Paffendorfer Mühle
Bergheim, Mühlenwehr 23

Walter Buschmann
Die Paffendorfer Mühle in Bergheim


Geschichte

Seit einer Schenkung des lotharingischen Königs Zwentibold war das Reichsstift Essen an der mittleren Erft mit dem Oberhof Kirdorf begütert. Der Oberhof Kirdorf wurde später in Glesch und Paffendorf aufgeteilt. Allein in Paffendorf gehörten 60 Lehnshöfe zum Essener Oberhof. In die Schenkung eingeschlossen waren auch die einzeln nicht bezeichneten Mühlen. Auch im Essener Einkünfteverzeichnis von 1339 mit der urkundlichen Ersterwähnung der Paffendorfer Mühle und in einem Weistum aus dem 15. Jahrhundert über die Einkünfte des Paffendorfer Fronhofes wird die Mühle genannt. Fünf Mühlen an der Erft gehörten nach dem Weistum des 15. Jahrhunderts den Essener Äbtissinnen: Ahe, Haideweg, Glesch, Kirdorf und Paffendorf.

Die Paffendorfer Mühle war eine Bannmühle mit Mahlzwang für die im Bannbereich gelegenen Höfe. Noch 1740 klagten die Kapitularinnen des Reichsstifts Essen in zweiter Instanz vor dem Reichskammergericht gegen den Bau einer von der jülich-bergischen Hofkammer konzessionierte Windmühle in Niederembt, weil diese in Konkurrenz zu den Bannmühlen die Bauern der gemahlfreien Dörfer anlocken könnte.

Im Zuge der Säkularisation ersteigerte Josef Beretz 1803 die Paffendorfer Mühle. Die Anlage bestand zu dieser Zeit aus dem Mühlengebäude, (Wohn-)haus, Speicher, Scheune, sechs Ställen, Garten und Land. Wenige Jahre später ist 1808 außer von der Mahlmühle auch von einer Säge- und Schleifmühle die Rede. Als Antrieb wurde allerdings nur ein Wasserrad verwendet. Die Tranchot-Karte, für den Bereich der Stadt Bergheim 1807/08 entstanden, zeigt im Bereich zwischen Zieverich und Bergheim zwei gleich stark ausgeprägte Flussarme der Erft. Am westlichen Erftarm ist die Zievericher Mühle eindeutig gekennzeichnet (Moulin). Am Standort der Paffendorfer Mühle sind Gebäude eingetragen, die Bezeichnung „Moulin“ fehlt jedoch.

In einer Anzeige zur Verpachtung der Paffendorfer Mühle von 1833 werden zu der Paffendorfer Mühle Kornmühle, Wohnhaus, Scheune, Stallung, Gärten, Ländereien, Wiesen und Holzungen gezählt. Eine Ölmühle sollte noch zugefügt werden.

Der mit dem Wunsch zur Neuverpachtung frisch gewonnene Pächter, Gottfried Deplat erneuerte die Anlage weitgehend und errichtete unter einem First ein kombiniertes Mühlengebäude mit Wohntrakt. Am Straßengiebel prangt in Ankersplinten das Baujahr dieses Neubaus: 1835. Entstanden war eine Papiermühle mit einer Bütte. Verarbeitet wurden täglich 18 Pfd. Woll- und Leinenlumpen mit neun Beschäftigten, darunter fünf Jugendliche im Alter von 13 bis 17.

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Lageplan von 1855
Ein im Vorfeld der Erftmelioration entstandener Lageplan von 1855 zeigte das Mühlengebäude als Teil eines dreiseitigen, zur Erft offenen Mühlenhofes. Eine hölzerne Freiarche mit drei Schützen leitete das Wasser der Erft in einen gemauerten Randkanal. Vor dem Wasserrad ist eine zweite, einteilige Freiarche eingezeichnet. Jenseits der Archen konnte sich das überschüssige Wasser in einem geräumigen Mühlenkolk sammeln. Mit der Erftmelioration entstand 1860 bis 1864 etwa im Verlauf des östlich zwischen Zieverich und Paffendorf verlaufenden Erftarmes das neue Hauptflussbett. Der westliche Erftarm wurde faktisch zu einem Mühlengraben, über den Zievericher Mühle und Paffendorfer Mühle mit Wasser versorgt wurden. Südlich und nördlich der Paffendorfer Mühle vermittelten Querverbindungen zwischen dieser „Mühlenerft“ und Erftflutkanal. Die südliche Querverbindung (nicht erhalten), ausgestattet mit einer Freiarche aus vier Schütztafeln war ein Ärgernis für die Betreiber der Pfaffendorfer Mühle, weil der Mühle dadurch zu viel Wasser entzogen wurde.

1880 entstanden laut Ankersplinte die jetzigen Wirtschaftsgebäude mit dem Tor neben dem Giebel des Wohnhaus-/Mühlentraktes. Die Initialen J. D. verweisen wohl auf einen Nachkommen des Papierfabrikanten Gottfried Deplat. Seit 1889 war die Mühle allerdings für wenigstens drei Jahre außer Betrieb. Mit dem danach erfolgten Eigentümerwechsel auf den seit spätestens 1900 die Mühle betreibenden Adam Wolf, wurde die Anlage wohl auch wieder in eine Mahlmühle umgewandelt. Diese rund 100jährige Funktion als Kornmühle endete 1980 mit der vorläufig letzten Betriebseinstellung.



Beschreibung

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Mühl- und Wohngebäude, Fasade zum Hof, Foto 2006
Das kombinierte Mühlen-/Wohngebäude ist ein lang gestreckter, zweigeschossiger Backsteinbau. Die Straßenfront ist zweiachsig mit Rechteckfenstern ausgebildet. Das Satteldach verbirgt sich zur Straße hinter einem über den Ortgang hinausreichenden, sacht geschweiften Giebel mit holländischen Dreiecken. Die Lage der Deckenbalken wird mit S-förmigen Ankersplinten angedeutet. Im Giebeldreieck findet sich in Ankersplinten das Baujahr 1835. Auch in den Traufseiten befinden sich Fenster mit scheitrechten Stürzen. Hervorgehoben sind die Fenster im Wohntrakt mit vorstehenden Festersohlbänken und Klobensteine für Fensterläden in Naturstein. Zwei Holztüren aus der Zeit um 1930er führen zu den Wohnräumen. Zur Hofseite sind in Ankersplinten die Initialen DODLW angebracht. Als erwähnenswerte Ausstattung im Wohntrakt ist ein Holztreppe und der Fliesenbelag im Flur ebenfalls aus der Zeit um 1930 erwähnenswert. Im Mühlentrakt sind zur Hofseite kleinsprossige Metallfenster erhalten. Eine einfache Holztür mit senkrechten Holzbohlen führt in den Mühlenbereich. Darüber befindet sich eine Ladetür, über die mittels Sackaufzug das Mahlgut auf den Schüttboden gefördert werden konnte.

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Grundriss des Mühltraktes, Zeichnung 2006 von Paul Demel, Minden
Der Giebel zur Flussseite ist ungegliedert. Aus einer Rundöffnung im unteren Bereich ragt die vermutlich ursprünglich achtkantige Wasserradwelle heraus. An der Welle sind gusseiserne Rosetten für je acht Speichen erhalten, die in zwei Felgen münden. Da das Gerinne etwa 1,5 Meter breit ist, wird das nicht erhaltene Wasserrad eine Breite von etwa 1,4 m gehabt haben. Als Durchmesser sind knapp 6,0 m anzunehmen. Angesichts der Befunde wird es sich um ein unterschlächtiges Staber-Wasserrad gehandelt haben.

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Mahltisch mit Galgen, Foto 2006 von Paul Demel, Minden
Im Inneren des Mühlentraktes ist die Technik der Mahlmühle weitgehend erhalten. Auf einer Mahltischkonstruktion aus Holz sind zwei Mahlgänge angeordnet. Der Weizenmahlgang hat einen Durchmesser von 140 cm und besteht aus Quarzsteinen französischer Herkunft (Jura). Über der Holzbütte befindet sich das ebenfalls hölzerne Rumpfzeug aus Rüttelschuh und Schütttrichter. Dem Weizengang angegliedert ist die Mehlkiste. Der Antrieb erfolgt – wie bei dem zweiten Mahlgang und allen anderen Maschinen – über eine Transmission mit einem direkt dem Weizenmahlgang unter dem Mahltisch zugeordneten Tellerrad aus Gusseisen mit Buchenholzkämmen und dem horizontal angebrachten gusseisernen Kegelrad zum Antrieb des Läufersteines.

Der ebenfalls auf dem Mahltisch stehende Schrot- oder Roggengang hat Mahlsteine aus Sandstein mit einem Durchmesser von 100 cm. Bütte und Rumpfzeug bestehen aus Rüttelschuh und Trichter in Holz. Der Läuferstein wird mittels gusseiserner Kegelzahnräder angetrieben. Das horizontale Rad ist mit Holzkämmen aus Buche versehen.

Den Mahlgängen zugeordnet sind auf dem Mahltisch die „Galgen“ zum Anheben und Schärfen der Läufersteine.

Neben dem Mahltisch steht rechts ein Quetschstuhl (Fabrikat „Saxonia“) mit zwei gegeneinander laufenden leicht geriffelten Walzen zum zerquetschen von Futterhafer und Roggen. Der Roggen wurde nach dem quetschen erneut im Schrotgang gemahlen.

Die beiden Mahlstühle und der Quetschstuhl wurden von einem über dem Mahltisch liegenden Schüttboden befüllt. Zum Mahltisch und zum Schüttboden führen einläufige Holzaufgänge.

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Wurfsichter, Foto 2006 von Paul Demel, Minden
Links neben dem Mahltisch ist ein doppelter Wurfsichter (Fabrikat Fa. Hecht/Radegast) angeordnet. Der Sichter dient im oberen Teil zur Vorsichtung, im unteren Teil als Mehlsichter. Der Mahlguttransport erfolgte mittels Elevator. Unter dem Sichter befinden sich Sackhalterungen für Mehl und das erneut zur Vermahlung bestimmte Restmahlgut.

Zum Antrieb der Mühle diente seit mehreren Jahrzehnten anstelle oder in Ergänzung zur Wasserkraft mit Wasserrad und Wasserradwelle zunächst ein Deutz-Motor und später bis zur Stilllegung ein Elektromotor. Von diesem in der hinteren Ecke auf der linken Seite angeordneten Elektromotor (Fabrikat Brunken „Dokamotor“ mit Sterndreieckschaltung) mit einer Leistung von 20 PS wurde die Energie auf drei Transmissionswellen übertragen. Mittels Transmissionsrädern und Riemen wurden Mahlgänge, Quetschstuhl und Sichter angetrieben. Weiterhin konnte ein Sackaufzug und außerhalb des Gebäudes eine Strohhäckselmaschine oder kleine Dreschmaschine betrieben werden.

Die Mühle war zum Mahlen von Weizen (Weizenmahlgang), Roggen (Schrotmahlgang) für Tierfutter oder nach Sauberlaufen auch für Schwarzbrot und für Hafer (Quetschstuhl) ausgelegt.

In das Innere des Mühlentraktes ragt die bereits erwähnte Wasserradachse hinein. Der Metallzapfen der Welle ist auf einem Lagerblock gelagert. Die Welle ist mit einer Riemenscheibe von 290 cm Durchmesser versehen. Von dieser Welle aus wurden ursprünglich oder später auch alternativ zum Elektromotor Transmission, Mahlgänge und Maschinen angetrieben.

Die Ausstattung der Mühle stammt weitgehend noch aus der Zeit um 1900 mit Ergänzungen und Teilaustausch im 20. Jahrhundert.

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Wirtschaftsflügel, Foto 2006
Der Mühlenhof wird L-förmig im Süden und teilweise im Osten durch zweigeschossige Backsteingebäude mit Satteldächern geschlossen. Diese beiden Wirtschaftsflügel der Hofanlage sind ungegliederte Backsteinbauten mit Satteldächern und Holztüren und –tore in den scheit- und segmentbogigen Öffnungen. Der kürzer Flügel im Osten besteht im Obergeschoß aus Holzfachwerk mit steinsichtiger Ziegelausmauerung. Der Giebel zur Toreinfahrt ist zweiachsig ausgebildet mit Sprossenfenstern in Holz. Im Giebeldreieck befindet sich ein kleines Rundfenster. Diese zweigeschossigen Wirtschaftsgebäude haben eine Geschoßteilung mit Holzbalkendecken.

Die Zufahrt zum Hof erfolgt durch eine korbbogige Toröffnung mit doppelflügeligem Holztor. Über dem Tor erhebt sich ein treppenförmiger Schmuckgiebel mit den Initialen J. D. (Ankersplinte).

Zur Flussseite wird der Hof durch eine offene Remise in Holzkonstruktion mit ungleichhüftigem Satteldach geschlossen. Der anschließende verputzte Trakt nach Osten gehört nicht zur denkmalwerten Substanz des Mühlenhofes.


Bedeutung

Die Paffendorfer Mühle ist ein gutes Zeugnis des seit karolingischer Zeit nachgewiesenen Mühlenwesens an der Erft. Allein zwischen Brüggen und der Erftmündung bei Neuss gab es auf einer Flusslänge von 55 km zeitweise 26 Mühlen. Häufig lagen diese Mühlen direkt am Flusslauf und wurden nicht durch einen besonderen Mühlengraben mit Wasser versorgt. Die Erft wurde in der Regel an den Mühlenstandorten mittels quer durch den Fluss reichender Wehranlagen, den so genannten Freiarchen mit bis zu 10 Schütztafeln so angestaut, dass das Wasser effektiv auf die Wasserräder geleitet werden konnte. Die Paffendorfer Mühle ist nicht nur ein Dokument für diese Anlageart der Erftmühlen, sondern sie zeigt mit einer bemerkenswert vollständigen technischen Ausstattung auch in nahezu kompletter Weise die aus der Zeit um 1900 stammende und im 20 Jahrhundert ergänzte und teilerneuerte Mühlentechnik.

Zugleich verweist die Paffendorfer Mühle durch den baulichen Bestand des kombinierten Mühlen-/Wohngebäudes auf eine der wenigen im 19. Jahrhundert an der Erft entstandenen Gewerbemühlen.

Als Bannmühle ist die Paffendorfer Mühle weiterhin ein zentraler Ort für das Dorf Paffendorf und Umgebung und ein Zeugnis der Landes- und Regionalgeschichte.


Literatur

• Adelmann, Gerhard(Hg): Der gewerblich-industrielle Zustand der Rheinprovinz im Jahre 1836, Bonn 1967
• Kretzschmar, Frank: Alte Mühlen, Bauten und Ortsbilder im Erftkreis, Köln 1996
• Petry, Manfred: Der Paffendorfer Zehntstreit. Ein Papierrotulus über die Prozessauslagen des Stiftes Essen (1353-1355), (Veröffentlichung der staatlichen Archive
• Vogt, Hans: Niederrheinischer Wassermühlen-Führer, Krefeld 1998
• Kreiner, Ralf: Städte und Mühlen im Rheinland. Das Erftgebiet zwischen Münstereifel und Neuss vom 9. bis ins 18. Jahrhundert (= Aachener Studien zur älteren Energiegeschichte Bd. 5), Aachen 1996, S. 164f, 169
• Sommer, Susanne, Mühlen am Niederrhein, Köln 1991
• Lettow, Die Melioration der Erftniederung in der Rheinprovinz, o.J., o.O. (um 1871)