Rheinkalk GmbH - Werk Flandersbach
Wülfrath, Meiersberger Str. (Tor 1). - Rützkausener Str. / Rhodenbacher Mühle (Tor 3)
Texte und Dokumente
Hans-Georg Thomas : Die Rheinkalk GmbH in Wülfrath
Literatur





Hans-Georg Thomas
Die Rheinkalk GmbH in Wülfrath


Ursprünge

Im Raum Ratingen, im Angerland und an der Düssel im Abschnitt des Neandertales ist der Abbau von Kalkstein und seine Veredlung durch das Brennen zu Kalk früh belegt. Etwa um 1635 entstand die Wittlaerer Kalkgilde, eine Kooperationsgemeinschaft von Kalkbrennern, Partikulieren und Kaufleuten, die Kalk über den Rheinhafen in Wittlaer vermarkteten.

Devonische Kalklagerstätten im Bergischen Land
Alle diese frühen wie dann auch die hier spezieller betrachteten Kalkaktivitäten basieren auf geologisch zusammengehörenden Kalksteinlagerstätten. Sie entstanden vor 370Mio Jahren, in der Givet-Stufe des Devons; in einem warmen, flachen, tropischen Meer mit langsam sich absenkendem Boden, d.h. bei optimalen Bedingungen für das Wachstum von Riffen auf der Basis von kalkigen Hartteilen ehemaliger Organismen. Dieser Massenkalkzug setzt sich östlich fort und reicht über Hagen und Iserlohn bis ins Hönnetal bei Balve. Die Abbauschwerpunkte lagen und liegen im Bereich des reinsten Kalksteins mit CaCO3-Gehalten von bis zu 98%, wobei mit Rücksicht auf vorhandene Überbauungen und die entstandenen aber auch notwendigen Transportwege nicht alle Partien für den Abbau zur Verfügung stehen können. Zu beachten sind darüber hinaus partielle metasomatische Dolomitisierungen der Lagerstätte, die eine selektive Abbauführung, Aufbereitung und Vermarktung solcher Anteile notwendig machen.


Die industrielle Verwertung des Kalksteins

Zur Deckung ihres Kalkstein-Eigenbedarfs erwerben 1890 der „Bochumer Verein für Gussstahl-Produktion“ und die Rheinischen Stahlwerke die nördlich der Bahnstrecke Wülfrath – Velbert gelegene, später Bochumer Bruch genannte Lagerstätte.

Fördertunnel von 1926 am Bochumer Bruch. Seit 2003 genutzt für das Ausstellungsprojekt ‚Zeittunnel‘.
Der Abbau beginnt 1920 im sog. „Winsches Stinder“, einem seit 1839 betriebenen Aufschluss, aus dem vor allem Straßenbaumaterial geliefert wurde. Mit der Gründung der „Vereinigten Stahlwerke AG“ (VSt) im Jahre 1926 werden die ausgegliederten „Rohstoffbetriebe“ der VSt neue Eigentümer. Auch dieser Betrieb erhielt eigene Anschlussgleise für den Bahnversand des aufbereiteten Kalksteins. Innerbetrieblich erfolgte der Transport des Rohsteins zur Aufbereitung und Verladung ebenfalls gleisgebunden und querte dabei störend über die Fläche, die einzig zum Aufbau der notwendigen Abraumhalde zur Verfügung stand. Die Lösung bestand im Bau und der Überkippung eines 160 m langen Fördertunnels, der dabei auch das Gleis der Bahnlinie Wülfrath-Tönisheide unterqueren musste.

August Thyssen erwarb 1896 ein bisher bäuerlich genutztes ca. 100 Hektar großes Kalksteingelände östlich der sogenannten Kohlenstraße in Schlupkothen. Unter dem Namen Thyssen & Co, Abt. Kalkwerke Wülfrath wurde 1898 der Steinbruch großflächig aufgeschlossen, ein Brennbetrieb mit einem dreiflügeligem Ringofen und sechs mit Generatorgas betriebenen Schachtöfen errichtet. Ab 1899 begann über den fertiggestellten Anschluss an die Staatsbahn Aprath-Wülfrath der Versand von Kalkstein und Kalk. Eine spätere Erweiterung des Steinbruches wurde durch die nach Westen erfolgte Verlegung der Kohlenstraße ermöglicht. Nach endgültiger Erschöpfung der erreichbaren Vorräte dieser Lagerstätte musste die Förderung 1959, der Brennbetrieb 1961 eingestellt werden.

Steinbruch-Belegschaft des Werkes Schlupkothen, etwa 1905
Bezeichnenderweise ebenfalls im Jahre 1896 erwirbt das 1887 gegründete Unternehmen Rheinisch-Westfälische Kalkwerke (RWG) AG mit Sitz in Wuppertal-Dornap zwei bereits im östlichen Wülfrath tätige Kalkwerke: • Das von C. Lohmeyer 1887 gegründete und von den Gebrüdern Hein 1889 übernommene Kalkwerk Hammerstein. Steinbruch und Brennbetrieb lagen südlich der Straße Hammerstein – Schlupkothen. Es betrieb bereits einen Ringofen, 1891 wurde zusätzlich ein Trichterofen errichtet. Der Betrieb wurde 1921 stillgelegt, der Steinbruch von der Stadt Wülfrath gepachtet und ab 1972 als Boden- und Bauschuttdeponie bis 1982 genutzt und verfüllt. • Das von H. Rossmüller 1889 gegründete Werk nach Kauf des südöstlichen Teiles derjenigen Lagerstätte, die später insgesamt als „Bochumer Bruch“ abgebaut wurde. Der Brennbetrieb, bestehend aus einem 1890 errichteten Ringofen und einem 1894 errichteten Trichterofen, lag mit einem Anschlussgleis an der zum Bahnhof Wülfrath führenden Bahnlinie.
Im Jahre 1903 erwarb die maßgeblich durch August Thyssen initiierte, neu gegründete Fa. Rheinische Kalksteinwerke GmbH westlich von Wülfrath weitere Kalksteinlagerstätten. Durch die in den Jahren 1901-1903 gebaute Eisenbahnstrecke Ratingen-Wülfrath war somit in idealer Weise die langfristige Versorgung der Gesellschafter gesichert. 1917 fusionierte die neue GmbH mit der Schlupkothener Thyssen & Co.


Umbrüche in der Nachkriegszeit

In den 1950er Jahren kam es zu einem wesentlichen Umbruch in der Wülfrather Abgrabungslandschaft, da 1952 zuerst der Steinbruch Hammerstein, dann 1958 der Bochumer Bruch und schließlich 1959 auch der Steinbruch Schlupkothen wegen Erschöpfung stillgelegt wurden. Nach 60 Jahren waren die Steinvorräte in Schlupkothen erschöpft. Der Brennbetrieb wurde 1961 stillgelegt. Ab dann übernahm der Betrieb Flandersbach mit den Steinbrüchen Prangenhaus und Rohdenhaus die Versorgung der Eisen- und Stahlindustrie im Westen des Ruhrgebietes.

Schrägaufzüge im Steinbruch Prangenhaus, um 1960.
Damit endete die Kalksteingewinnung im östlichen Wülfrather Stadtgebiet. Die Kalksteingewinnung konzentrierte sich nunmehr auf den westlichen und nördlichen Teil des Stadtgebietes in den Steinbrüchen Prangenhaus, Dachskuhle und Rohdenhaus. Die alten Steinbrüche wurden der Folgenutzung und Wiederherrichtung zugeführt, im Steinbruch Schlupkothen entstand nach Einstellung der Sümpfung ein Grundwassersee. Hier wurden erste wertvolle Erfahrungen mit der Wiederherrichtung alter Abgrabungen gesammelt, die später dann Grundlage aller zukünftigen Rekultivierungsmaßnahmen am Standort Wülfrath wurden. Beide Steinbrüche sind seit langem schon geschützte Bereiche und der Öffentlichkeit nur sehr beschränkt oder gar nicht zugänglich. Der Steinbruch Hammerstein diente als Boden- und Bauschuttdeponie und wurde ordnungsgemäß abgeschlossen und rekultiviert.


Rheinkalk GmbH, Werk Flandersbach in Wülfrath

Die Konzentration der Produktion auf den Betriebsteil Flandersbach hatte auch eine weitergehende Modernisierung und kontinuierliche Kapazitätssteigerung in den 1950er und 1960er zur Folge. Es wurden Drehrohröfen errichtet zur Kalk- und Zementerzeugung, eine Zementfabrik wurde 1957 in Betrieb genommen und im Jahre 1976 wurde die Wülfrather Zement GmbH gegründet.

Schachtöfen im Werk Flandersbach. Foto 2015.
Drehrohrofen im Werk Flandersbach. Foto 2015.
Im Jahre 1996 wurde der Steinbruch Prangenhaus stillgelegt und als Sedimentationsbecken in Betrieb genommen, das Sedimentationsbecken Eignerbach ist seit dem Jahr 2000 außer Betrieb u

Kalksteinbruch Rohdenhaus-Nord. Foto 2015
Ein neues Kapitel der Geschichte der Bergischen Kalkindustrie wird in den letzten 20 Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschrieben. Die großen Muttergesellschaften konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft Eisen und Stahl und beginnen sich von den peripheren Aktivitäten zu trennen. So von ihren Rohstoffunternehmen und den auf dem Hüttengelände arbeitenden Betrieben zur Verwertung des aus der Roheisenschlacke durch eine abschreckende Kühlung entstehenden Hüttensandes; von Kalkstein, Kalk und Hüttenzement. So erwarb die zementorientierte Readymix-Gruppe ein solches Paket und damit auch die RWK AG von den Dortmunder Hütten, die kalkorientierte Lhoist-Gruppe ein solches von Thyssen und damit auch die RKW GmbH.

Ein weitergehender Tausch unter den neuen Eignern führt dann schließlich dazu, dass der Hüttensand, aufgrund seiner latent-hydraulischen Eigenschaft die Basis der sog. Hüttenzemente, allein von Readymix vermarktet wird.

Im Jahre 1999 wurden die beiden Alt-Gesellschaften Rheinisch-Westfälische Kalkwerke AG (RWK) und Rheinische Kalkwerke AG (RKW) unter dem Dach der Group Lhoist, einem global tätigen, belgischen Kalkunternehmen mit Sitz in Limelette, zur neuen Gesellschaft Rheinkalk GmbH mit Sitz in Wülfrath vereinigt.


Ausstellungsprojekt „Zeittunnel“ im Bochumer Bruch

Das bisher einzige und insofern zentrale Dokumentation und Ausstellungsprojekt zur Kalkindustrie in Wülfrath befindet sich am „Bochumer Bruch“. Seit 2003 ist dort der zum Bochumer Bruch 1926 angelegte Tunnel als „Zeittunnel“ der Öffentlichkeit zugänglich mit einer erdgeschichtlichen Ausstellung vom devonischen Riff bis zur heutigen Zeit und zur Industriegeschichte der Kalkindustrie in der Region. Am Ende des Zeittunnels bieten sich den Besuchern spektakuläre Blicke in den stillgelegten Bochumer Bruch, der wie alle aufgelassenen Steinbrüche ein wertvoller Lebensraum für geschützte Arten, allen voran dem Uhu, ist. Der Bochumer Bruch wurde 2002 vom Deutschen Alpenverein erworben und wird als Klettergebiet in genau abgegrenzten Bereichen genutzt.



Literatur

50 Jahre Rheinische Kalksteinwerke Wülfrath. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Kalkindustrie, Wülfrath 1903 bis 1953,

Gotthardt R. und Meyer, O: Vom Kalkgewerbe zur Kalkindustrie im Niederbergischen in Erdgeschichte - Fossilien, Gesteine und Mineralien, Schriftenreihe: Natur beobachten und kennenlernen Bergisches Land (Hg: Dr. Wolfgang Kolbe, Fuhlrott-Museum Wuppertal, Bd 5), Wuppertal ?

N.N. Die Geschichte vom Kalk. Festschrift der RWK AG anlässlich des 75jährigen Bestehens

Arnold, Paul: Die Kalkindustrie am Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges, Heft 16, Arbeiten zur Rheinischen Landeskunde, Bonn 1961

Bauckhage, Ulrich: Zum Beispiel: Wülfrath 1919 – 49, Der Weg einer deutschen Kleinstadt durch den Nationalsozialismus, Essen 1988

Bauert-Keetmann, Ingrid: Geschichte der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke, Dornap, Diss. Wuppertal-Elberfeld, o.J.

Eggerath, Hanna: Im Gesteins, Erkrath, 1997

Kasig, Werner: Geschichte der deutschen Kalkindustrie (hg. vom Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e.V.), Köln 1992

Kasig, Werner/ Weiskorn, B. : Zur Geschichte der deutschen Kalkindustrie und ihrer Organisationen, (Hg.: Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e.V.)Aachen 1992

Lehmann, H.; Mathiak, H.; Thomas, P. „Beitrag zur Kennzeichnung der Zusammensetzung und zur Beurteilung der Aufbereitbarkeit ofenfallender Branntkalke“, Tonind.-Ztg. 91(1967), Nr. Die qualitativen Eigenschaften von ofenfallenden Branntkalken“ Tonind.-Ztg. 96(1972), Nr. 11

Plesser, Alfred: Die rheinsich-westfälische Kalkindustrie im Rahmen der deutschen Kalkindustrie, Inaugural-Dissertation, Universität Köln, Elberfeld 1927

Reising, Paul: Der Kalkofen am Eskesberg, Wuppertal 1989

Reising, Paul: Der Eulenkopfweg, in: Schriftenreihe: Natur beobachten und kennenlernen Bergisches Land Bd. 1 (Hg: Wolfgang Kolbe, Fuhlrott-Museum, Wuppertal ?

Rothe, Ferdinand: 50 Jahre Rheinisch-Westfälische Kalkwerke, Dornap, 1887 – 1937. Rheinisch-Westfälische Kalkwerke (Hg.), Dornap 1937

Rheinisch-Westfälische Kalkwerke (Hg.), Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens der Aktiengesellschaft Rheinisch-Westfälische Kalkwerke Dornap, Dornap, Juli 1912

Schiele, E. / Behrens, L.W.: Kalk,Herstellung – Eigenschaften – Verwendung, Düsseldorf 1972

Werner, Verena: Die historische und räumliche Entwicklung der Kalkindustrie im Raum Wülfrath unter besonderer Berücksichtigung der Folgenutzung beanspruchter Flächen, Ruhr-Universität Bochum, August 2007

Wieduwilt, Armin: Kalkgewerbe und Kalkindustrie am Ostrand von Wülfrath zwischen 1800 und 1960, Wülfrath 2004

Firmenschriften und interne Unterlagen der Rheinischen Kalksteinwerke GmbH, heute Rheinkalk GmbH, Wülfrath

Firmenschriften und interne Unterlagen der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke AG, insbesondere: Wir Kalkwerker 8/1970 Wir Kalkwerker, 20/1956

Firmenschriften und interne Unterlagen der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke AG, insbesondere: Wir Kalkwerker 8/1970 Wir Kalkwerker, 20/1956