Rheinauhafen | Drehbrücke
Am Schokoladenmuseum




Alexander Kierdorf
Die Drehbrücke im Rheinauhafen Köln

Drehbrücken gehören zur Kategorie der „Beweglichen Brücken“, zusammen mit Klappbrücken und Hubbrücken. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die unbegrenzte Höhe einer Durchfahrt durch temporäre Entfernung des Übergangs herstellen. Alternativen sind (sehr teure) Tunnel oder sehr hohe Übergänge, verbunden mit den dazu notwendigen langen oder steilen Auf- und Abgängen (siehe die Brücken am Mülheimer und Niehler Hafen). Als Mitte des 19. Jahrhunderts die erste neuzeitliche Rheinbrücke konzipiert wurde, bestand die Rheinschifffahrt auf einer beweglichen Öffnung, wie sie mit den damals zur Verfügung stehenden technischen Mitteln nicht realisierbar war. Trotzdem entstanden mehrere Entwürfe für solche Brücken in Köln. Gebaut wurde ein solcher Brückentyp erst 1894 mit der Towerbrücke in London. Als schließlich die im Herbst 1859 die fertig gestellte Dombrücke als Gitterkastenbrücke entstand, löste man das Problem, indem mit hohen staatlichen Mitteln die Masten aller Rheinschiffe zum Umklappen eingerichtet wurden.

Einfache, handbetriebene Drehbrücken gab es wohl bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Im von Kanälen durchzogenen Papenburg haben sich solche einfachen hölzernen Drehbrücken erhalten. Auch eiserne Drehbrücken sind wohl um 1850 schon vereinzelt gebaut worden. Die fast gleichzeitig mit der Kölner Rheinbrücke 1860 errichtete Eisenbahnbrücke zwischen Kehl und dem damals (noch) französischen Elsaß besaß aus verteidigungstechnischen Gründen an einem Ende eine Drehbrücke, die tatsächlich auch im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 gesprengt wurde. Auch der Kölner Rheinauhafen in seiner ersten Fassung besaß neben dem damals entstandenen Malakoffturm eine Drehbrücke (um 1860) über die allerdings wenig bekannt ist.


Drehbrücken entwickelten sich vor allem im Kanal- und Hafenbau. So war die 1877 errichtete Drehbrücke des Mainzer Winterhafens bis zu ihrem Neubau 2009 wegen „Sprödbruchgefahr“, also Materialermüdung, erhalten; auch beim Ausbau des Duisburg-Ruhrorter Hafens kamen Drehbrücken zum Einsatz.


Entscheidend für die technische Entwicklung der Drehbrücken ist die Gestaltung des Drehpunktes. Hier entwickelte man unter Mitwirkung von Johann Wilhelm Schwedler – er war nach dem Gewinn des Wettbewerbs für die Kölner Dombrücke in Berlin zum führenden deutschen Brücken- und Stahlbauingenieur aufgestiegen – den sogenannten „Königstuhl“, eine mechanische Konstruktion, mit deren Hilfe die Brücke leicht angehoben und dann mechanisch gedreht wird. Keine Rolle spielen die Auflager. Führend im Bau derartiger Drehbrücken war die „AG für Eisenindustrie und Brückenbau vorm. J. C. Harkort“ in Duisburg (bekannt als „Gesellschaft Harkort“), eines der ältesten, größten und wichtigsten deutschen Brückenbauunternehmen, das eine Vielzahl solcher Anlagen im In- und Ausland erstellte. Wie in anderen Fällen (Schiffshebewerk Henrichenburg) arbeitete sie für die Mechanik mit der Düsseldorfer Firma Haniel & Lueg zusammen. Sie bauten auch die beiden Kölner Drehbrücken, die im Abstand von fast einem Jahrzehnt entstanden. Beides sind ungleichschenkelige, ausbalancierte Brücken, die – ähnlich wie das „Blaue Wunder“ in Dresden – konstruktiv eine Mischung zwischen Fachwerkträger und versteifter Hängebrücke darstellen.


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Ansicht des Rheinauhafens mit der Drehbrücke im Vordergrund, um 1900
Die Brücke über die Einfahrt zum Rheinauhafen wurde bereits am 5. August 1896 eröffnet, während die Zollbauten auf der Halbinsel noch im Bau waren. Sie besitzt einen elektro-hydraulischen Antrieb, der im benachbarten Malakoffturm untergebracht ist – unabhängig von dem heute nicht mehr existierenden, ungleich größeren hydraulischen System, das unter anderem die Kräne antrieb und vom „Krafthaus“ neben dem Hafenamt ausging.


Der bis heute unveränderte Vorgang des Drehens wird in zeitgenössischen Texten so beschrieben:


„Der Steuermechanismus, der von einem Mann bedient werden kann, liegt auf der Brücke. Sobald der Steuermann mit Hilfe eines Handrades hochgepresstes Wasser von 50 Atmosphären Druck in den Presscylinder eintreten lässt, hebt sich die Brücke um 112 mm, wodurch sie von ihren sämtlichen 6 Auflagern frei wird, so dass sie in dieser schwebenden Lage leicht gedreht werden kann. Das Anheben dauert 30 Sekunden. Die Drehung der Brücke erfolgt mittels eines zweiten steuernden Handrades ebenfalls durch horizontal in der Kammer gelagerte Kolben, indem diese mit Hilfe einer großen Gall’schen Kette, die am Drehzapfen in eigenartiger Weise befestigt ist, die Brücke nach der einen oder anderen Richtung ziehen. Bei der Drehung, die etwa 30 Sekunden währt, schwimmt also die Brücke auf dem gepressten Wasser.“


Mit 18 zu 28 m Armlänge und 10 m Breite ist die Drehbrücke des Rheinauhafens eher klein – es gibt Brücken mit Trägerlängen von weit über hundert Metern. Das Gleichgewicht der Brückenhälften wird durch unterschiedlichen Belag (Holz/Stein) hergestellt. Durch die Ungleicharmigkeit werden ein freistehender Brückenpfeiler in der Einfahrt und frei über dem Wasser schwebende Trägerenden verhindert; stattdessen liegt die geöffnete Brücke in eine Aussparung der Kaimauer neben der Durchfahrt. Diese Konstruktion der Rheinauhafenbrücke überzeugte so, dass sie in Deutz im Prinzip wiederholt wurde.


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Ansicht der Drehbrücke heute
Um 1990 wurde die Brücke mit dem ehemaligen Zollamt an Hans Imhoff verkauft, weil sie den Zugang zum Schokoladenmuseum darstellt. Zuvor, in den Jahren 1984 und 1986/87, war sie mit erheblichem Aufwand generalüberholt worden. Entgegen anderer Angaben im Internet ist die Brücke funktionsfähig und wird für die Schifffahrt nach Anmeldung durch Personal des Museums geöffnet.


Während die Kölner Drehbrücken als Denkmale eingetragen, funktionsfähig und nicht abbruchgefährdet sind, wird ein anderes Prunkstück ihrer Gattung, die gleichschenkelige Straßen- und Eisenbahnbrücke mit Mittelpfeiler und zwei Schiffsdurchfahrten im Krefelder Rheinhafen, immer wieder in Frage gestellt: Durchfahrtsbreiten wie Traglast werden als unzureichend empfunden. Vor allem wegen der hohen Sanierungs- und Unterhaltskosten werden etwa in Hamburg noch immer historische Drehbrücken abgebrochen.


Weitere bedeutende historische Drehbrücken befinden sich neben dem erwähnten Mainzer Beispiel in Wilhelmshaven („Kaiser-Wilhelm-Brücke“ mit zwei symmetrischen Drehbrücken, Spannweite 159 m, von 1909), in Bremerhafen sowie in Lübeck. Auch in Großbritannien, etwa am „Liverpool Ship Canal“, in Belgien (Brügge), Frankreich und in Amerika gibt es bedeutende Drehbrücken.