Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“
Wuppertal, Konsumstr. 45
Reiner Rhefus
Die Zentrale der Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“ in Wuppertal


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Totale, Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“. Foto: 2011
Von den die Stadt Wuppertal umkränzenden Anhöhen sieht man den zehngeschossigen Turm und den langgestreckten Baukörper der ehemaligen Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“ (später: Coop-Zentrale Rheinland). Das 1928-31 entstandene, markante, weithin sichtbare Bauwerk hat eine Fassadenlänge von 226 Metern und ist ein bedeutendes Zeugnis des Neuen Bauens in Wuppertal.

Der selbstverwaltete Betrieb versorgte mehr als 50.000 Mitgliedsfamilien, etwa 200.000 Menschen in 33 Städten und Gemeinden, mit guten und preiswerten Lebensmitteln. „Vorwärts-Befreiung“ war die siebtgrößte Konsumgenossenschaft in Deutschland. Die Zentrale war nach dem Entwurf des Architekt Hermann Deffke, Leiter des genossenschaftseigenen Baubüros, nach einem Wettbewerb errichtet worden.

Die Anlage erinnert an das „Volkshaus“-Konzept des Architekten Bruno Taut (1880-1938). Nach Taut´s Vorstellung sollte das „Volkshaus“ als Ort sozialistischer Kultur (und Wirtschaftens) wie eine „Stadtkrone“ über der Stadt liegen.

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Seitentrakt mit Werkstätten. Foto: 2011
Hinter den Querbau liegen fünf Flügelbauten: Der Verwaltungstrakt mit großem Versammlungssaal und Turm, ein langgestreckter Flachbau mit Werkstätten, das Großlager, die Bäckerei und der Trakt für die Fleischverarbeitung.

Die Anlage war über einen Gleisstrang mit dem Bahnhof Loh verbunden. Im Verwaltungsflügel des Gebäudes befanden sich Bibliothek, Sparkasse und ein Kino- und Festsaal, der von der Wuppertaler Arbeiterschaft genutzt wurde.

Die geräumigen Zwischenhöfe waren mit Gleisanlagen und Ladeboxen für LKW versehen. Von hinten waren die Zwischenhöfe frei zugänglich. Breite Durchfahrten in den davor liegenden Riegeln ermöglichten beidseitige Zu- und Abfahrten. In Nebengebäuden befanden sich u.a. Wagonwaage, Kohlelager und die Kraftzentrale.

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Freitreppe und Portalgebäude. Foto: 2011
Die Vorderfront mit ihren großen Durchfahrten erinnert an eine trutzige Wehrmauer mit Toren und Turm. Über eine Freitreppe gelang man in das Portalgebäude, einen Vorbau mit drei Arkaden-Bögen. Den Eingang flankierten allegorische Figuren (Arbeiter, Frau) und die Überschriften: „Unser die Zukunft durch die eigene Kraft“ und „Der Dienst am Volk heisst Genossenschaft“. (Die Inschriften wurden 1933 entfernt, die Figuren blieben erhalten.)

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Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“. Foto: 2011
Als der Bau im Juni 1931, nach drei Jahren Bauzeit, fertiggestellt wurde, war dies ein Ereignis, welches in der gesamten deutschen Genossenschaftsbewegung mit Stolz zur Kenntnis genommen wurde. Man sprach von einer „Burg der Arbeit“, vom größten Genossenschaftsgebäude in Deutschland und einem „Wahrzeichen konsumgenossenschaftlicher Wirtschaftsmacht“. Selbst aus Österreich, Norwegen, Schweden, Holland, Italien und Japan kamen Genossenschaftler nach Wuppertal, um das Werk, das dem „genossenschaftlichen Gedanken in Deutschland zu besonderem Ansehen verholfen“ hatte, zu besichtigen.

Zur gleichen Zeit entstand das wohl bekannteste Bauprojekt der europäischen Arbeiterbewegung, die Wiener Wohnhöfe der 1920er Jahre. Bestimmende Momente dieser Architektur, die Monumentalität, die dort geschaffene Hofsituationen, die zugleich Gemeinschaftssinn und Wehrhaftigkeit erkennen lassen, finden sich auch in der Wuppertaler Genossenschaftszentrale wieder.

Die Zentrale war nach dem Zusammenschluss der Elberfelder, Barmer und Velberter Genossenschaften unter dem Namen „Vorwärts-Befreiung“(1924) notwendig geworden und liegt nur wenige Kilometern entfernt von den Vorgängerbauten, der Konsumgenossenschaft „Befreiung“ in Elberfeld und der Konsumgenossenschaft „Vorwärts in Barmen. Alle drei Gebäudekomplexe blieben fast unverändert erhalten. Im Stadtgebiet gibt es außerdem noch zahlreiche der insgesamt 140 Verkaufsfilialen, „Verteilungsstellen“ des Unternehmens. Baudenkmale der Konsumgenossenschaftsbewegung in so einer Dichte werden sich nur selten in deutschen Großstädten finden.

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Konsumgenossenschaft „Vorwärts-Befreiung“. Foto: 2011
Bis 1976 war auf Klausen der Sitz der Coop West AG, bzw. der KOOP Rheinland, eines gemeinwirtschaftlichen Unternehmens, in das mehrere regionale Genossenschaften in der Nachkriegszeit aufgingen. Seither wird das Gelände von Autozulieferunternehmen – Fa. Gebrüder Happich, Johnson Controls – genutzt.