Schamottefabrik Martin & Pagenstecher
Köln, Schanzenstraße 23


Walter Buschmann
Die Schamottefabrik Martin & Pagenstecher

Die Schamottefabrik Martin & Pagenstecher war 1873 mit anfangs 20 Arbeitern durch Heinrich Martin und Ernst Pagenstecher zur Herstellung keramischer Produkte gegründet worden. Abnehmer war die Metall-, Elektrizitäts- und Nahrungsmittelindustrie. Das Unternehmen stellte auch komplette Öfen für Gaswerke, seit 1896 auch hochfeuerfeste und säurebeständige Silica- und Dinassteine für die Metallgrundindustrie her. 1905 entstand das erhaltene Verwaltungsgebäude an der Schanzenstraße. Die 1920er Jahre waren eine Blütezeit des Unternehmens mit 500 Arbeitern und 55 Angestellten. 1926 gab es eine Mehrheitsbeteiligung der Vereinigte Stahlwerke AG, jenes Unternehmens, das für den Bau maßstabsetzender Zechen- und Stahlwerke im Ruhrgebiet, darunter die Zeche Zollverein 12, verantwortlich war. Im Krieg wurde das Werk nur wenig zerstört, erlebte nach Neuordnung der Kapitalverhältnisse nach 1953 noch einmal einen Aufschwung. Nach der Stahlkrise in den 1970er Jahren verlor das Unternehmen an Bedeutung und das Werk in Köln-Mülheim wurde stillgelegt. Nördlich der Schanzenstraße blieb nach Beendigung der Produktion in den 1990er Jahren eine große Gruppe von Fabrikbauten erhalten. Anschließend wurde das Werksgelände in zwei Etappen von der Firma Bauprojektierung und –realisierung Eggerbauer erworben. Turmbau, Ofenhaus und das zwischengelagerte Mahl- und Pressenhaus wurden 1993 auf Antrag des Eigentümers in die Denkmalliste eingetragen.



Turmbau. Aufbereitung der Vollware-Abteilung, 1956/57

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Der Siloturm nach den Umbauten
Der in vier Geschosse aufgeteilte Stahlbetonturm erhebt sich über Rechteckgrundriss (22,5x9m) in einer Höhe von 25,2m. Neben einer Reihe von acht Silobehältern diente der Turmbau zur Rohstoffaufbereitung mit einer Mahlanlage aus Zerkleinerungsmühlen zur Verarbeitung kopfgroßer Quarz- und Tonbrocken. Becherwerke förderten den gemahlenen Ton, Sand und Quarzgranulat in die oberen Behälter. Mit Filtern und Sieben wurde das Granulat in verschiedene Korngrößen klassiert und Zuschlagstoffe beigefügt. Auch im Kellergeschoß standen Maschinen einer Zerkleinerungsanlage. Die Aufbereitungsanlage war auf drei Stockwerke verteilt. Die gemahlenen Rohstoffe wurden über Becherwerke ins oberste Geschoss (heute Architekturbüro) befördert und auf dem Weg in die Silos in die verschiedenen Qualitäts- und Korngrößensorten sortiert. In einem nicht mehr existierenden Anbau (in Richtung Schanzenstraße) war die sogenannte Heißaufbereitung untergebracht. Hier wurden die mit Hilfe von Dampf anstelle von Wasser warm verarbeiteten Massen hergestellt. Dies war innerhalb der Branche eine absolute Spitzentechnologie von Martin & Pagenstecher. Der Turmbau wird nach der Umnutzung 1993 unter Einzug neuer Geschoßdecken mit heute insgesamt sieben Ebenen etagenweise vermietet. Die Silos wurden unter Erhaltung der Ausfüllstutzen entfernt. In dem weitgehend verglasten Obergeschoß entstand ein Architekturbüro. Die Fenster wurden dazu unter Beibehaltung der Sprossenstärke mit dünnem Mehrscheiben-Isolierglas erneuert. Mit einer von der ursprünglichen Farbgebung (blassgelb) abweichenden Farbigkeit in leuchtendem Rot ist der Turmbau zum markanten Mittelpunkt des weitgehend umgenutzten Gewerbeareals geworden.



Mahl- und Pressengebäude, (Geb. 27) 1890er

Aus den Silos gelangten die Rohstoffe in Doppelwellen-Mischer und von dort in drei angekuppelte automatische Vorformanlagen, den sogenannte Strangpressen, zur Herstellung der einzelnen Steinformate (Silicia- und Dinassteine). Dieser Teil der Verarbeitung erfolgte im Trakt zwischen Turmbau und Ofenhalle.



Ofenhalle (Geb. 25), 1926/27

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Längsansicht der Ofenhalle
Die 1925/26 nach Brand des Vorgängerbaus neu errichtete Ofenhalle ist ein langgestreckter, dreigeschossiger Bau auf einer Grundfläche von etwa 73 x 23 m. In dem zentralen, über zwei Geschosse reichenden Hauptschiff stand ursprünglich ein Tunnelofen, in dem die Schamottesteine in mehreren Brennphasen die notwendige Festigkeit erhielten. Beeindruckend ist das im Außenbau kaum wahrnehmbare Tragwerk aus einer über drei Felder spannenden Stahlbeton-Rahmen-Konstruktion. Die im Abstand von fünf Metern angeordneten Binder sind entsprechend der statischen Beanspruchung zu den Pfeilern hin verstärkt ausgebildet. Die Schräglinien des Stahlbetontragwerks prägen wesentlich die nur im Innenraum zur Entfaltung kommende, ästhetische Wirkung des Bauwerks. Außen wird die Tragstruktur in den unverkleidet sich darstellenden Decken und Pfeilern der Primärkonstruktion sichtbar. Die Rechteckfelder wurden mit Ziegelmauerwerk ausgefacht. Einfache Rechteckfenster belichten die Geschosse.

Nach einer Zwischennutzung für eine freikirchliche Gemeinde sollte die Ofenhalle – nach den Vorstellungen des Investors – für Bürozwecke umgenutzt werden. Trotz dieser Nutzung sollte die mittlere, doppelgeschossige Halle – soweit als möglich – frei erlebbar gehalten werden. Der Umbau sollte mit einer neuen Mietfläche von ca. 2.500 m2 innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein.


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Innenansicht der Ofenhalle
Die große zentrale Halle verblieb ohne spezifizierte Nutzung. Sie stellt so einen besonderen Fall von Luxus dar: „leerer Raum“. An den Kopfenden der Halle wurden die Konferenzräume angeordnet, aus denen heraus man diesen Luxus erleben kann. Der Aufgang in das Obergeschoss erfolgt über eine große Freitreppe, die auch als Tribüne für Präsentationen oder Vorführungen genutzt werden kann. Die Länge der Obergeschosserschließungen wird durch eine neue, am Fluchttreppenhaus in eine Kommunikationsfläche mündende Brücke halbiert.


Alle Materialien und Ausführungsdetails sind auf die eigentlich zu knappe Bauzeit untersucht worden unter vollständigem Verzicht auf nasse Materialien. Die Konsolen, welche die neue Gangway tragen, sind aus walzblauem, klar lackiertem Stahl. Die Gangwayplatten sind, wie auch Wände, Böden und Decken der Konferenzräume, aus Massivholz: Lärche-Brettstapelelemente.


Die Trennwände zwischen Halle und Einzelbüros mussten soweit wie möglich verglast werden, um die Hallenmitte weiterhin natürlich belichten zu können. Trotz enormer Maßtoleranzen im Bestandsbau wurden alle Elemente vorfertigt, um so die notwendige Flexibilität auf der Baustelle zu erreichen. Konstruiert sind die Elemente aus Lärche-Mehrschichtplatten, Standardtürblättern und Verbundsicherheitsglas, welches in einem Holzfalz trockengeklemmt wurde.


Der ausdrückliche Wunsch des Bauherrn, nur einen Mieter zu akzeptieren, der die Hallenmitte „frei“ lässt und diesen Mieter tatsächlich nach vielfachen Anläufen auch zu finden, hat es überhaupt ermöglicht, diese Industriehalle auch heute noch erleben zu können.



Kaminhaus und Schornstein, 1956/57

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Das Kaminhaus vor den Umbauten
Das zweigeschossige Backsteingebäude mit anschließendem Kamin diente zur Versorgung der umliegenden Hallen mit Wärme. Für den Umbau zu Bürozwecke wurde in den Schornstein eine Wendeltreppe eingebaut.