere Bauweise von Häusern und Städten und die gleichgerichteten Bestrebungen von Bauherrn und Architekten. Prägende Innovationen der Baugeschichte, wie die „fireproof buildings“ in England mit den gußeisernen Skeletten und massiven Kappendecken gehen auf diese Bestrebungen zurück. Kennzeichnend ist auch die enge Beziehung zwischen Fabriksystem und Brandschutz, der wir diese Einführung eines ersten Skelettsystems im Bauwesen verdanken. Waren diese Maßnahmen präventiv gegen die Entstehung und Ausbreitung von Bränden gedacht, war das Feuerwehrwesen wichtig für die aktive Bekämpfung der Brände. Der Bau von Feuerwachen war ein Teil dieses Systems, wobei die Architektur der entstandenen Bauten regelmäßig auch anzeigt, welchen hohen Stellenwert die Gemeinwesen diesem Aspekt der städtischen Vorsorge zusprachen. Da ältere Bauten des Aachener Feuerwehrwesens nicht mehr existieren, kommt der Feuerwache 1 diese dokumentarische Aufgabe zu. Gerade die Feuerwache 1 kann diese Aufgabe erfüllen, weil mit diesem Bauwerk eine Zentrale entstand, mit der die früheren, auf Teilbezirke der Stadt ausgerichteten Wachen ersetzt wurden. Wegen ihrer Dokumentationskraft für das Feuerwehrwesen einer mittleren Großstadt ist die Feuerwache 1 in Aachen bedeutend für die Geschichte des Menschen.

Die Feuerwache 1 ist das Werk eines bedeutenden Architekten und ein wichtiges Beispiel für die sogenannte Nachkriegsmoderne. Der Architekt Rudolf Steinbach(1903-1966) hat schon während des Krieges bei den Wiederaufbauplanungen für Lothringen mit Rudolf Schwarz und Emil Steffan zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Rudolf Schwarz wurde nach Kriegsende fortgeführt. Nach dem Krieg in Heidelberg als freier Architekt tätig, war Steinbach 1951-66 Ordinarius für Baukonstruktionslehre an der RWTH Aachen. Wichtige Bauten waren in Zusammenarbeit mit Rudolf Schwarz die Kirchen in Andernach(St. Albert), Düren(St. Anna) und Frechen(Maria Königin) sowie in Düsseldorf das Gemeindezentrum von St. Lambertus. In Aachen baute Steinbach das Rationalisierungsinstitut und die Erweiterung der Architekturfakultät an der Schinkelstraße. Die Bilalmoschee entwarf Steinbach zusammen mit Gernot Kramer. In allen Werken vertritt Steinbach – so wie sein jahrelanger Wegbegleiter Rudolf Schwarz – eine an den Prinzipien der Bauhaus-Moderne orientierte Reduktion der Architektur auf klare geometrisch-stereometrische Formen. Die Art, wie der Hauptbaukörper der Feuerwache 1 in unterschiedliche Geschoßebenen gegliedert ist und wie der langgestreckte Bau mit vertikalen Baugliedern kombiniert wurde ist von hoher Gestaltungskraft und daher von baukünstlerischer Bedeutung. In der Feuerwache 1 kommt die besonders in der Zeit nach 1945 überall in der Moderne lodernde Begeisterung für den Baustoff Beton hinzu. Diese Begeisterung gab nach der französischen Bezeichnung für Rohbeton „béton brut“ als Brutalismus einer maßgeblichen Architekturrichtung der Nachkriegszeit einen Namen und erlebte in den 1960er Jahren eine Blütezeit.

Weiterhin ist die Feuerwache 1 ein Beispiel für die seit den 1920er Jahren Tendenzen zum industriellen Bauen. Mit den Bestrebungen zur Nutzung industrieller Verfahren im Bauwesen sollten Kosten gespart und damit der Haus- und vor allem der Wohnungsbau günstiger gestaltet werden. Die Folge waren Häuser aus dem Baukasten mit Baufertigteilen, die in den Betonwerken vorfabriziert und auf den Baustellen nur noch montiert werden mussten.

Sowohl Brutalismus, wie auch industrielles Bauen führten zu einer eigenständigen Ästhetik die weiterhin geprägt wurde durch die Bestrebungen zur Materialgerechtigkeit. Die Feuerwache 1 ist mit den prägnant im Erscheinungsbild wirkenden Betonbauteilen ein würdiger Vertreter dieser Architekturrichtung der Nachkriegsjahre und daher erhaltenswert aus künstlerischen Gründen. Zugleich ist das Bauwerk für die Erforschung der genannten Tendenzen in der Architektur der Nachkriegsmoderne erhaltenswert.


Literatur

Walter Schmitthenner: Rudolf Steinbach 1903–1966. Daten seines Lebens, seiner Werke, seiner Freunde. Selbstverlag 1990

Joedicke, Jürgen: Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart/Zürich 1998

Banham, Reyner: Brutalismus in der Architektur. Ethik oder Ästhetik? Stuttgart 1966

Clement, Alexander: Brutalism: post-war British architecture, Ramsbury 2011

Zwischen Baukunst und Massenproduktion: Denkmalschutz für die Architektur der 1960er und 1970er Jahre? Dokumentation der gleichnamigen Studienkonferenz vom 13. Bis 15. September 2011 in Bergisch Galdbach-Bensberg, Köln 2013

Hecker, Michael/ Krings, Ulrich: Bauten und Anlagen der 1960er und 1970er Jahre – ein ungeliebtes Erbe? Essen 2011


Feuerwache 1