Glashütte Gerresheim
Düsseldorf-Gerresheim, Heyestr. 190
Objektführer
Peter Henkel
Die Glashütte Gerresheim in Düsseldorf


Geschichte der Glasmanufaktur in Gerresheim

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Portrait von Ferdinand Heye
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Schaubild von ca. 1880
1864 erwarb der Bremer Kaufmann Ferdinand Heye in unmittelbarer Nähe des Bergisch-Märkischen Bahnhofs Land zum Bau einer Glashütte. Ausschlaggebend werden die leichten Transportmöglichkeiten für die zur Glasherstellung notwendigen Rohstoffe Quarzsand, Soda, Kalk und Steinkohle sowie die Versendung der fertigen Produkte gewesen sein. Nach kleinem Beginn mit nur einem Schmelzofen (sog. Hafen) und zwölf aus Driburg angeworbenen Glasmachern waren 1865 bereits 88 Arbeiter in Lohn, die 800000 Flaschen pro Jahr im Mundblasverfahren mit der eisernen Glasmacherpfeife herstellten. Ein wichtiger technischer Schritt erfolgte ab 1881 mit der Umstellung der alten Hafenöfen auf die von Friedrich Siemens entwickelten Wannenöfen, durch die mit einer kontinuierlichen Zuführung des fertigen Schmelzgutes ein Schichtbetrieb und damit eine erhebliche Steigerung der Produktionszahlen möglich war.

Während beim Hafenofen die Glasmasse in tönerne Behälter erschmolzen wurde und diese erst vollkommen leergearbeitet werden mussten, bevor sie mit neuem Schmelzgut gefüllt wurden, diente bei den neuen Öfen die ganze Ofensohle als Schmelzraum. Auf der einen Seite wurde das Schmelzgut stetig eingebracht und auf der anderen Seite das fertige Glas von den Glasmachern verarbeitet.

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Schaubild von 1892
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Luftbild von ca. 1930
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Lageplan von 1951
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Schaubild von 1965
Gleichzeitig mit der notwendigen Vergrößerung der Fabrikanlagen ging die Einstellung von Fachleuten aus Westpreußen, Polen und Russland einher. Zur Erweiterung des dafür notwendigen Finanzkapitals wurde die „Glashütte Gerresheim“ 1888 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In der nunmehr größten Flaschenglashütte der Welt stellten 5300 Arbeiter im Jahr 1902 über 150 Millionen Flaschen her, und dies alleine durch Lungenkraft mit der Glasmacherpfeife. Nach dem Einsatz von halbautomatischen Fertigungsmaschinen, welche die Produktion noch steigerten, brachte der Einsatz der „Owens-Maschine“ 1908 den wirtschaftlichen Durchbruch. Mit diesem Vollautomaten, dessen amerikanische Patente für 12 Millionen Goldmark von einer Gruppe deutscher Glashüttenbesitzer unter Vorsitz von Hermann Heye gekauft wurden, konnten pro Schicht bis zu 16000 Flaschen mit der Bedienung von nur einem ungelernten Maschinisten und zwei Helfern produziert werden. Eine Maschine ersetzte die Arbeit von 75 Glasmachern. 1932 stellte man erstmals Einweckgläser her, welche mit dem 1938/39 eingeführten Logo „G mit Krone „ und dem Markenzeichen „Gerrix-Glas“ weltbekannt wurden. Der II. Weltkrieg brachte eine Zäsur, aber der bald folgende Wirtschaftsaufschwung ab etwa 1950 führte zu einem enormen Bedarf an Glas. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wurden kontinuierlich neue Glaswannen gebaut, der Maschinenpark mit modernsten Neuentwicklungen erweitert und das Betriebsgelände vergrößert. Im Jahr 1979 führte eine allgemeine Marktsättigung zu einem ersten Einbruch in die Produktion. In kurzer Folge wechselnde Mehrheitseigner, welche die Ausrichtung des Werkes auf dem Weltmarkt in ihrem Sinne bestimmten, führte das Werk in den Jahren darauf in einen wirtschaftlichen Schlingerkurs, der mit einem kontinuierlichem Personalabbau einherging.

Von den 1964 beschäftigten 5300 Mitarbeitern sank die Zahl im Jahr 1996 auf etwa 1000. Ab 2004 hieß die Glashütte „BSN-Glaspack/Owens-Illinois“, die bis dahin namentliche Verbindung zu Düsseldorf und Gerresheim verschwand endgültig aus der Firmierung. Nach weiteren Produktionseinschränkungen wurde die Hütte am 31. August 2005 wegen „Unwirtschaftlichkeit und Überkapazitäten“ von einem Tag auf den anderen stillgelegt.



Die E-Zentrale der Glashütte

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Maschinenhaus im Vordergrund, Kesselhaus im Hintergrund. Foto 2011
Die Kombination von dem als E-Zentrale bezeichnete Maschinenhaus mit seinen beiden Bauteilen von 1906 und 1925 sowie das Kesselhaus von 1923 bilden ein deutschlandweit einzigartiges Ensemble. Es dokumentiert sowohl in seiner Architektursprache als auch in seiner Technik die rasante Entwicklung im Kraftwerksbau im frühen 20. Jahrhundert.

Die Glashütte begann 1906, sich durch eine eigene ‚Zentrale’ – eine von einer Kolbendampfmaschine mit 550 KW Leistung angetriebene Anlage – mit elektrischem Strom zu versorgen. Dieses Ziegelbauwerk entsprach mit seiner Architektur weitgehend noch dem Historismus.

In den Folgejahren vollzog sich die umwälzende Weiterentwicklung von der Dampfmaschine zur Turbine.

Der Ausbau der Glashütte steigerte den Energiebedarf, der 1925 zur Erweiterung des Baues und zum Einbau nun einer Turbine mit 1.000 KW Leistung führte. Zusätzlich wurde hier nun auch die Schaltzentrale für die Stromerzeugung und im kirchenähnlichen Turm ein Kühlwasserbehälter untergebracht.

Architektonisch ist der Anbau, neben der frühen Anwendung von Beton, ganz der Formensprache der "Neuen Sachlichkeit" verpflichtet und entspricht schon ganz dem sich zeitgleich durchsetzenden neuen Kraftwerksbau.

Das Kesselhaus
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Kesselhaus, historisches Foto
Mit der Schaltzentrale als technische Einheit verbunden war das 1923 erbaute Kesselhaus. Die strikte Trennung von Kesselhaus und Maschinenhaus entsprach bereits dem Bausystem, das Georg Klingenberg im modernen Kraftwerksbau eingeführt hatte.

Gegenüber seinem niedergelegten Vorgängerbau setzte der neue Bau auf eine weitgehende Mechanisierung der Befeuerung und eine sehr moderne Bauweise. So wurde weitgehend Beton verwendet, dessen Technik damals noch am Anfang der Entwicklung stand. Selbst komplizierte Bauteile wie die Kohletrichter und die Dachträger wurden hier bereits in Beton auszuführen.

Die Dampferzeugung geschah in kohlebefeuerten Wanderrostkesseln, wobei die Kohle über ein Becherwerk, einem Transportband und Schüttrutschen dem Brennraum zugeführt wurde. 1965 wurde – wie in der gesamten Industrie – von Kohle auf Öl-Befeuerung umgestellt. Auch 1987 folgte das Unternehmen einem allgemeinen Trend in der Energieversorgung und stellte auf Gasbefeuerung um.

Zum Kesselhaus gehörte ein 75 Meter hoher Schornstein, der im Zuge der Umstellung auf Gasbefeuerung durch einen kleineren Stahlschornstein ersetzt wurde.


Gerrix-Turm

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Gerrix-Turm. Foto 2011
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Wasserturm, Innenansicht. Foto 2011
Der markante „Gerrix-Turm“ mit dem Wahrzeichen der Hütte, dem G mit Krone, wurde nach Entwürfen des werkseigenen Baubüros 1966 errichtet. Sein 1955 errichteter Vorgänger war 1964 abgebrannt. Als Fundament des Turms fungiert die Kartonagehalle, das Gebäude unter ihm.

Seine Höhe beträgt 49,7 Meter, die Seitenlängen 11 Meter. Die Stahlkonstruktion fasste einen Wasserbehälter für die Berieselungsanlage des Kartonagenlagers bei einem Brandfall. Dabei muss die Fassade aus Difulit-Drahtglas und 2,20 Meter hohen, nur durch Metallschienen gehaltener Glasscheiben einen Winddruck von 110 kg pro qm standhalten. Die Glaswände des Turms haben eine Gesamtfläche von 1.400 qm.

In der Werkszeitung „ Die Glashütte“ von 1966 wird der Turm auch in Hinblick auf seine baugeschichtlichen Stilrichtung treffend beschrieben: „Der gläserne Gerrix-Turm in seiner architektonischen Strenge zeigt weit über die Stadt und das Land ein Anwendungsbeispiel für eines unserer Produkte in gekonnter Sachlichkeit und moderner Schönheit“.

Das Gebäude gilt als eines der selten Beispiel Industriebaudenkmäler der 1960er Jahre und bleibt als Wahrzeichen und Landmarke des neuen „Glasmacherviertels“ ein weithin sichtbares Erinnerungszeichen an die ehemalige Glashütte.