Severinsbrücke
Köln
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Nadine Kapfhammer : Die Severinsbrücke in Köln
Literatur





Nadine Kapfhammer
Die Severinsbrücke in Köln

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren alle Brücken in Köln stark beschädigt, sodass diese zu Beginn der fünfziger Jahre wiederaufgebaut wurden, um eine ausreichende Infrastruktur über den Rhein zu gewährleisten. Die bis dahin bestehenden Brücken konnten jedoch der steigenden Verkehrsbelastung nicht gerecht werden, sodass der Generalverkehrsplan der Stadt Köln von 1956 zwei weitere Rheinbrücken vorsah, die heutige Zoobrücke und Severinsbrücke. Entworfen wurde die als Schrägseilkonstruktion konzipierte Severinsbrücke von dem Architekten Gerd Lohmer (1909 - 1981) und dem Ingenieur Fritz Leonhardt (1909 - 1999). Beide waren zuvor schon an mehreren Kölner Rheinbrücken beteiligt waren. Gerd Lohmer entwarf drei von den insgesamt sieben Rheinbrücken (Deutzer Brücke, Severinsbrücke, Zoobrücke). Fritz Leonhardt war ein einflussreicher Ingenieur des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammt etwa der Fernsehturm in Stuttgart.

Einweihung der Severinsbrücke am 7. 11. 1959 mit Kardinal Josef Frings und Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Nach etwa drei Jahren Bauzeit (Mai 1956 bis November 1959) wurde die Severinsbrücke als erster Kölner Brückenneubau nach dem Zweiten Weltkrieg feierlich am 7. November 1959 durch den ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer eingeweiht. Ursprünglich standen insgesamt sechs Fahrspuren mit Straßenbahngleisen zur Verfügung. Seit 1981 besteht die Brücke aus vier Fahrbahnen mit separatem zweigleisigen Stadtbahnkörper und Geh- sowie Radwegen auf beiden Seiten. Heute verbindet die Brücke das Severinsviertel mit dem Stadtteil Köln - Deutz und ist sowohl aus dem Kölner Stadtbild, als auch in ihrer Nutzung als verkehrliche Verbindung nicht mehr wegzudenken.

Schrägseilbrücken

Konstruktionstypen der Schrägseilbrücken
Entscheidend für die Konstruktion der Schrägseilbrücke sind die Kabel und der Pylon, die miteinander verbunden sind und die Lasten abtragen. Dabei wird, im Gegensatz zur Hängebrücke, wo der Zug der Kabel von den Ankerblöcken abgefangen wird, der Zug der Kabel von den Pylonen aufgenommen. Das Erscheinungsbild einer Schrägseilbrücke ist abhängig von der Anzahl der Pylone und der Art der Seilabspannung. Üblich sind ein bis zwei Pylone, wobei es auch durchaus Beispiele mit mehr als zwei Pylonen gibt. Ein Beispiel dafür ist die Brücke „Viaduc de Millau“ in Südfrankreich mit sieben Pylonen. Sie wurde von 2001 bis 2004 als Autobahnbrücke erbaut und gilt heute zum einen mit 2460m als längste Schrägseilbrücke der Welt und zum anderen weist sie die höchste Anzahl an Pylonen auf. Norman Foster war unter anderem maßgeblich an der Ausgestaltung der Brücke beteiligt. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass die maximale Pfeilerhöhe 343m beträgt, wohingegen der Eifelturm an der Spitze 324m misst. Bei der Art der Seilabspannung unterscheidet man zwischen drei Systemen: dem Harfen-, Bündel- und Fächersystem. Bei dem Harfensystem werden die Seile parallel zueinander abgespannt, wodurch die Zugkraft schlechter ausgenutzt wird. Das Bündelsystem zeigt, dass die Kabel an einem Punkt zusammenlaufen. Der Nachteil hierbei ist das Platzproblem am Kopf des Pylonen bei einer größeren Anzahl an Seilen. Das Fächersystem als eine Mischung aus den beiden eben beschriebenen Systemen wurde für den Bau der Severinsbrücke gewählt. Die erste Brücke, die nach dem Prinzip dieses Typs gebaut wurde, kommt aus Fribourg in Frankreich. Sie wurde 1784 aus Holz gebaut. Allerdings setzte sich die Schrägseilbrücke erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch. Vor allem in Frankreich und England entstanden zu dieser Zeit viele solcher Schrägseilbrücken. Die sehr schlanke Konstruktionsweise, die Wirtschaftlichkeit und die Leichtbauweise der Fahrbahn waren einige Gründe für die Verbreitung dieses Brückentyps.

Theodor-Heuss-Brücke Düsseldorf. Foto 2015. Jürgen Gregori / Euskirchen
Der erste, unausgeführte Entwurf für eine Schrägseilbrücke in Deutschland war schon 1948 für die Erneuerung der Mülheimer Brücke vorgelegt worden. Erstmals verwirklicht wurde das Schrägseilprinzip 1955 durch ein deutsches Unternehmen in Schweden (Strömsund Brücke), und das früheste Beispiel in Deutschland war die Theodor-Heuss-Brücke (1953-57) in Düsseldorf. Es war der Pionierbau einer eindrucksvollen Familie von Schrägseilbrücken, die, gestaltet von Friedrich Tamms, den Rhein bei Düsseldorf überspannen. Durch die Severinsbrücke (1956-59) erhielt Köln seine erste Schrägseilbrücke. Nach einem Wettbewerb war erneut Gerd Lohmer der Architekt. Die Entscheidung für eine Schrägseilbrücke an dieser Stelle war nicht allein wirtschaftlich motiviert. Man wollte mit einer asymmetrischen Lösung, mit einem Einzelpylon am rechten Rheinufer, einen Kontrapunkt (so auch der Deckname für Lohmers Entwurf im Wettbewerb) in der Silhouette der Stadt zu den zahlreichen. Kirchentürmen und besonders zu den Domtürmen am Westufer des Rheins schaffen.


Severinsbrücke

Fotomontage zum Wettbewerbsentwurf „Kontrapunkt“, vorgelegt von Gerd Lohmer und Fritz Leonhardt.
Die asymmetrische Anordnung des 77,20m hohen Dreieckspylon der Severinsbrücke galt damals jedoch als völlig neu und wurde in der internationalen Bewertung als architektonisches Meisterwerk gefeiert. In der Gestaltungsidee setzt der asymmetrisch liegende Einzelpylon am rechten Rheinufer einen dezenten Kontrapunkt zu den zahlreichen Kirchen- und Domtürmen.

Mit gleichzeitiger Überbrückung der Hafeneinfahrt zum Deutzer Hafen und des Rheinauhafens hat die Severinsbrücke eine Spannweite von 334 Metern. Die Fahrbahn ist an einem einzigen Pylon in A-Form aufgehängt. Die patentverschlossenen Seile verbinden wie zwei Strahlenbündel den Pylonenkopf mit der Fahrbahn. Die Fahrbahn selbst ist als Kastenträger mit zwei separaten Kammern ausgebildet. Erneut beweist die Baugeschichte der Severinsbrücke die bei allen Kölner Rheinbrücken erkennbare Verantwortlichkeit der Planer und Bauherren für die Stadtsilhouette. Die Einpassung wurde hier jedoch weniger durch Unterordnung wie noch bei der Deutzer Brücke, sondern durch Schöpfung einer neuen Dominante geschaffen. Die größere Souveränität gegenüber der Geschichtlichkeit der Stadt kam übrigens auch im Abbruch ganzer Hauszeilen und -blöcke im Severinsviertel zum Ausdruck, um die Zu- und Abfahrten zur neuen Brücke zu ermöglichen.


Instandsetzungsmaßnahmen

Sanierungsarbeiten am Pylon der Severinsbrücke. Im Vordergrund die mobile Arbeitskabine.
Nach etwa dreißig Jahren uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit wurde 1988 der Korrosionsschutzanstrich flächendeckend und mit Hilfe von Befahranlagen erneuert. Diese Instandsetzungsmaßnahme betraf den Dreieckspylon, die Kabel und die Unteransicht des Balkenträgers. Als Korrosionsbeschichtung wurde das System der Deutschen Bahn AG verwendet, welches sich aus Zinkstaub, Epoxidharz und einer Polyurethandeckbeschichtung zusammensetzt. 2009 wurde das Geländer der Brücke erneuert und auf eine Höhe von 1,30m gebracht, damit die heutigen Sicherheitsanforderungen erfüllt werden konnten. 2010 bis 2013 erfolgten umfangreiche Arbeiten zur Erneuerung des Korrosionsschutzes des Pylons (außen) und der abgespannten Trägerseile. Da der Pylon und die Seile tragende Elemente der Konstruktion sind und somit auch nicht zur Erneuerung entfernt werden können, muss vor Ort die Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen werden. Eine Volleinrüstung der Brücke ist nicht möglich, da zum einen die Seile leicht gedreht zur Horizontalachse verlaufen und zum anderen musste die uneingeschränkte Nutzung für den täglichen Verkehr (80.000 Autos) gewährleistet sein. Somit wird für die Erneuerung der Seile mit einer mobilen Arbeitskabine gearbeitet, die sich entlang der Seilachse bewegt. Für das Pylon wird ein Trägergerüst beziehungsweise ein Schutzdach als Arbeitsplattform errichtet, das sich über die gesamte Brückenbreite mit Fahrbahn und Geh- und Radwegen erstreckt.

Für die Korrosionsschutzmaßnahmen seit 2010 wurde die vorhandene Beschichtung des Pylons (außen) und der Kabel mittels Druckluftstrahlen entfernt. Nach der „Säuberung“ wurde an dem Pylon die neue Beschichtung mit Hilfe von Befahranlagen aufgetragen. Zunächst wurde die Grundbeschichtung aus Zinkstaub aufgetragen, bevor darüber Zinkphosphat als Kantenschutz verwendet wurde. Bevor man als letzten Schritt die Deckbeschichtung in Kölner Brückengrün aufgetragen hat, wurde davor noch Eisenglimmer als Zwischenschicht auf den Pylon aufgetragen.

Untersicht unter die Fahrbahn der Severinsbrücke mit den beiden Kastenträgern.
Sanierungsarbeiten an den Tragseilen.
Der Schutzaufbau der Kabelbeschichtung weicht von dem der Pylonbeschichtung ab, da dort ein spezielles Seilbeschichtungssystem entwickelt wurde. Bevor die alte Beschichtung mittels Druckluftstrahlen entfernt wurde, mussten zum einen die Kabelschellen, zum anderen der Fugenkitt gelöst werden. Danach folgten das Auftragen zweier Grundbeschichtungen und das Verkitten der Seilzwickel beziehungsweise der Kehlen. Daraufhin wurde die erste Zwischenschicht angebracht, bevor die neu behandelten Kabelschellenmontiert wurden. Im Tausalzsprühbereich wurde dann die zweite und dritte Zwischenbeschichtung aufgetragen. Als Letztes wurde, wie auch bei dem Pylon, das Kölner Brückengrün als oberste und sichtbare Schicht angebracht. Zusätzlich zu diesen erwähnten Reparaturen müssen die Kabel und Auflagerkonstruktionen innerhalb des Pylonkopfes
korrosionstechnisch bearbeitet und verbessert werden. Während solcher Instandsetzungsarbeiten können jedoch auch immer wieder Fehlstellen gefunden werden, an die sich die Arbeitsplanung anpassen und umorganisieren muss. So wurden zum Beispiel bei der Entkittung der Seilzwickel Hohlräume innerhalb der Kabel festgestellt, die nach mehreren Arbeitsschritten mit systemkonformen Verpressmaterial geschlossen werden mussten. Für die weiteren Arbeiten an der Brücke mussten zudem Hilfsschellen angebracht werden, die vor der Montage der ersten 6-m-Bühne aus Sicherheitsgründen eingesetzt wurden.


Fazit

Severinsbrücke von Süden. Foto 2018. Achim Bednorz / Köln
Ein solches Brückenbauwerk wie die Severinsbrücke in Köln zeigt, dass die Instandhaltung einer komplexen Planung und Organisation unterliegt. Da der Severinsbrücke eine enorm wichtige verkehrliche Bedeutung zukommt, muss eine konstante Nutzung auch während der Bauarbeiten gewährleistet sein. Dies bedarf des Einsatzes von Schutzdach, Pylongerüst und Befahranlage, um die lokale oder flächendeckende Korrosion des Stahls fachgerecht zu behandeln. Dass während der Instandsetzungsmaßnahmen auch immer wieder weitere „Problemstellen“ gefunden werden, ist wohl unvermeidbar. So wurden, wie bereits erwähnt, Injektionsfehlstellen an den Kabeln gefunden, an die sich der Zeitplan der Arbeitsplanung zwingend anpassen musste. Trotz der Einzigartigkeit der Severinsbrücke können daher nicht alle Probleme im Vorfeld eingeschätzt werden. Eine flexible und organisierte Planung seitens der Ingenieure kommt somit einer enormen Bedeutung zu und ist Grundvoraussetzung für die Pflege der Brücke. Trotz der Instandsetzungekosten, die ein Vielfaches der ursprünglichen Baukosten (25,3 Mio DM) erreicht haben, gilt es, dass Objekt als geschichtliches und kulturelles Zeugnis zu wahren und zu pflegen.


Links

http://www.k-poll.de/12_bruecken/60_severinsbruecke.html. Abgerufen am 12.06.2013.

http://www.express.de/koeln/severinsbruecke-nach-absturz-von-metallteilen- gesperrt,2856,21593888.html. Abgerufen am 1.07.2013.

http://www.stadt-koeln.de/4/bruecken/severinsbruecke/. Abgerufen am 24.05.2013.

http://www.stadt-koeln.de/4/bruecken/severinsbruecke/05813/. Abgerufen am 24.05.2013.

http://www.koeln-magazin.info/severinsbruecke.html. Abgerufen am 24.05.2013.

Sczyslo, Frank. Teupe, Josef. Sanierung der Severinsbrücke in Köln. http://www.zeitschrift-brueckenbau.de/archiv/brueckenbau_2011_04.pdf. Abgerufen am 1.07.2013.


Literatur

Heß, H.: Die Severinsbrücke Köln, in: Der Stahlbau 29, 1960, S. 225-261

Stadt Köln (Hg.): Kölner Rheinbrücken 1959-1966. Severinsbrücke 1959, Zoobrücke 1966. Zur Einweihung der Zoobrücke am 22. November 1966, Berlin o. J. (1966)

Vogel, G.: Die Montage des Stahlüberbaus der Severinsbrücke Köln, in: Der Stahlbau 1960, S. 269-293

Schüßler, Karl/ Braun, Franz: Wettbewerb 1954 zum Bau einer Rheinbrücke oder eines Tunnels im Zuge Klappergasse/Gotenring (Severinsbrücke), in: Der Stahlbau 26, 1957, Heft 8-11, S. 205-217, 253-274, 294-312, 326-348

Pfennig, Jörg: Über Brücken. Köln und der Rhein, Köln 1994.