Zur Erschließung der Kohlefelder waren am Niederrhein mehrere neue Zechen geplant: Walsum 1/2, Walsum 3/4, Wehofen und später Lohberg 1/2, Lohberg 3/4 und Friedrichsfeld 1/2.
1902/03 erfolgten Planung und vorbereitende Grundstückskäufe für die Doppelschachtanlage Walsum 1/2. Der Betriebsplan wurde 1904 genehmigt, 1908-10 Versuchsbohrungen am geplanten Schachtstandort durchgeführt und die Bohrlöcher zur Aufnahme des Gefrierverfahrens niedergebracht. Die Arbeiten wurden jedoch 1910 gestoppt, weil es nicht mehr sinnvoll erschien, gleichzeitig drei neue Doppelschachtanlagen zu erstellen. Während Wehofen und Lohberg noch vor dem Ersten Weltkrieg in Förderung gingen, wurde Walsum auch wegen der technischen Probleme, die der nahegelegene Rhein bedeutete, zurückgestellt.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Arbeiten in Walsum 1921 wieder aufgenommen, doch schon 1923 wegen der Ruhrbesetzung erneut unterbrochen.
Die Abteufarbeiten am Schacht 1 wurden 1927 aufgenommen. 1929 erreichte man das Steinkohlengebirge. Schacht 2 wurde 1930 begonnen und noch in gleichem Jahr bis zum Karbon niedergebracht. Beide Schächte wurden im Gefrierverfahren abgeteuft. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise ruhten die Arbeiten 1931/32. Nach Wiederaufnahme 1933 wurde die vorläufige Endteufe von 850 m 1935 erreicht.
Am Ende des Krieges verursachten Bomben und Granateinschläge Schäden an allen Anlageteilen. Doch nach nur dreimonatigem Stillstand konnte die Zeche im Juni 1945 wieder in Betrieb genommen werden.
In der Nachkriegszeit erfolgte der weitere Ausbau der Zeche nach dem Konzept von Wilhelm Roelen. Über dem nach Wilhelm Roelen benannten Schacht 2 entstand 1954/55 baugleich mit Schacht 1 ein Turmfördergerüst. Beide Schächte wurden über einen vollautomatischen Wagenumlauf verbunden. 1961 erreichte man die von Roelen anvisierte Förderleistung von 10.000 tato (im Jahresdurchschnitt). Bei einem Bergeanteil von inzwischen 36 bis 37 % entsprach das einer Förderleistung von ca. 14.000 t Rohkohle. Nach Tieferteufen der Schächte (5. Sohle = 913 m) und Umstellung des Wilhelm-Roelen-Schachtes auf Skipförderung wurde 1968 sogar eine Förderleistung von 12.000 tato = ca. 16.400 t Rohkohle erreicht.
Im Bereich der Kohleverwertung folgte man nach dem Krieg jedoch nicht mehr dem Konzept von Roelen. Zwar ließ man noch 1951/52 von der Fa. Koppers in Essen Pläne für eine Kokerei mit Nebenproduktenanlage anfertigen, doch wurde auf Grund des wachsenden Strombedarfs die Entscheidung getroffen, statt der Kokerei ein Kraftwerk zu errichten. 1952 bis 60 entstand daraufhin das größte Zechenkraftwerk der Bundesrepublik für Strom-Fremdabgabe auf einer Steinkohlenzeche.
Mit der Konzeptänderung verbunden war leider auch eine Umorientierung in der Gesamtdisposition der Übertageanlage. Symmetrie und Axialität wurden aufgegeben, indem das Kraftwerk vor den Wilhelm-Roelen-Schacht gesetzt wurde. Die Großzügigkeit der Planung wird aber nach wie vor deutlich an der großen Platzanlage, die sich vor dem Franz-Lenze-Schacht erstreckt.
Nach Übergang der Zeche Walsum in die Ruhrkohle AG 1969 entstand 1979-87 als Außenschachtanlage für Bewetterung und Seilfahrt der Schacht Voerde im nördlichen Grubenfeld. Die Förderleistung konnte noch einmal gesteigert werden und erreichte 1989 24.500 tato Rohkohle. 1991 wurde das Kesselhaus des ersten Kraftwerkes abgerissen und 1993 das Erscheinungsbild der Übertagesanlage durch teilweise Verblendung der Backsteinfassaden mit Trapezblechen erheblich beeinträchtigt. Von herausragender historischer Bedeutung der noch in Betrieb befindlichen Zeche ist das Fördergerüst des Franz-Lenze-Schachtes mit den zugehörigen technischen Aggregaten.
Im unteren Viertel der Konstruktion sind die sechs Ständer in Richtung der in die Förderkörbe ein- und ausfahrenden Wagen unter dem Dach der Schachthalle abknickend schräg ausgestellt. Seitlich ist hier zwischen den Ständern zur zusätzlichen Aussteigung K-Fachwerk eingefügt.
Das in Schweiß- und Nietkonstruktion erstellte Fördergerüst folgt in der Profilausbildung der Ständer dem Vorbild der Gerüstkonstruktion für den Schacht 1 der Pattbergschächte in Moers von 1934 und ist ein weiterer Schritt zu den aus geschweißten Kastenprofilen erstellten Konstruktionen der Nachkriegszeit. Allerdings sind die Ständer des Walsumer Gerüstes noch nicht allseitig vollständig geschlossen. Jeweils eine Seite der Ständer ist perlschnurartig mit regelmäßigen, dicht gereihten Öffnungen, die an den Ecken leicht gerundet sind, durchbrochen.
Zwischen der Ständerkonstruktion ist das Führungsgerüst für die viergeschossigen Förderkörbe ohne statische Funktion für die Hauptkonstruktion eingefügt. Auf Höhe der Hängebank befinden sich im Führungsgerüst Schachttore auf vier Ebenen. Zusätzlich zur Hängebank mit den Aufschiebe- und Abzugsvorrichtungen für die Großraumförderwagen (3800 I) sind über und unter der Hängebank drei Bühnen als Zugang der Mannschaften zu den Förderkörben angeordnet. Im Führungsgerüst befinden sich zur Führung der Förderkörbe hölzerne Spurlatten, sowie Prellträger und Fallklinken.
Über der Hauptkonstruktion des Turmgerüste erhebt sich die deutlich schwächer bemessene Konstruktion für die Krananlage zur Auswechslung der Seilscheiben. Das Turmgerüst erreicht mit dieser Kranbahn die imposante Höhe von rund 70 Metern.
Direkt am Fuß des Fördergerüstes sind die beiden Fördermaschinenhäuser als Backsteinhallen mit Flachdächern errichtet worden. Die Hallen haben jeweils Primärkonstruktionen aus Zweigelenkrahmen in Vollwandbauweise. Die Rahmen sind genietet und geschweißt. Die Backsteinaußenwände sind der Primärkonstruktion jeweils vorgeblendet und haben schlanke, hochrechteckige Fenster (teilweise zugesetzt) mit Metallsprossen.
Ausstattung: Elektrofördermaschinen (Fa. AEG, Baujahr 1939 und 1941) mit Treibscheiben (Ø 7,5 m). Die Maschinen hatten ursprünglich Antriebsleistungen von 3700 KW. 1977/79 wurde die Leistung mit Fremdbelüftung auf 4200 KW erhöht. Zu jeder Fördermaschine gehört ein Teufenstandszeiger mit Fahrtregler (Fa. AEG) und Bedienungsanlagen des Fördermaschinisten. Fördergeschwindigkeit: 16-20 m/s. Über den Fördermaschinen befinden sich Doppelbrückenkräne in Vollwandbauweise. In separaten, jeder Fördermaschine zugeordneten Räumen stehen die Umformersätze jeweils mit Drehstrom-Antriebsmotor, Steuermaschine und drei auf gleicher Achse gekuppelten Erreger- und Hilfserregermaschinen.
Nur der Lüfter vor der nördlichen Längsfassade von 1943 ist erhalten. Er besteht aus dem Diffusor über quadratischem Grundriß, Ventilator und dem zum Wilhelm-Roelen-Schacht orientierten Hauptschieber, mit dem die Verbindung zum Schacht unterbrochen werden kann. Das Flügelrad des Ventilators hat einen Durchmesser von 5,95 m und leistete 20.000 m3/min. Diffusor und Umhüllung des Ventilators bestehen aus genieteten und geschraubten Blechplatten. Die Umhüllung des Ventilators wurde kürzlich erneuert. Von dem ersten, 1934 aufgestellten Lüfter sind an der südlichen Längsseite nur noch die Fundamente erhalten.
Die historischen Antriebsmaschinen der Ventilatoren sind nicht erhalten. Der ältere Ventilator von 1933 wurde von einer Tandem-Verbunddampfmaschine mit 2600 PS angetrieben. Der Ventilator von 1943 war mit einem AEG-Asyncronmotor ausgestattet.
Die Zeche Walsum ist ein Dokument für die schon vor der Jahrhundertwende beginnende Expansionstätigkeit des Thyssen-Bergbaus. Neben der Anlage in Walsum wird dieser Bedeutungsaspekt nur noch durch die Zeche Lohberg in Dinslaken dokumentiert.
Die Schachtanlage Walsum 1/2 wurde nach dem in den 1920er Jahren überarbeiteten Konzept zu einer dem der leistungsstärksten Zentralförderschächte des Ruhrbergbaus zu einer Anlage, die in ihrer Größenordnung mit der epochalen Schachtanlage Zollverein 12 vergleichbar war. Um die enorme Förderleistung zu erbringen mußte eine leistungsstarke Fördereinrichtung konzipiert werden, die man mit der Kombination aus Turmgerüst und Elektrofördermaschinen fand.
Das Turmgerüst gilt als letzte Entwicklungsstufe des Pyramidengerüstes. Die Verwandtschaft mit den wohl seit 1892 gebauten Doppelstrebengerüsten ist unverkennbar. Als Vorteile dieser Bauart galten:
• da die Streben entfallen, können die Fördermaschinen ganz eng an den Schacht herangerückt werden; auf dem Zechengelände ergibt sich dadurch ein Raumgewinn, da Schachthalle und Fördermaschinenhäuser als eine Einheit realisiert werden können
• es ergeben sich - im Gegensatz zum Doppelstrebengerüst - kürzere Seillängen zwischen Treib- und Seilscheiben, so daß das Risiko des gefürchteten Seilschlagens reduziert wird
• da die Seile nahezu senkrecht geführt werden, ergeben sich im Fördergerüst kaum Schrägkräfte; die Konstruktion wird nur mit Zug- und Druckkräften belastet und kann leichter dimensioniert werden, wie ein vergleichbares Doppelstrebengerüst.
• Zudem glaubte man mit den Turmgerüsten befriedigendere architektonische Lösungen zu finden, als mit den Doppelstrebengerüsten.
Die Vorteile der seit den 1920er Jahren gebauten Turmgerüste erschienen so groß, daß sie noch in den 1950er Jahren als geradezu optimale Seilscheibenstützkonstruktion galten, die selbst den nach dem Krieg häufiger gebauten Fördertürmen überlegen seien.
Von den erhaltenen und denkmalwerten Turmgerüsten des Ruhrbergbaus (1934 Greisenau 4; 1940-44 General Blumenthal 7) ist das Gerüst des Franz-Lenze-Schachtes von 1938/39 in Walsum entsprechend seiner Aufgabe am größten und kräftigsten ausgebildet. Es dokumentiert die Entwicklung im Fördergerüstbau und weist bereits den Weg zu den Kastenprofilen der Nachkriegszeit. Schachthalle und die beiden Fördermaschinenhäuser mit den Fördermaschinen bilden mit dem Fördergerüst eine funktionale Einheit.
Das aus der Bauzeit der Zeche stammende Lüftergebäude mit Ventilator und Diffensor ist ein Funktionsteil, das seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts das Bild der Übertagesanlagen eines Bergwerks mitbestimmte. Da vergleichbare, ältere Lüfteranlagen inzwischen selten geworden sind wird der Lüfter der Zeche Walsum als Teil des Franz-Lenze-Schachtes als denkmalwert eingestuft.