Engels-Haus
Wuppertal, Engelsstraße 10


Text und Dokumente
Eberhard Illner | Heike Ising-Alms: Das Engelshaus in Wuppertal
Reiner Rhefus: Kurztext


Kurztext

Das Engelshaus, ein repräsentatives spätbarockes Wohnhaus in Wuppertal Barmen, ließ sich der Textilunternehmer Johann Caspar Engels sen., der Urgroßvater des Sozialisten Friedrich Engels, von dem Baumeister Eberhard Haarmann d. Ä. im Jahre 1775 errichten. Das Haus Engelsstr 10 ist gemeinsam mit den benachbarten, etwa 20 Jahre jüngeren Haus Engelsstr 6 ein herausragendes Beispiel für den Typ des großbürgerlichen bergischen Fachwerkhauses. Beide Häuser gehen auf die Familie Engels und die Manufaktur Johann Caspar Engels. Etwa 300 Arbeiterinnen und Arbeiter wohnten in umliegenden Häusern die zum größten Teil der Familie Engels gehörten. Die Ansiedlung stellte eine kleine Fabrikkolonie mit Schule, nahegelegener Kirche und Laden dar. Zwei der Arbeiterhäuser (Bj. 1784) sind an der verbeiführenden Wittensteinstraße (Hausnummer 282/284) erhalten. Das Engels-Haus (Engelsstr 10) wurde 1970 als Stadtmuseum und Museum für Friedrich Engels junior eröffnet und zeigt in zwei Räumen die Wohnkultur um 1800. In zwei großen Hintergebäuden (Fabrikationsgebäude von 1870 und Remise von 1911) befindet sich das Museum für Frühindustrialisierung (1983 eröffnet), das die technischen und gesellschaftlichen Umwälzungen der Industrialisierung anhand originaler Exponate thematisiert. Zu den Exponaten zählen Bandstühle, Flecht- und Klöppelmaschinen sowie die Spinnmaschine, die am Beginn dieser Revolution stand.


Eberhard Illner | Heike Ising-Alms
Das Engels-Haus in Wuppertal


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Fabrikkolonie der Familie Engels am Unterbarmer Bruch. Modell
Als der preußische Staatsrat Kuhnt 1747 das Bergische Land bereiste, berichtete er auch über die Fabrikkolonie der Familie Engels am Unterbarmer Bruch:

„Die Fabrik- und Wohngebäude der höchst achtenswerthen Familie Kaspar Engels bilden mit den Bleichplätzen für sich beinahe eine kleine halbkreisförmige Stadt“.

Zu dieser „kleinen Stadt“ gehörten rund vierzig Bauten, Wohnhäuser, Produktionsstätten, Gärten, zwei Bleichen, Kalkgruben, eine Pottascheherstellung, Trocken- und Kochhäuser, ein Bauerngut mit einer Ziegelei sowie eine Schule für die Kinder der Heimgewerbetreibenden. Herzstück waren die Bleicherwiese, der heutige Engels Garten, sowie die fünf Wohnhäuser der Familie Engels, von denen nach Kriegszerstörung heute nur noch zwei existieren. Kunth notierte, dass allein die Firma Caspar Engels Söhne achtzig bis einhundert Bandmühlen besaß, was einer Beschäftigungszahl von zweihundertundvierzig bis dreihundert Personen entsprach. 1834 hatte sich deren Anzahl verdoppelt. Sie produzierten hochspezialisiert vor allem Spitzenbänder – also Produkte, die jenen klassischen „Barmer Artikeln“ der Schmalbandweberei zuzurechnen sind.

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Engelshaus. Foto: Historisches Zentrum Wuppertal
Von dieser „kleinen Stadt“ sind zwei Bauten erhalten. Das Engelshaus ist das zentrale Schau- und Schmuckstück der ehemaligen protoindustriellen Gesamtanlage. In der Denkmalliste wird das Haus mit folgendem Text dargestellt:

„Das Engelshaus ist ein großbürgerliches bergisches Fachwerkhaus zu zwei Geschossen mit Schieferfassade und Mansarddach. Das repräsentative spätbarocke Wohnhaus ließ sich der Textilunternehmer Johann Caspar Engels sen., der Urgroßvater des Sozialisten Friedrich Engels, von dem Baumeister Eberhard Haarmann d. Ä. im Jahre 1775 errichten.

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Hauseingang des Engelshauses. Foto: 2014
Das Gebäude erhebt sich auf einem Keller in Quadermauerwerk und orientiert sich traufständig zur Straße. Die fünfachsige Straßenfassade ist als Eingangsfront besonders repräsentativ gestaltet, indem sie symmetrisch gegliedert ist und in der Mittelachse mit prachtvollem Hauseingang betont ist. Der Hauseingang erschließt sich über eine zweiarmige gerade, symmetrische Freitreppe mit schmiedeeisernem Geländer. Das Eingangsportal besitzt integrierte, schmale Seitenfenster und ein Oberlicht in Sprossenteilung, das mit Blumenvase, Kranz, Bändern, Schleife und Girlanden geschmückt ist. Zudem wird das Oberlicht von einem profilierten Gesims überdeckt. Das zweiflügelige Portal weist barocke Füllungen mit vegetabilen Ornamenten auf. Die Fenster der Straßenfassade sind - wie auch die anderen Fenster des Hauses - kleinsprossig geteilt und außerdem als Schiebefenster ausgebildet und mit Klappläden versehen.

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Engelshaus. Foto: 2014
Ein profiliertes Traufgesims schließt die Fassade zum Dach ab. Die ausgebauten Dachgeschosse gliedern sich zu drei Achsen: das Mansardgeschoss mit dreiecksgiebeligen Fenstern und das obere Dachgeschoss mit Gauben, die von Satteldächern überdeckt sind. Das obere Dach ist als Schopfwalmdach ausgebildet. Wie die Fassade ist auch das Dach in altdeutscher Deckung verschiefert.

Der Innenausbau des Gebäudes wurde 1969/70 umfassend restauriert. Die Treppen sind vielfältig gegliedert und profiliert. Die Innentüren sind mit barocken Füllungen in guter handwerklicher Qualität unterteilt. Die Eingangsdiele ist mit Marmorplatten ausgelegt.

Im Erdgeschoss ist besonders bemerkenswert das so genannte Musikzimmer, das man unmittelbar rechts neben der Eingangsdiele erreicht. Die Ausstattung des Zimmers stammt aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Fußboden besteht aus einem Tafelparkett in oktogonaler Teilung. Das Zimmer ist mit verschiedenen Stuckarbeiten geschmückt. So bildet den Wandabschluss zur Decke ein vegetabilisches Fries mit Akanthusblättern und Palmetten. Die Sopraporte zeigt eine Amphora, zwei Vögel und vegetabilisches Ornament. Die seitlichen Pilaster der Kaminecke sind mit vegetabilischen Ornamenten besetzt. Darüber wird eine Lyra von zwei Spinghen flankiert. Die obere Türfüllung weist ein weiteres Relief mit einer Lyra auf. Die Bemalung der Decke ruft den Eindruck von Stukkaturen hervor. Ein umlaufender Randstreifen ist mit Rosetten in oktogonalen Feldern ausgefüllt; die Deckenmitte ist in vegetabilischen Ornamenten ausgemalt, während die Schmalseiten zwei Lyren mit Lorbeerkränzen schmücken.

Der Kamin des linken vorderen Raumes des Erdgeschosses besitzt als Stuckverzierung ein Gesims mit Eierstabfries und darüber üppige vegetabilische Ornamentik.

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Innenraum, Engelshaus. Foto: Historisches Zentrum Wuppertal
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Innenraum, Engelshaus. Foto: Historisches Zentrum Wuppertal
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Farbige Ölbildertapeten. Foto: Historisches Zentrum Wuppertal
Besonders repräsentativ präsentieren sich die beiden Räume auf der rechten Seite des Obergeschosses. Farbige Ölbildertapeten, die mit gemaltem Perlstabornament eingefasst sind, zeigen auf 18 Bildern in beiden Räumen Fluss- und Küstenlandschaften. Die Sockelzone ist in Täfelungsimitation ausgemalt. Die Tapeten wurden von Wilhelm Schaaf angebracht, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Tapetenfabrik in Barmen besaß. Der Fußboden ist mit Parkett belegt. Oberer Wandabschluss, Decke, Türrahmung und Ofennische sind mit reichen Stukkaturen ausgestattet. Die Ofennische ist seitlich mit pilasterartigen Vorlagen eingefasst, die mit Scheibenornament und mit Akanthusblättern besetzt sind. Die rundbogige Ofennische schmücken ein Widderkopf, ein Lorbeerkranz und Rosenblüten. Ein gestuftes Gesims mit einem Kymafries überdeckt die rundbogige Nische. Darüber fassen pilasterartige Vorlagen, die mit Fruchtgehängen besetzt sind, ein stukkiertes Bildrelief ein. Im Hintergrund zeigt das Bild eine Pflanze, einen Merkurstab und eine brennende Fackel und im Vordergrund auf einem Sockel einen Korb, in dem zwei Tauben sitzen, die bereits vollplastisch in Erscheinung treten. Der obere Wandabschluss ist mit stukkierten Perl- und Scheibenfriesen gestaltet. Die Decke ist mit stukkierten Blüten, Schnürband und vegetabilischen Ornamenten geschmückt.

Im linken vorderen Raum des Obergeschosses befindet sich eine stukkierte Kamineinfassung, die ein gestuftes Gesims oberseitig abschließt. Darüber ist die Wand mit aufwendiger vegetabilischer Ornamentik geschmückt.

Das Engelshaus ist ein typisches großbürgerliches Fachwerkwohnhaus des bergischen Spätbarock. Die Ausstattung des Gebäudes legt Zeugnis ab von der guten Qualität des Kunsthandwerks der Zeit. Als repräsentatives Wohnhaus der Textilunternehmer - und Kaufmannsfamilie Engels veranschaulicht es die Wohn- und Lebensauffassung des Großbürgertums um 1800 in Barmen. Wie das hier beschriebene Haus ließ die Familie Engels auch eine umfangreiche Nachbarbebauung errichten, die weitgehend den Kriegszerstörungen zum Opfer gefallen ist. Heute sind lediglich noch die Häuser Engelsstraße 6 und 10 sowie Wittensteinstraße 282 und 284 erhalten. Die Häuser an der Engelsstraße sind die Überreste einer von den Engels errichteten Bebauung, die nach englischen Vorbild ("Crescent") fast halbkreisförmig einen Platz umfasste. Teil dieser zerstörten Bebauung war das Geburtshaus des Sozialisten Friedrich Engels. Heute ist das Engelshaus Museum und Erinnerungsstätte für Friedrich Engels.“

Auch das Nachbarhaus Engelsstr. 6, 1789 von Benjamin Engels errichtet ist als weiteres Fabrikantenwohnhaus mit seinen Formen aus der Übergangszeit vom Barock zum Klassizismus, mit hohem Mansarddach und Mittelgiebel ein wichtiges Zeugnis dieser vorindustriellen Zeit.

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von Textilarbeitern bewohnten Häuser in der Brucher Rotte um 1825. historische Karte
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Arbeiterhäuser, Wittensteinstraße. Foto: 2014
Was motivierte die Engels, eine solche auf dem Verlagssystem aufbauende Manufaktur anzulegen? Die Vorteile der Zentralisierung der Arbeitsprozesse und der technische Fortschritt waren die wichtigsten Argumente, die für einen Wandel der Produktionsweise sprachen. Dazu hatten die vorhergehenden Generationen mit einer Rationalisierung der Arbeitsorganisation und der Etablierung der Dezentralen Manufaktur im Engels Bruch die wichtigsten Grundlagen gelegt. Die Konzentration der Bleicher, Spinner, Spuler und Wirker in unmittelbarer Nähe zum Verlagskaufmann vereinfachte die Kontrolle der Arbeitssamkeit der Heimgewerbetreibenden und die Qualitätssicherung der Produkte. Die Fabrikanten der Familie Engels übten in patriarchalischer Weise Aufsicht über die häuslichen und religiösen Verhältnisse ihrer Produzenten aus. Spitzenkräfte blieben betriebstreu. Der sonst üblich unproduktive Liefertag entfiel.

Die Bilanzsumme lag im Jahre 1816 in Aktiva und Passiva bei rund 560.000 Reichstalern. Das Unternehmen zählte zu den Marktführern der Region, und die Geschäfte entwickelten sich gut: die Gewinne, die 1824 bis 1837 in der gemeinsamen Geschäftsführung der Söhne erwirtschaftet wurden, lagen bei insgesamt 120.873.- Reichstalern, was einen durchschnittlichen Jahresgewinn von ca. 9.298.- Reichstalern ausmachte. Diese Produktionsweise war finanziell so lukrativ, dass sie in dieser Form zunächst noch einige Jahre weitergeführt wurde, auch während der Produktionsstandort Engelskirchen im klassischen Fabriksystem nach englischem Vorbild errichtet wurde. Erst der plötzliche Krankheitstot von Friedrich Engels sen. 1860 beendete diese Phase in Barmen.

Man könnte in der Diktion von Friedrich Engels sagen, dass das großväterliche „System Engels“ die „Kinderstube des Kapitalismus“ gewesen ist: alles noch patriarchalisch gemäßigt, doch in der Betriebsorganisation und Arbeitsteilung bestens auf den nächsten, sich anbahnenden technischen und arbeitsorganisatorischen Entwicklungsschritt vorbereitet. Diese Entwicklung macht sich insbesondere an zwei Orten der Industrialisierung in der Textilindustrie fest: Barmen und Manchester. Der internationale Blick ist daher Voraussetzung für ein angemessenes Verständnis dieser Entwicklung. Der lokale Blick allein ist – vor allem was die technische Seite anbetrifft – sicherlich nicht ausreichend.