Zeche Rheinpreussen | Schacht VIII Gerdt
Duisburg, Kohlenstraße 10
Walter Buschmann
Schacht Gerdt in Duisburg | Rheinpreußen 8


Kernstück der Schachtanlage ist der nur wenige hundert Meter vom linken Rheinufer 1955-59 errichtete, von Fritz Schupp gestaltete Förderturm. Der in Stahlfachwerkkonstruktion erbaute Turm ist in seiner Ausprägung hervorgegangen aus seit den 1920er Jahren entwickelten und erstmals umfangreich für den Zentralschacht Zollverein 12 verwirklichten Industriearchitektur von Fritz Schupp, damals noch mit seinem Partner Martin Kremmer. Die Stahlfachwerkarchitektur ist gekennzeichnet durch gestreckt horizontale Gefachausbildungen für die Mittelfelder. An den Gebäudeecken wechseln die Gefachfelder in annähernd quadratische Formate. Die Mittelachsen der vier Turmfassaden sind dabei als durchlaufende, vertikale Fensterbänder mit schlanken, stehenden Scheibenformaten ausgebildet. Auf Höhe der Fördermaschinenbühne wird die aufstrebende Linienführung der Fensterbänder unterbrochen durch Balkone jeweils in ganzer Breite des Fensterbandes. Die Ziegelausfachungen in den Gefachfeldern sind bündig mit den in rot gestrichenen Stahlprofilen gesetzt.

Der Turm wird im unteren Bereich durch kleine, aus der Flucht der Turmfassaden leicht einspringende Anbauten für die Schachthalle flankiert. Diese Anbauten sind ebenso wie der Turm in Stahlfachwerkarchitektur ausgebildet und werden axial von vertikalen Fensterbändern durchbrochen. Am Turm und an den Flügelbauten befinden sich die für die 1930er und 40er Jahre typischen Rinnenkessel mit rautenförmigem Ziermuster über den Fallrohren.

Im Inneren wird die Konstruktion des Turmes unter der Fördermaschinenebene durch äußerst mächtige Fachwerkträger geprägt. Das Fördermaschinengeschoß selbst wird durch an den Ecken sanft gerundete Stahl-Vollwandträger geprägt.

Zur Turmausstattung gehört das durch alle Geschosse bis unter die Fördermaschinenebene reichende Führungsgerüst mit Schachttoren und Einrichtungen des Anschlägers auf Hängebankebene.

Auf der Fördermaschinenebene erhalten ist die Elektrofördermaschine mit zwei Elektromotoren und Treibscheibe. Das Getriebe zwischen Motoren und Treibscheibe von der Gutehoffnungshütte ist laut Typenschild von 1959. Die Treibscheibe für Zweiseilförderung hat einen Durchmesser von 5,0m. Die Fördergeschwindigkeit betrug 10 m/s. Das Steuerpult mit Teufenzeiger und der Fahrtenregler sind aus der Bauzeit des Turmes mit einer verglasten Einhausung für den Fördermaschinisten erhalten. Unter der Fördermaschinenbühne befinden sich zwei Ablenkscheiben.

Auf Fußbodenniveau sind noch die Gleisanlagen für die Materialförderung vorhanden.

Zur Gesamtanlage des Wetter- und Seilfahrtschachtes gehört noch ein Kauen- und Bürogebäude, eine 5-kV-Schaltanlage und die in Beton erbauten Diffusoren der 1978 und 1986 erneuerten Lüfter.

Landmarke und bedeutendes Zeugnis der Bergbaumoderne

Bedingt durch die dichte Rheinlage hat der Förderturm des Schachtes Gerdt die Wirkung einer Landmarke im umliegenden Landschafts- und Stadtbild und ist besonders gut von der nahe vorbeiführenden Autobahn A 42 zu sehen. Der Turm steht auch in einem optischen Wirkungsverhältnis zur eng am Turm vorbeiführenden 1910-12 erbauten Haus-Knipp-Brücke. Der Turm akzentuiert das symmetrisch aufgebaute Linienelement der Brücke durch eine aufstrebende Vertikalform.

eisenhuette
Die Höhe des Förderturms als prägende Landmarke
In architekturgeschichtlicher Hinsicht bietet der Förderturm des Schachtes Gerdt ein weiteres Zeugnis, der von Fritz Schupp und Martin Kremmer seit den späten 1920er Jahren entwickelten Ästhetik der kubisch ausgebildeten Stahlfachwerkarchitektur. Mit den schlichten Rechteckformen greift Fritz Schupp erneut das sein Lebenswerk prägende Thema der vom Bauhaus geprägten Architekturauffassung auf. Dabei sind die sichtbaren Elemente der Stahlkonstruktion zurückzuführen auf die konstruktivistischen Ideen der 1920er Jahre, wobei auch hier in Baerl die zur Queraussteifung des Bauwerks notwendigen Diagonalverstrebungen auf das Turminnere verlagert werden. So ergibt sich die erwünschte ruhige Binnenstruktur der Fassaden, die in ihren kubischen Wirkungen noch unterstrichen werden durch die farblich den Ziegelausfachungen angeglichenen Stahlteile sowie die bündig mit den Stahlprofilen angeordnete Ziegelausfachung und Fensterflächen. Die aus dem Turmkubus vorspringenden Balkone und Flügelanbauten unterstreichen die betont schlichte, auf abgewogene Proportionierung bedachte Formgebung. Typisch für die von Schupp und Kremmer entwickelte Architektursprache ist die vielfach im Werk der Architekten auftauchende Symmetrieelemente. Sie dienen – nach Auffassung der Architekten – zur besseren Vermittlung und Bewältigung großformatiger Baukörper. Die Verwendung großer Glasfläche, hier überwiegend als vertikale Formelemente eingesetzt, gehörten schon in den 1920er Jahren zum Formrepertoire wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von Fritz Schupp aber vermehrt als Stilelement eingesetzt.

Der Schacht Gerdt gehört zudem zur Bergbaugeschichte des linken Niederrheins, verdeutlicht den rheinnahen Abbau von Kohle und die zur Erschließung der großen Kohlefelder notwendige Vielzahl von Schachtanlagen dieser ausgedehnten Bergwerke. Die Idee des aus mehreren Schachtanlagen bestehenden Großbergwerks geht eigentlich schon auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und wurde in mehreren Entwicklungsperioden verfeinert. Um 1930 formulierte der für die Zeche Walsum zum Werksdirektor berufene Wilhelm Roelen dieses Konzept noch einmal auf dem Hintergrund der damaligen technischen Entwicklung. Danach sollte eine leistungsstarke Zentralschachtanlage ergänzt werden durch fünf oder sechs Außenschachtanlagen für Wetterführung, Seilfahrt und Materialtransport. Dieser Idee des Verbundbergwerks folgend sind ergänzend zu den Förderschächten mit ihren komplexen Architekturen kleine Außenschachtanlagen entstanden, von denen einige wenige als Baudenkmale im Ruhrgebiet erhalten werden sollen: Osterfeld IV in Oberhausen, Consolidation 8 in Gelsenkirchen, Minister Achenbach 4 in Lünen, Rote Fuhr in Dortmund, Erin 3 in Castrop Rauxel. Schacht Gerdt soll als weiteres Beispiel dieses Schachttyps zur Überlieferung dieses Aspektes der Bergbaugeschichte beitragen.

In der Ausbildung der Fördereinrichtungen hat es im Ruhrgebiet eine eindrucksvolle Abfolge von Stollenförderung, Schachthausanlagen, Malakowanlagen, Fördergerüst- und schließlich Förderturmzechen gegeben. Der Förderturm mit der Fördereinrichtung direkt über dem Schacht im Turmkopf war die letzte Ausbildungsform eines bergbautypischen Architekturelements. Der Förderturm galt lange Zeit als die Ultima Ratio der Fördertechnik, weil damit die platzraubenden Fördermaschinenhäuser und die ausladenden Streben der Fördergerüste vermieden werden konnten. Zudem war nur mit der Turmform ein vollständiger Witterungsschutz für die Förderseile möglich. Entwickelt wurde diese Idee schon 1876(Zeche Hannover/Bochum). Doch vermehrt eingesetzt wurde die Technik erst seit etwa 1900. Sie erlebte ihre weiteste Verbreitung in den 1950er Jahren. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt auch wieder Fördergerüste gebaut. Als Konstruktionsmaterial setzte sich der Stahl durch. Seltener wurde Stahlbeton, zuweilen auch Backstein verwendet. Der Schacht Gerdt zählt zu den Turmbeispielen mit vollständig umschlossenem Turmschaft.