Radiotelskop Stockert
Bad Münstereifel


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Astropeiler Stockert e.V.


Text und Dokumente

• Walter Buschmann: Das Radioteleskop auf dem Stockert in Bad Münstereifel
• Thomas Schmitz: Peiler soll Weltkulturerbe werden, in: Kölner Stadt-Anzeiger 27.2.2009


Walter Buschmann
Radioteleskop auf dem Stockert in Bad Münstereifel


Geschichte

Die Geschichte der drahtlosen Funkmeß- oder Radartechnik begann 1904 mit einem Patent des Düsseldorfer Christian Hülsmeyer für ein "Verfahren, um entfernte metallische Gegenstände mittels elektrischer Wellen einem Beobachter zu melden". Hülsmeyer erhielt auch das britische Patent, wobei sich die englische Abkürzung für das Verfahren "radio detection and ranging" = „Radar“ international durchsetzte.

Erst Mitte der 1930er Jahre kam es mit zunächst ausschließlich militärischer Nutzung zur praktischen Anwendung des Verfahrens. Es wurden Parabolspiegel von 3,0, 4,0 und 7,5 Metern Durchmesser zur Ortung von Flugzeugen und Schiffen errichtet. Der Bau der Spiegel erfolgte unter Mitwirkung von Zeppelin-Konstrukteuren. Sie hatten eine Reichweite von 70 km. Als der Luftkrieg zwischen Deutschland und England 1939 begann, waren die Geräte in beiden Ländern einsatzbereit. Aus der Bedeutung der Radartechnik für Kriegszwecke erklärt sich das Funkmeßverbot, das die Alliierten für Deutschland nach 1945 verhängten.

Aus einer 1944 durch den niederländischen Astronomiestudenten van der Hulst entwickelten Idee, dass Strahlungen von Wasserstoffatomen in interstellaren Wolken mit Radioempfängern beobachtet werden könnten, entstand die Nutzung der Radiospiegel für astronomische Forschungen. Es dauerte sieben Jahre bis zur Realisierung der Idee. Die Radiowellen erwiesen sich für die Erforschung der Sternsysteme als sehr viel leistungsfähiger wie die Lichtwellen. Das Elektronenfernrohr" brachte eine neue Größenordnung für die Beobachtung der Sterne und einen Fortschritt für die astronomische Forschung, die verglichen wurde mit der Einführung des optischen Fernrohrs durch Keppler und Galilei 350 Jahre zuvor.

Das erste Riesenteleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 25 Metern bauten die Holländer in Dwingeloo. Es wurde Mitte 1956 fertig gestellt. Nur wenige Monate später wurde das gleich große Teleskop auf dem Stockert am 17. Sept. 1956 eingeweiht. Es folgten die Radioteleskope in Jodrell Bank/England (75 m), Riebank/USA (ca. 80 m), Parkes/Australien (64 m) und 1968-70 in dem Eifeldorf Effelsberg (100 m). Die Entwicklung führte zu 300 m Riesenspiegeln in Südamerika und zu Überlegungen diese Riesenkonstruktionen zukünftig durch ein Netz kleinerer Parabolspiegel zu ersetzen, die über einen Computer zusammengeschaltet werden.

Der Bau des Radioteleskops auf dem Stockert geht zurück auf Vorüberlegungen im Jahr 1953. Die Ausführung des Bauwerks 1955/56 mit Forschungsmitteln des Landes Nordrhein- Westfalen hatte mehrere Motive zur Grundlage. Zunächst ging es sicher um radioastronomische Forschungen, die seit 1961 durch den Lehrstuhl und das Institut für Radioastronomie der Universität Bonn und seit 1967 durch das Max-Planck-Institut für Radioastronomie geleistet wurde.

Zweitens bedeutete das Teleskop auf dem Stockert praktisch die Aufhebung des alliierten Funkmeßverbots für Deutschland. 1956 bis 1964 wurde das Teleskop in halbjährigem Wechsel durch Wissenschaftler und Bundeswehr benutzt. Es soll zur Kontrolle der Luftkorridore über Berlin verwendet worden sein.

Drittens sollte mit dem Bauwerk die Leistungskraft der deutschen Industrie demonstriert werden mit der Hoffnung, dass zukünftige Aufträge etwa für die Luftüberwachung des sich entwickelnden privaten Luftverkehrs nicht mehr an das Ausland, sondern an deutsche Firmen vergeben wurden.


Die Gesamtanlage

Nach einer technischen Gesamtplanung durch Dipl.-Ing. Pederzani von der Firma Telefunken entstand das Radioteleskop auf dem 435 m hohen Stockert mit einem Unterbau aus Stahlbeton nach Plänen des Statikers Dr. Pirlet/Köln und Bauassessor Lohmann vom Universitätsbauamt Bonn und dem 25 m Spiegel, für den erneut Erfahrungen aus dem Bau von Zeppelin-Luftschiffen verwertet wurden.

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Unterbau als achtstielige Pyramide
Der Unterbau war zunächst als Stahlkonstruktion gedacht. Die prägnante freie Lage des Bauwerks auf der Kuppe des Stockert bedingte jedoch hohe Winddrücke (42 m/s), die eine wesentlich steifere Konstruktion erforderten. Entwickelt aus den Anforderungen der Statik entstand als Unterbau eine 16,35 m hohe achtstielige Pyramide mit querstehenden, deutlich die Außenerscheinung bestimmenden Betonrippen und versteifenden Stockwerksdecken. Die Betonteile sind außen weiß geschlämmt, um die Wärmeabsorption gering zu halten. Hinter die Vorderkante der Betonrippen zurückspringende Pultdächer, weißgeschlämmte Wandfelder und querrechteckige Stahlfenster und Türen umschließen die nutzbaren Innenräume: für Trafos und Gleichrichter im Keller, Meßräume im Erdgeschoß, Räume für die Wissenschaftler im 1. und 2. Obergeschoß und den Drehwinkelantrieb im 3. Obergeschoß. Dem Unterbau ist ein kleiner Eingangsbereich mit Toiletten angegliedert.

Wesentlich zum Verständnis der Gesamtanlage ist die dreh- und kippbare Lagerung des Spiegels, die durch Ausgleich der Erddrehung erst eine fortlaufende Beobachtung der Sterne ermöglicht.

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Radial-Schrägkugellager
Um die Drehbewegung des Spiegels zu ermöglichen ist der ganze Oberbau auf einem gigantischen Radial-Schrägkugellager aufgesetzt (3,2 m) mit 44 Kugeln von je 12,7 cm Durchmesser. Es war derzeit eines der größten Kugellager, das von der Firma Schweinfurter Kugellagerfabrik (SKF) gefertigt wurde.

Zur Ausführung der Drehbewegung befindet sich im Mittelpunkt der Pyramide eine Drehsäule aus Stahlblech mit einem Durchmesser von 2,0 m. Die unten auf 1,0 m sich verjüngende Drehsäule hat eine Höhe von ca. 14,0 m und erstreckt sich durch den Unterbau wie die Königswelle einer Windmühle. Im 3. Obergeschoß ist die Drehsäule mit einem riesenhaften Zahnrad verbunden, das durch ein Drehwinkelgetriebe mit Elektromotor angetrieben wird. Um den Spiegel exakt auf den Stand der Sterne ausrichten zu können mußten Drehsäule und das Zahnrad mit der Übersetzung besonders sorgfältig gearbeitet werden. Im Inneren der Drehsäule befindet sich eine Wendeltreppe zur Erschließung des Maschinenraumes und der obersten Plattform mit dem Kippwinkel-Getriebe.

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Parabolspiegel
Ein Meisterwerk des Stahl- und Leichtmetallbaus ist der Parabolspiegel. Die tragende Kernkonstruktion ist ein zwölfeckiger, genieteter Stahlring in Raumfachwerkbauweise mit einem Durchmesser von 12,5 m. Dieser Ring ist einerseits mit einer Zahnradübersetzung an das Kippwellenlager gekoppelt und trägt andererseits 12 strahlenförmig angeordnete Radialträger, sowie 36 Haupt- und 48 Hilfsspieren, die alle der Parabolform angepaßt sind. Diese, die eigentliche Spiegelform ergebende Sekundärkonstruktion ist aus Leichtmetall der Legierung Al/Mg- Si F 32 hergestellt. Die Vorderseite ist nicht mit einem vollen Blech sondern mit einer perforierten Blechhaut mit kleinen quadratischen Löchern (10 mm) belegt. Die Leichtmetallkonstruktion wurde wegen der günstigeren Wartung und dem geringeren Gewicht gewählt.

Da der Spiegel nicht direkt über dem Unterbau gelagert werden konnte, muß er von mächtigen Gegengewichten im Gleichgewicht gehalten werden. Diese Gegengewichte befinden sich in dem stahlblechverkleideten Aufsatz, der die bauliche Verbindung zwischen Unterbau und Spiegel bildet. Kleinere Gewichte an Auslegerkonstruktionen sollen den Kippvorgang erleichtern.

Im Inneren ist die Ausstattung des Radioteleskops im Laufe der Zeit erneuert worden. Erhaltenswert ist der heute im Eingangsbereich aufgestellte Empfänger, mit dem die Dreh- und Kippbewegung des Spiegels entsprechend der Erdbewegung gesteuert werden konnte. Zum Denkmal Radioteleskop Stockert ist das umzäumte Grundstück mit Wegeführungen und aufstehenden Gebäuden, insbesondere das Wärter- und Unterkunftshaus zugehörig (s. beiliegenden Lageplan).


Bedeutung

Das Radioteleskop auf dem Stockert markiert den Anfang der radioastronomischen Forschung. Als Pionierbauwerk ist er neben dem nur wenig älteren Spiegel in Dwingeloo bedeutend für die Geschichte eines Wissenschaftsbereiches, dem wir wesentliche Erkenntnisse über die Entstehung der Welt verdanken. Als Zeuge für die Frühform einer heute weltweit verbreiteten Technik ist er technikgeschichtlich von Bedeutung.

Weiterhin verdeutlicht das Radioteleskop zeichenhaft die Anstrengungen der noch jungen Bundesrepublik Deutschland den Anschluss an die technische Entwicklung der Vorkriegszeit zu gewinnen. Das Bauwerk war als Symbol gedacht für die wiedererwachte Leistungsfähigkeit von Technik und Wirtschaft in Deutschland. Es ist damit auch ein Denkmal für eine Periode, die heute in den Geschichtsbüchern als Wirtschaftswunderzeit verankert ist. Ob das Radioteleskop zugleich auch als ein Dokument für die in Deutschland konfliktreich geführte Diskussion um die Wiederbewaffnung und Aufrüstung gesehen werden muss, bedarf zukünftiger Forschung auch unter Auswertung der Bundeswehrarchive.

In architektonischer Hinsicht verkörpert das Radioteleskop eine herausragende Leistung des Stahl- und Leichtmetallbaus. Interessant ist auch hier die Verbindung zu der vor dem Krieg bereits zur Blüte gebrachten Technik des Luftschiffbaus. Bemerkenswert sind die zu riesenhaften Dimensionen entwickelten Bauteile, die zum Drehen und Kippen des Spiegels dienen.

Schließlich ist die landschaftsbeherrschende Lage von Bedeutung, die das Radioteleskop zu einer kilometerweit sichtbaren Orientierungsmarke in diesem Teil der Eifel macht.


Literatur

• Leo Brandt (Hrsg.), Einweihung des Radioteleskops (= Bücherei der Funkortung), Dortmund 1956
• Günter Hochgürtel, Schüssel kontrollierte den Berliner Korridor, in: Kölner Stadt-Anzeiger 18.1.1995
• O. Mohr/H. Klessmann, Antriebs- und Nachführungsprobleme der radioastronomischen Empfangsanlage auf dem Stockert, in. Telefunken Zeitung 29, 1956, S. 166-174
• Th. Pederzani, Überlegungen zum Bau der Radio-Sternwarte auf dem Stockert, in: Telefunken Zeitung 29, 1956, S. 157-166
• Wolfgang Reich, Radioastronomie am 225 m Teleskop auf dem Stockert, in: Sterne und Weltraum 17, 1978, S. 350-363
• Konstantin Stauber (Hrsg.), Westdeutsche Wirtschafts-Monographien. Folge 5 Elektrowirtschaft, Köln 1958