Brikettfabrik Fortuna-Nord
Auenheimer Straße 15



Walter Buschmann
Die Brikettfabrik Fortuna-Nord in Bergheim-Niederaussem





Geschichte

Die Vorgeschichte
Die 1937/38 aufgenommenen Planungen für eine neue große Brikettfabrik am Standort der Grube Giersberg-Fortuna standen in Zusammenhang mit der Brennstoffversorgung für das in Wesseling neu errichtete Hydrierwerk. Über diese Verbindung kam vermutlich auch der Kontakt zum damals schon vielbeschäftigten Industriearchitekten Werner Issel zustande. Sicherlich im Rahmen der Vorplanungen für die Brikettfabrik legte er der RAG eine Entwurfszeichnung der Gesamtanlage vor. Am Standort Fortuna hatte die RAG ein Ensemble aus vier gleichartigen Teilfabriken vorgesehen, von denen jedoch zwischen 1939 und 1948 nur zwei gebaut wurden, so dass eine „Doppel-Brikettfabrik“ mit zwei gleichartigen Trocken- und Pressenhäusern sowie Kühlanlagen entstand. Nassdienst und Kraftwerksanlage mit Kessel- und Maschinenhaus wurden gemeinsam genutzt.

Gründungsanlage 1939–41 und zweiter Bauabschnitt 1942–48
Schaubild 1956
Fabrik I mit Trockenhaus (rechts), Kühlhaus (links) und dahinter das Kesselhaus mit Kamin
Mit dem Bau der Fabrik I konnte auf einem nördlich von Niederaußem gelegenen Baugelände im Frühjahr 1939 begonnen werden. Im ersten Bauabschnitt entstanden Rohkohlebunker mit Vorbrecheranlage, Nassdienst, Trockenhaus I, Kühlhaus I, Pressenhaus I mit Rinnenfeld und Brikettschuppen I, Kessel- und Maschinenhaus des Kraftwerks einschließlich einer 6-kV-Anlage, 100-kV-Schalthaus, Ascheabsetzbecken, Bahnverladung, Toranlage mit Sozialgebäude, Werkstatt und Magazin. Obwohl nach den Entwürfen Issels gebaut, hatte Wilhelm Paustenbach als Leiter der RAG-Bauabteilung die Bauleitung inne und legte teilweise eigene Detailpläne der Fassadenansichten vor.

Der größte Teil der technischen Ausstattung der neuen Fabrik wurde von der Zeitzer Eisengießerei und Maschinenbau-A.G. (ZEMAG), die Anlagen der Rohkohlenversorgung einschließlich Nassdienst durch die Klöckner-Humboldt-Deutz AG (Köln-Kalk) ausgeführt, im Pressenhaus waren 16 Zwillingspressen im Einsatz. Im Herbst 1941 verließen die ersten Briketts das Werk, dessen Tagesleistung sich Ende 1942 auf 2.000t belief.

Mit den Arbeiten für den zweiten Bauabschnitt wurde schon im April 1942 begonnen, sie kamen jedoch 1944 zum Erliegen und konnten erst 1946 wieder aufgenommen werden; die schließlich neu eingebauten zwölf elektrisch angetriebenen Vierstempelpressen waren die ersten im Revier aufgestellten Pressen dieser Bauform. Das äußere Erscheinungsbild des zweiten Fabrikteils wurde mit nur geringen Veränderungen dem ersten Teil angeglichen, allerdings entschied man sich für eine Neudisposition der Gebäude. Die Fabrik II nahm am 12. Juli 1948 offiziell ihren Betrieb auf und besaß eine Produktionskapazität von 2.500t Briketts täglich.

Der weitere Ausbau der Fabrikanlagen
Seit den 1950er Jahren wurde die Fabrik kontinuierlich erweitert und modernisiert, ohne dass jedoch das Erscheinungsbild der Gesamtanlage gravierend verändert wurde. Einzig die Erweiterungsbauten am Nassdienst veränderten diese Baukörper erheblich und ließen aus dem ursprünglich schmalen Bau ein breites Gebäudeensemble entstehen. Der Plan, Trocknung und Verpressung von Braunkohlensorten verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Mischungen zu testen, führte 1956 zum Bau der Fabrik III mit fünf Pressen, die nach ihrer Bestimmung auch „Versuchsfabrik“ genannt wird.

Zudem wurden die Kraftwerksanlagen erweitert, 1950 zunächst um eine dritte Turbine, ein Jahr später mit einem weiteren Hochdruckkessel (Fabrikat L. & C. Steinmüller GmbH, Gummersbach) und 1972 um einen neuen Zweizug-Naturumlaufkessel (Dampferzeugungsleistung 160t/h, 105atü Dampfdruck, 500°C Dampftemperatur). Gleichzeitig ergänzte eine aus der stillgelegten Brikettfabrik Zülpich/Geich stammende 24,5-MW-Kondensationsturbine der Siemens-Schuckert-Werke die Ausstattung des Maschinenhauses. 1955 wich der Kühlturm der ersten Ausbaustufe einem neuen Ventilatorkühlturm in Stahlbetonbauweise mit einem Wasserdurchsatz von 2.000m³/h. Anlässlich der Kraftwerkserweiterung von 1972 wurde diese Kühlturmanlage um sechs neue Doppelzellen-Kühltürme verstärkt.

Mitte der 1970er Jahre konnten pro Arbeitstag bis zu 5.000t Briketts ausgestoßen werden, von denen über die Hälfte im Landabsatz per Lastwagen und 30 bis 40% per Bahn über den Rangierbahnhof Niederaußem abtransportiert wurden. Der aus den Abluft- und Rauchgasfiltern der Brikettfabrik gewonnene Braunkohlenstaub kam als zweites Produkt hinzu. 1967 war dafür eine aus der stillgelegten Brikettfabrik Prinzessin Viktoria (Neurath) verbrachte Staubverladung errichtet worden, und schon 1984 lagen die Verkaufszahlen dieses neuen Produktes deutlich über denen der Brikettherstellung.

Schwefelarmer Braunkohlenfeinkoks hoher Reaktivität, der in metallurgischen und elektrochemischen Prozessen Verwendung findet, wurde zum weiteren Verkaufsprodukt der Fabrik. Die hierfür 1984 in der neuen Fabrik IV oder Trockenhaus IV eingesetzten Großröhrentrockner mit 4.100m² Heizfläche waren die ersten Trockner dieser Größenordnung im rheinischen Revier. 1988 wurde die Trockenkohleproduktion für die Herstellung von Wirbelschichtbraunkohle erneut um zwei Großtrockner erweitert und die vollständige Modernisierung des Nassdienstes abgeschlossen. Die Betriebsteile für Staubproduktion, Feinkoks und Wirbelschichtkohle sind heute weiterhin mit hoher Auslastung in Betrieb, während die Brikettproduktion inzwischen stillgelegt wurde.

Die Rohkohlenversorgung von Fortuna-Nord
Tagebau Fortuna-Garsdorf mit der Fabrik Fortuna-Nord zwischen Niederaussem und Auenheim und dem benachbarten Kraftwerk Niederaussem. Unten rechts das später dem Tagebau weichende Kraftwerk Fortuna
Für die Rohkohlenversorgung wurde parallel zu den Planungen der Brikettfabrik der neue Tagebau Fortuna-Nord konzipiert. Bei Betriebsbeginn der Fabrik I im September 1941 waren die Aufschlussarbeiten jedoch noch nicht weit genug gediehen. Es musste daher zunächst auf die Grube Fortuna zurückgegriffen werden, aus der die Kohle bis zur Mitte der 1950er Jahre über eine zweigleisige Kohlebahn mit 900-mm-Spur, die sog. Verbindungsbahn, herantransportiert wurde.

Mit Beginn der Förderung aus dem Großtagebau Fortuna übernahm dieser Betrieb die Rohkohlenversorgung von Fortuna-Nord. Nach dem Auslaufen der Kohlenförderung in Fortuna-Garsdorf versorgte der in der Nähe gelegene Tagebau Bergheim für etwa 15 Jahre bis zu seiner Auskohlung die Fabrik. Heute erfolgt die Belieferung aus dem Tagebau Hambach. Die Kohle wird teilweise von den unmittelbar im Westen der Fabrikanlage gelegenen Bunkeranlagen Fortuna über eine Bandbrücke angeliefert, zum Teil aber auch über die Nord-Süd-Bahn und den noch vorhandenen alten Großraumbunker (erbaut 1940/41, umgebaut um 1955), als Schlitzbunker der letzte seiner Art im rheinischen Revier.

Der Siedlungsbau der Brikettfabrik
Im Zuge des Ausbaus der Brikettfabrik wurden an der Zufahrt zum Fabrikgelände und in den nahegelegenen Orten Wohnhäuser zur Unterbringung von Arbeitern und Angestellten errichtet, da geeigneter Wohnraum in der Gegend nicht verfügbar war. Die Entwürfe hierzu lieferte bis 1942 der als freier Architekt tätige Hermann von Berg, der etwa gleichzeitig auch den Siedlungsbau des Hydrierwerks in Wesseling betreute. 1943–53 übernahm diese Aufgabe Wilhelm Paustenbach, dessen Wohnhausentwürfe sich jedoch eng an die von Berg’schen Arbeiten anlehnten. 1940 legte Paustenbach im Auftrag der RAG den Generalentwurf zu einer „Bergmannssiedlung“ in Niederaußem vor, die sich fächerförmig zwischen Bahnstraße, Gartenstraße, Lindenstraße und Oberaußemer Straße an einen neu zu errichtenden Sportplatz anschloss. Außerdem ließ man südlich der Brikettfabrik ein Kriegsgefangenenlager errichten. Erst 1944 wurde der Siedlungsbau kriegsbedingt zurückgestellt. Nach 1945 entstanden bis mindestens 1953 weitere Neubauten der RAG in der Siedlung Niederaußem, deren Gesamtanlage 2006 noch immer im Ortsbild zu erkennen war.


Bauten und Anlagen

Gesamtanlage
Lageplan 1996. 1 Nassdienst, 2 Trockenhaus I, 3 Külhaus I, 4 Pressenhaus I, 5 Trockenhaus II, 6 Pressen- und Külhaus II, 7 Kesselhaus, 8 110kv-Schaltanlage, 9 Sozialgebäude mit Toranlage, 10 Verwaltung, 11 Seilrangieranlage, 12 Bandleitstand Tagebau Fortuna-Garsdorf
Auf dem längsrechteckigen Fabrikgelände mit westöstlicher Erstreckung liegen die meisten Anlagenteile der beiden Ausbaustufen zwischen 1939 und 1948 in einer Art Raster, das an die sog. Klingenberg-Regeln des Kraftwerksbaus erinnert und im Baubestand noch immer zu erkennen ist. Die Hauptgebäude werden in sechs axial aufgebauten Feldern in gleichmäßiger Reihung angeordnet. Im Nordwesten nordwestlich der Gleise liegen der Rohkohlebunker (1940/41) und im rechten Winkel dazu die Vorbrecheranlage (1939–41). Axial zur Brecheranlage steht der Nassdienst (1939–41), von dem aus zwei weitere, rechtwinklig zueinander angeordnete Bandbrücken das östlich hinter dem Nassdienst stehende Kraftwerk und die südwestlich befindliche Versuchsfabrik (1953) verbinden. Rechtwinklig zum Kesselhaus (1939–41) stehen die beiden Trockenhäuser I (1939–41) und II (1942/43) mit ihren jeweiligen nachträglichen Erweiterungen in Reihung. Den Trockenhäusern zugeordnet sind die jeweiligen Pressenhäuser I (1939–41) und II (1942/43), die in einer parallelen Reihe in Achse stehen. Zwei Kühlhäuser, das von Pressenhaus II (1942/43) mit diesem baulich verbunden, das von Pressenhaus I (1939–41) separat stehend, bilden einen Riegel, der im Osten, rechtwinklig zu den Pressenhäusern, die Rinnenbereiche flankiert. Im rechten Winkel zu den Trockenhäusern steht im Nordosten des Kesselhauses das Maschinenhaus mit 6-kV-Anlage (1939–41) und in Reihung dahinter das 100-kV-Schalthaus (1939–41), dem wiederum die Wasseraufbereitung im Winkel gegenüberliegt. Im Osten schließen sich hier Kühlwasserbecken und zwei Kühltürme an, während Ascheabsetzbecken (1940/41, 1968) und der Kamin (1939–41) des Kesselhauses im Westen desselben liegen. An der Querachse hier befinden sich östlich der Gleise Magazin (1939/40) und Werkstatt (1939/40), während Kantine (um 1950), Waagengebäude (um 1950) und Kaue mit Toranlage (1939–41) einen abschließenden Riegel im Osten ausbilden, der nur vom Verwaltungsgebäude (1953/54) durchbrochen wird. Der Landabsatz (1952) steht hinter den Brikettschuppen im Südwesten, westlich sind dort im Gleisbereich zudem die Verladung (1940/41) und die Gleiswaagen zu finden, die Seilrangieranlage (1944) kreuzt im Norden dazu parallel die Gleise.

Alle Bauten der Gründungsanlage und ihrer zweiten Ausbaustufe bis zum Zweiten Weltkrieg sind in den Hauptgebäuden Stahlbetonskelettbauten mit vorgeblendeten Fassaden aus Klinkersteinen. In die so entstehenden roten Ziegelflächen sind die Fensteröffnungen rahmenlos wie eingeschnitten, nur einzelne besondere Gliederungselemente werden zusätzlich durch vorkragende Ziegelbänder hervorgehoben. Die überwiegend flach ausgeführten Satteldächer werden von den hochgezogenen Fassadenscheiben verdeckt. Einzelne Gliederungselemente, wie die auffälligen, Torsituationen schaffenden Lisenengliederungen oder die gestalterisch eingesetzten Regenfallrohre mit auffällig vorkragenden halbrunden Rinnenkästen, tauchen bei mehreren Bauten der Fabrikanlage auf. Die Sozial- und untergeordneten Nebengebäude wie das Zechenhaus mit Toranlage wurden im Gegensatz dazu in der ersten wie zweiten Bauphase massiv in Ziegelmauerwerk ausgeführt, auch die Dachaufbauten deutlich traditioneller behandelt.

Nassdienst mit Vorbrecheranlage(1),1939–41/nach 1965; Arch.: Werner Issel/Wilhelm Paustenbach
Nassdienst. Foto um 1940
Teilweise auf Stützen stehendes, aus mehreren Baukörpern verschiedener Bauphasen bestehendes mehrgeschossiges Stahlbetongebäude mit vorgeblendeten Klinkerfassaden auf annähernd quadratischem Grundriss und mit flach geneigten Pult- und Satteldächern.

An der Südostseite hinter einer nachträglichen Erweiterung (nach 1965) der hohe, den Gebäudekomplex überragende Turm des Kernbaus (1939–41). Dieser zeigt an der vorgezogenen Südwestseite in den Obergeschossen noch die ursprüngliche, undurchfensterte Fassade, während an der Nordostseite ebenfalls nachträgliche Erweiterungsbauten (nach 1965) ansetzen. Zur Fabrikstraße hin ist dem turmartigen Bauteil eine gebäudehohe, bauzeitliche zweiachsige Lisenengliederung vorgelegt, in die in mehreren Ebenen Belichtungsöffnungen eingestellt sind. Im Erdgeschossbereich sitzen die Lisenen auf einer breiten, ebenfalls vorgezogenen, bauzeitlichen Portalrahmung auf. Die Anbauten aus der Zeit nach 1965 mit teilweise reicher Durchfensterung in mehreren Geschossebenen, zumeist den am Ursprungsbau zu findenden schlank hochrechteckigen, rahmenlosen Fensteröffnungen nachempfunden. Die technischen Einrichtungen des Nassdienstes sind durch mehrere Umbauten vollständig verändert.

Die kubusförmige Vorbrecheranlage wie alle Gebäude der Ursprungsanlage mit vorgeblendeter Klinkerfassade, die Dachkonstruktion auch hier hinter den Fassadenblenden. Die Geschosse von schmalen Fensterbändern belichtet. Die von der Vorbrecheranlage zum Nassdienst führende Bandbrücke (1939–41) mit durchlaufenden Fensterbändern unterhalb einer inzwischen verkleideten Betontraufe, die Stahlkonstruktion verdeckt hinter der Verblendung. Die aufgeständerte, kubusförmige Stahlfachwerkkonstruktion der Eckstation (1939–41) mit Flachdach, in zwei Ebenen von Fensterbändern belichtet. Im Innern Betonkappendecken. Der zur Gleisanlage gelegene, dreigeschossig aufgeständerte Vorbau der Verladeanlage (1939–45) in Stahlfachwerk. Im Gegensatz zum Nassdienst waren die Bandstraßen bereits bauzeitlich auf den geplanten Endausbau mit vier Fabriken ausgelegt.

Trockenhaus I(2), 1939–41; Arch.: Werner Issel/Wilhelm Paustenbach
Nach außen dreigeschossiger, ca. 30m hoher, zweiteiliger Stahlbetonskelettbau mit Vorblendfassade auf längsrechteckigem Grundriss mit von den hochgezogenen Fassadenseiten verdecktem flachem Satteldach. Die Fassaden des Trockenhauses mit hochrechteckigen Fenstern. Die Brückenverbindung (1939–41) zum Pressenhaus I auf Höhe der zweiten Geschossebene aus Stahlfachwerk mit Ziegelausmauerung.

Röhrentrockner
2006 befanden sich im Gebäude sieben Röhrentrockner, bei denen es sich mit großer Wahrscheinlichkeit noch um die vom Werk Buckau der Maschinenfabrik Buckau R. Wolf A.-G. (Magdeburg) gelieferte Erstausstattung mit je 2.110m² Heizfläche handelt, die damals größten erhältlichen Aggregate dieser Bauart.

Kühlhaus I(3), 1939–41; Arch.: Werner Issel/Wilhelm Paustenbach
Kühlhaus
Schmales, ca. 24m hohes sechsgeschossiges, ebenfalls in Stahlbetonskelettbauweise ausgeführtes Gebäude von nur ca.7,5m Breite mit Verblendfassaden aus Klinkersteinen und Betonflachdach, in der Gebäudemitte ein turmartiger Auszug unbekannter Nutzung.

Das im rechten Winkel zum Pressenhauskopfbau des Pressenhauses I stehende Kühlhaus in Höhe der zweiten Geschossebene über eine Bandbrücke (1939–41) aus Stahlfachwerk mit Ziegelausmauerung mit diesem verbunden. An den Fassaden vertikale schmale Fensterbänder, die zu Zweiergruppen in sieben Achsen zusammengezogen sind, die Fenster des Erdgeschosses davon abgesetzt. Die Schmalseiten flankiert von als Gestaltungselement eingesetzten Regenfallrohren, der Hauptzugang in den Erdgeschossbereich erfolgt durch seitliche Toröffnungen, die Obergeschosse werden mittels Außentreppe erschlossen.

Pressenhaus I(4), 1939–41/nach 1965; Arch: Werner Issel/Wilhelm Paustenbach
Dreiteiliger, nachträglich verlängerter Stahlbetonskelettbau mit Verblendfassaden, teilweise mit Flachdächern aus Beton, teilweise mit flach geneigtem Satteldach, insgesamt auf längsrechteckigem Grundriss: längsrechteckiger Kopfbau parallel zur Werksstraße, daran in südwestlicher Richtung anschließend halbhoher Zwischenbau, dahinter eingeschossige Pressenhalle.

Kopfbau mit fünfachsiger Lisenengliederung, hier wie bei Kühlhaus I teilweise hinter den Fensterbändern Geschossebenen erkennbar und flankierende Regenfallrohre als gestalterisches Element. Die Pressenhalle an der Nordwestseite von hochrechteckigen Fenstern belichtet. An der Südostseite zum 2005 noch vorhandenen Rinnenfeld (1939–41) etwa in der Hallenmitte ein dreiachsig aufgeständerter, zwei Achsen tiefer Anbau (1939–41), die Halle überragend. Der Zugang zur Pressenhalle erfolgt über seitliche Eingänge an beiden Längsseiten. Sie ist im Inneren durch Teilunterkellerung dreigeschossig aufgebaut und im Erdgeschoss mit Sichtbetonträgern ausgesteift.

Brikettpressen im Pressenhaus
Im Pressenhaus I sind insgesamt 16 von der Firma ZEMAG gelieferte, elektrisch angetriebene Schubkurbel-Zwillingspressen (1939–41) für 2-mal-7"-Briketts aufgestellt. Der Antrieb erfolgt über Riemen von den im Untergeschoss aufgestellten, aus der Ursprungszeit stammenden Elektromotoren, polumschaltbaren Drehstromkurzschlussläufern von Garbe, Lahmeyer & Co.

Trockenhaus II(5), 1942/1943/1963; Arch.: Wilhelm Paustenbach
Trockenhaus II
Das Trockenhaus II (1942/43) stellt in seiner Baukonstruktion, seinem Baukörper und seiner Gestaltung eine Wiederholung des Trockenhauses I dar, im Osten mit baulich angeglichener Verlängerung (1963). Die kopfbauartig wirkende Schmalseite mit zentral gesetzter Lisenengliederung und gestalterisch eingesetzten Regenfallrohren ist unmittelbar zur ehemaligen Hauptzufahrt ausgerichtet und bildet zusammen mit dem Kopfbau des ebenfalls erhaltenen Pressenhauses II eine monumentale, torartig wirkende Situation. Die Kohlezuführung erfolgt über Bandbrücken (1963 und später) vom Trockenhaus I. Von der bauzeitlichen technischen Ausstattung 2005 sieben Aggregate (Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG/Magdeburg) mit 2.220m² Heizfläche erhalten, im Aufbau analog zu Trockenhaus I.

Pressen- und Kühlhaus II(6), 1942–43/nach 1960, Arch.: Wilhelm Paustenbach
Fabrik II. Pressen- und Kühlhaus
Auch das Pressenhaus II mit angeschlossener Kühlanlage II (1942/43) ist in seiner Baukonstruktion, seinem Baukörper und seiner Gesamtgestaltung eine Wiederholung der entsprechenden Bauteile der Fabrik I auch hier mit nachträglicher, im Baustil angepasster Verlängerung der Pressenhalle in südwestlicher Richtung (nach 1960). In Abweichung von Fabrik I wurde jedoch das quer stehende Kühlhaus direkt an den Kopfbau des Pressenhauses angesetzt, die Lisenengliederung des Kopfbaus entsprechend der des Trockenhauses auf volle Gebäudehöhe hochgezogen. Auch in der technischen Ausstattung des Kühlhauses und der Innengestaltung der Pressenhalle der Fabrik I entsprechend. 2005 in der Pressenhalle noch neun der ursprünglich zwölf Pressen erhalten.

Kesselhaus mit Schwerbau(7), 1940–41/1950/1962; Arch.: Werner Issel
Kesselhaus
Hoch aufragender, mehrteiliger Stahlbetonbau mit Flachdach auf längsrechteckigem Grundriss mit Ziegelfassaden und nicht sichtbaren, flach geneigten Dachkonstruktionen. Nach Nordosten bildet der Bunkerschwerbau einen längsrechteckigen, schmalen Gebäuderiegel, der in einem kleinen turmförmigen Aufsatz in etwa 35m Höhe endet, in den die vom Nassdienst kommende Bekohlungsbandbrücke mündet. Dem Schwerbau in südwestlicher Richtung vorgelagert das etwas niedrigere Kesselhaus mit Kamin und Fuchs. Im Nordosten ist die Schaltanlage in einem niedrigen, zweigeschossigen Anbau untergebracht.

Die Bekohlungsebene des Schwerbaus bis hin zum turmartigen Aufsatz wird unmittelbar unter den hier vorkragenden Sichtbetontraufen von in der Fassadenmitte zusammengezogenen, gleichmäßig in Achsen gestellten hochrechteckigen Fenstern belichtet. In den Untergeschossen des Schwerbaus belichteten vertikale Fensterbänder die Geschosse über der Schaltanlage.

Die Fassaden des Kesselhauses überwiegend mit zu Zweiergruppen zusammengezogenen vertikalen Fensterbändern. Am Übergang von Längsfassade zur Schmalseite durch einen Höhenversprung in der Traufenhöhe entsteht der Eindruck eines monumentalen Eckpfeilers. Im Kesselhaus fünf Dampfkessel, vier bauzeitlich („Höchstdruck“-Steilrohr-Dampfkessel, 100atü, 80t/h, 500°C, Rostfeuerung mit mechanischen Zonenvorschubrosten, Schlangenrohr-Speisewasservorwärmer, Taschenluftvorwärmer sowie Überhitzer der Firma L. & C. Steinmüller GmbH, Gummersbach), ein Kessel (1951) später, ein sechster Kessel (1972) bildet mit seiner nach Nordwesten angebauten Einhausung (1972) einen eigenen Baukörper. Die Kessel 1 bis 3 waren 2006 bereits stillgelegt. Über den etwa 8m hohen, auf einer Tragkonstruktion aus schweren Stahlstützen ruhenden und durch Ausmauerung mit hochtemperaturbeständigen Ziegeln in Stahlfachwerk verkleideten Kesseln befinden sich die schweren, rechteckig trichterförmigen Kohlebunker aus Stahlbeton.

110-kV-Schalthaus(8), 1939–41/1954; Arch.: Werner Issel/Wilhelm Paustenbach
Die zur Zusatzversorgung der Brikettfabrik und zur Einspeisung überschüssiger elektrischer Energie in das öffentliche Netz errichtete 110-kV-Schaltanlage (Ausführung durch die Siemens-Schuckert-Werke) ist ein entsprechend den Hauptgebäuden der Fabrik erbauter Stahlbetonskelettbau mit flacher Dachkonstruktion auf längsrechteckigem Grundriss, im Nordwesten Erweiterung (1954) in gleicher Bauweise. Zur Fabrikseite im Südosten bestimmen in der Fassadenmitte zusammengezogene, annähernd fassadenhohe vertikale Fensterbänder die Gliederung, gleichartig auch die Gliederung der östlichen Längsseite, die westliche – zwischen hier angebauten technischen Anlagenteilen – nur durch Regenfallrohre gestalterisch behandelt. An der Südostseite Toröffnung als Hauptzugang. Im Innern nach dem Vorraum die gebäudehohe Schaltanlagenhalle mit zehn 110-kV-Schaltfeldern (acht von 1939–41, zwei von 1954).

Seilrangieranlage(11), 1944; Arch.: Wilhelm Paustenbach
Panoramabild von der Gleisseite. Im Bildzentrum die Seilrangierwinde. Links der Nassdienst, dahinter das Kesselhaus mit Kamin
Die Seilrangieranlage ist Bestandteil der Eisenbahn-Brikettverladung, überbrückt vier Gleise des Fabrikbahnhofs und dient dazu, die Waggons während des Beladevorgangs ohne Einsatz einer Lok verschieben zu können. Quer über vier Gleisen aufgeständerter Backsteinbau mit flach geneigtem Satteldach auf fünf Doppelstützen über längsrechteckigem Grundriss. Das Rahmenfundament, die Stützen und die Windendecke sind in Stahlbeton ausgeführt, die Umfassungswände der Seilgruben in Kieszement-Stampfbeton. Einzelne rahmenlose Öffnungen gliedern die Wände. Im Gebäude konnten fünf Seilwinden Aufstellung finden.

Sozialgebäude mit Toranlage(9), 1940/41; Arch.: Wilhelm Paustenbach
Zweigeschossiger Backsteinbau aus dunkelroten, teilweise fast schwarzen Klinkersteinen mit allseitig vorkragendem Walmdach auf annähernd längsrechteckigem Grundriss. Das unmittelbar am Fabrikeingang gelegene Sozialgebäude wurde als Kombinationsbau von Waschkaue, Versammlungssaal und Pförtnerhaus im Stil der Zeit als „Gefolgschaftshaus“ errichtet. Es stand im Zusammenhang mit der Toranlage und sollte in der ursprünglichen Planung ein als Pendant gestaltetes Verwaltungsgebäude erhalten. Das Sozialgebäude mit gleichmäßig über die Geschosse verteilten rahmenlosen Rechteckfenstern, nur an der fabrikabgewandten Seite zur Toreinfahrt hin mit einem als Risalit vorgezogenem, gebäudehoch verglastem Treppenhaus als Akzent versehen. Nach Norden schließt sich die durchgehend überdachte, von Backsteinpfeilern getragene Toreinfahrt an, die mittig ein Pförtnerhaus überdacht. Der Zugang zum Sozialgebäude erfolgt innerhalb der überdachten Torzufahrt. Im Innern eine noch bauzeitliche Treppenanlage.

Verwaltungsgebäude(10), 1953/54; Arch.: Dipl.-Ing. Theodor Helmes
Verwaltung
Viergeschossiger Stahlbetonbau mit Backsteinfassaden unter allseitig vorkragendem flach geneigtem Walmdach auf längsrechteckigem Grundriss. Fenster an beiden Längsseiten in ein in der Fassadenmitte angeordnetes, 21 Achsen umfassendes Raster aus Sichtbetonstreben eingestellt. Unterhalb der hochrechteckigen Fensteröffnungen Brüstungsfelder aus freigestellten Riemchenklinkerflächen. Die Schmalseiten von einer in die Fassadenmitte gerückten Fensterachse in Sichtbetonrahmen belichtet. An der Ostseite aus der Fassadenmitte nach Süden gerückter Haupteingang mit weit vorkragendem, leicht trapezförmig geschwungenem Vordach auf schmalen Stahlstützen, der über eine Freitreppe mit bauzeitlichem Geländer erreicht wird. Im Innern Treppenhaus mit bauzeitlicher Treppenanlage. Die Räume werden in allen Geschossen durch Mittelflure erschlossen, im Norden ermöglicht ein zweites Treppenhaus einen direkten Zugang durch den Nebeneingang und über eine Brückenverbindung (nach 1965) zum Nachbargebäude.


Bedeutung

Federskizze um 1937 von Werner Issel zeigt die Fabrik I mit Nassdienst und Kesselhaus. Links davon Trocken-, Pressen- und Kühlhaus I. Der Platz zwischen Fabrik I und Torhaus war für die Fabrik II freigehalten.
Die Brikettfabrik Fortuna-Nord ist die vorletzte der im rheinischen Braunkohlenrevier an neuem Standort errichteten Brikettfabriken. Die 1939–48 erbaute Anlage blieb während des Krieges von Zerstörungen weitgehend verschont und ist im Wesentlichen in der ursprünglichen Ausführung bis heute erhalten. Konsequent aus seinem eigenen gestalterischen Werk entwickelt, plante Issel hier Bauten mit einer für Brikettfabriken erstaunlichen Monumentalität. Sein Entwurf für Fortuna-Nord mit einem einheitlichen Erscheinungsbild für alle Anlagenteile erinnert an die Großkraftwerksbauten der ausgehenden 1920er Jahre im verkleinerten Maßstab und gleicht damit jenen Musterfabriken der klassischen Moderne ohne jegliche Anlehnung an die Tendenzen zum Regionalismus der NS-Zeit. Fortuna-Nord muss dem Lebenswerk des Industriearchitekten Werner Issel zugeordnet werden, auch wenn die Detailausbildungen in Händen des regional bedeutenden Werksarchitekten der RAG Wilhelm Paustenbach lag. Die Anlage besitzt daher eine hochrangige architekturhistorische Bedeutung.

In der technischen Ausstattung markiert die Brikettfabrik den Endpunkt der klassischen Bauform dieses Fabriktyps mit Schlitzbunker, vertikalem Nassdienst, Trocken-, Kühl- und Pressenhäusern sowie Rinnenfeldern und Verladeeinrichtungen für Bahn- und Landabsatz. An der Ausführung waren die damals bedeutendsten Unternehmen der Anlagentechnik auf dem Gebiet der Brikettfabrikation beteiligt. Von großer technikhistorischer Bedeutung sind die größtenteils noch aus der Bauzeit stammenden Röhrentrockner und Brikettpressen sowie die in den 1940er und 1950er Jahren eingebauten Hochdruckkessel.


Literatur

Schüler, Volker/Coenen, Manfred: Das Braunkohlenrevier 1877 bis 1957, Erfurt 2004

Eine Brikettfabrik hat Jubiläum. Fortuna-Nord II ging am 12. Juli 1948 in Produktion, in: Revier und Werk, 1973, Heft 114, S. 14f

„Fortuna“ im Rheinischen Braunkohlenrevier. Die Grube Fortuna, in: Revier und Werk, 1966, Heft 83, S. 15–17

25 Jahre Brikettfabrik Fortuna-Nord; in: Revier und Werk, 1966, Heft 86, S. 47f.

Gerdes, Hubert: Stand der Rohkohlenaufbereitung und der Trockenkohlennachaufbereitung in der Brikettfabrik Fortuna-Nord unter besonderer Berücksichtigung der Feinkoks- und Wirbelschichtkohlenerzeugung, in: Braunkohle 44(1992), Heft 10, S. 26–28

Heller, Franz: Bau und Betrieb von Brikettfabriken nach neuzeitlichen Grundsätzen (Kopplung von Kraft- und Wärmewirtschaft in Brikettfabriken). Von der Technischen Hochschule zu Breslau zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs genehmigte Dissertation, Ohlau i. Schles. 1932

Im August weitere Mahlanlage. In der Rheinbraun-Fabrik Fortuna-Nord wird die Kapazität für Staubproduktion erhöht, in: Revier und Werk, 1981, Heft 166, S. 28

In sechs Minuten ist der Zug entladen! Vom Zug übers Band in das Kraftwerk – neue Anlage ohne „Kinderkrankheiten“, in: Revier und Werk, 1987, Heft 204, S. 13

Jubiläum in der Brikettfabrik Fortuna-Nord. 25 Millionen Tonnen Union-Briketts wurden seit 1941 per Bahn verschickt, in: Revier und Werk, 1976, Heft 136, S. 10f

Koksproduktion wurde verdoppelt. Zweiter Herdofen in Niederaußem, in: Revier und Werk, 1985, Heft 190, S. 36f

Kraftwerkserweiterung Brikettfabrik Fortuna-Nord, in: Revier und Werk, 1973, Heft 112, S. 36

Kuhnke, Claus: Umbau- und Neubaumaßnahmen im Bunker Fortuna, in: Braunkohle 55(2003), Heft 3, S. 244–255

Nachfrage nach Braunkohlenkoks, in: Revier und Werk, 1983, Heft 178, S. 30f. – 14. Potes/Coenen, 2004

Rheinbraun – Rheinische Braunkohlenwerke AG (Köln) (Hg.): Blickpunkt Braunkohle, 2. Aufl., Köln 1968

Rheinbraun Aktiengesellschaft, Fabrik Fortuna-Nord, („Rheinbraun informiert“, Faltblatt) Bergheim 1998

Rüping, Barbara: Niederaußem unter dem Einfluß der Braunkohlenindustrie, in: Schmitz, Kurt (Hg.), Niederaußem. Chronik einer Gemeinde, Düsseldorf 1974, S. 212–273

Scherrer, Edmund: Fortuna-Nord: Volle Leistung und viel Koks, in: Revier und Werk, 1985, Heft 192, S. 21

Scherrer, Edmund: Verkokungsanlage Fortuna-Nord, in: Revier und Werk, 1976, Heft 130, S. 14f

Schon in den Anfängen „hochmodern“: 50 Jahre Fabrik Fortuna-Nord, in: Revier und Werk, 1991, Heft 230, S. 26–29

Speich, Peter: Braunkohle – vielseitiger Rohstoff, in: Revier und Werk, 1978, Heft 145, S. 8f

Der modernste Trockner für die Fabrik Fortuna-Nord, in: Revier und Werk, 1984, Heft 184, S. 15

Zimmermann, Bernhard: Die Rohkohlenbunker im rheinischen Braunkohlenrevier, in: Braunkohle, Wärme und Energie 8(1956), Heft 9/10, S. 174–181