Zeche & Kokerei Anna
Alsdorf, Bahnhofstraße | Herzogenratherstraße
Walter Buschmann
Zeche und Kokerei Anna


Kurztext

Nur noch wenige Bauten und technische Anlagen sind von der Grube Anna erhalten geblieben. Es war lange Zeit die größte Zeche des Aachener Reviers, deren Entstehung seit 1850 die Überwindung großer technischer Schwierigkeiten voraussetzte. Die dabei gewonnenen Erfahrungen waren auch für die Entwicklung des Ruhrbergbaus wichtig. Unter den erhaltenen Objekten sind besonders das Fördergerüst des Hauptschachtes (1814-23) mit zugehöriger Dampffördermaschine (1922), die Elektrofördermaschine des Eduardschachtes (1910/11), die Gasmaschinenzentrale der Kokerei (1906/09) und die Turbinenzentrale (1911/28/38) hervorzuheben.


Geschichte Zeche und Kokerei Anna

Jahrhundertelang beschränkte sich der Steinkohlenbergbau im Aachener Revier auf die oberflächennahen und daher leicht erschließbaren Steinkohlenvorkommen in den Tälern und auf den begleitenden Höhenrücken der Flüsse Inde und Wurm. Im Osten war das Revier begrenzt durch den sogenannten Feldbiss, eine Verwerfung im Steinkohlengebirge, die dort das Auffinden und die ertragreiche Verwertung von Steinkohlenvorkommen fraglich erscheinen ließ.

Bohrversuche von 1840 bestätigten zwar die Fortsetzung der Steinkohlenfelder im Osten. Das Karbon befand sich jedoch unter einem für das Abteufen von Schächten problematischen Deckgebirge aus diluvialem Geröll und wasserreichen Schichten aus reinem, tonigem und mit Lehm vermischtem Sand. Die Schwierigkeiten erschienen zunächst unlösbar.

1846/47 wurden neue Bohrversuche nahe der Dörfer Hoengen und Alsdorf unternommen. Drei Bohrgesellschaften lieferten sich einen Wettlauf um die Konzessionen. Bei Hoengen erfolgten die Bohrversuche auf Veranlassung des Markscheiders Eduard Honigmann, der als treibende Kraft und eigentlicher Begründer des Steinkohlenbergbaus östlich des Feldbisses gilt.

In Konkurrenz zu Honigmann und seinen Mitgesellschaftern standen die Vereinigungsgesellschaft und der Eschweiler Bergwerks-Verein, die ihre Grubenfelder nach Osten auszudehnen wünschten und der aus einer Kölner Industriellenfamilie stammende Aachener Regierungsrat Theodor Jacob Bredt. Bredt hatte den zuvor für Honigmann tätigen Steiger Wilhelm Sassenberg abgeworben und war mit seinen Bohrversuchen bei Alsdorf so erfolgreich gewesen, daß er Mitte 1847 eine Abbaukonzession für die enorme Fläche von 49,6 km2 beantragte. In Auseinandersetzung mit den drei Konkurrenten, vergab das Bergamt im Mai, Juli und August 1848 schließlich an Honigmann und seine Mitstreiter das Feld Maria mit 1,74 qkm, an Bredt das Feld Anna mit 14,9 qkm und an die Vereinigungsgesellschaft, in Verbindung mit dem Pannesheider Bergwerksverein und Jules Gernaert aus Lüttich, das Feld Gemeinschaft mit 13,6 qkm. Da das Feld Gemeinschaft zunächst nicht angegangen wurde, entwickelten sich die Gruben Maria und vor allem Anna zu Anlagen, die zu den größten Bergwerken im Aachener Revier heranwuchsen.

Theodor Jacob Bredt gründete zur Realisierung seiner Abbaurechte die Gewerkschaft Anna zusammen mit namhaften Bankiers und Industriellen aus Köln. Unter technischer Leitung durch den Obersteiger Wilhelm Sassenberg wurde 1850 mit Abteufung des Schachtes 1 (Hermannschacht) begonnen. Bedingt durch den problematischen geologischen Aufbau des Deckgebirges wurde - wie für die Grube Maria - erstmals das Sackbohrverfahren in größerem Maßstab angewendet, und für die Schachtauskleidung wurden die aus dem englischen Bergbau bekannten Tübbings verwendet. Tübbings sind aus mehreren Segmenten zusammengefügte gußeiserne Ringe, die, dem Bohrer folgend, das kreisrunde Profil des Schachtes sichern. Anna dürfte das erste deutsche Bergwerk gewesen sein, bei dem seit Herbst 1850 diese Methode der Schachtauskleidung Verwendung fand. Der Ire William Thomas Mulvany führte die Tübbings bei Anlage der Grube Hibernia in Herne erst 1855 in den Ruhrbergbau ein.

Schwimmsandeinbrüche erforderten für den Hermannschacht eine zweite und schließlich eine dritte Tübbingssäule, in die zusätzlich ein hölzernes Schachtviereck mit einer von Traßmörtel mit Ziegelstücken hinterfüllten, damit wasserdichten Schrotzimmerung eingefügt wurde. Der Schachtquerschnitt reduzierte sich damit von ursprünglich 3,1 m auf 2,4 m und konnte nur noch zwei Fördertrume aufnehmen.

Zur Hebung der zufließenden Wasser war beim Hermannschacht zunächst ein Pferdegöpel eingesetzt worden, der die mit Wasser gefüllten Tonnen zu Tage förderte. 1851 wurde eine Dampfmaschine mit 40 PS zur Förderung und Wasserhaltung aufgestellt.

Der Hermannschacht wurde 1853 fertiggestellt und kam 1854 mit erst noch bescheidener Förderung von 53417 Ctr. (= 2770 t) Fettkohle in Betrieb.

Schon das Bergamt hatte in seiner Konzession für das Feld Anna den Bau einer Doppelschachtanlage zur Auflage gemacht. Durch den im Verlauf der Abteufarbeiten immer geringer werdenden Querschnitt des Hermannschachtes war dieser nicht mehr zur Aufnahme der Einrichtungen für Wasserhaltung und Fahrung geeignet. Ein zweiter Schacht war zwingend notwendig geworden, wurde im Frühjahr 1853 in Angriff genommen und konnte innerhalb von sechs Monaten mit der ersten Sohle in 150 m Teufe fertiggestellt werden. Auch der Schacht 2 (= Josefschacht) mußte mit einer zweiten Tübbingssäule gesichert werden und hatte nur einen Durchmesser von 2,06 m. Die zugehörige Wasserhaltungsmaschine mit 250 PS wurde 1855 konzessioniert und wohl auch im gleichen Jahr in Betrieb genommen.

Grube Anna war über eine 5,0 km lange Pferdebahn entlang der Prämienstraße mit dem Bahnhof Herzogenrath der Aachen-Krefelder Eisenbahn verbunden. An der Bahnstation diente eine Verladebühne zur Beladung der Eisenbahnwaggons.


Architektur und Technik der Gründungsanlage

Aus den wenigen überlieferten historischen Fotografien und Lageplänen läßt sich erkennen, daß die 1851-54 auf grüner Wiese erbaute Doppelschachtanlage Anna aus zwei traufständigen, zweigeschossigen Schachthäusern bestand. Die beiden Schächte lagen in einer Entfernung von etwa 65 Metern. Die Schachthäuser für Hermann- und Josefschacht waren in den Vorderansichten dreiachsig ausgebildet, mit großen Rundbogenöffnungen im Erdgeschoß und kleineren, zwillingsweise zusammengefaßten Rundbogenfenstern im Obergeschoß. Die Giebel waren über Lünettfenster belichtet. Auch der Josefschacht hatte mittig über der Vorderfassade ein zweiachsiges Zwerchhaus. Zwischen den beiden Schachthäusern erstreckte sich, leicht zurückspringend aus der Flucht der dominierenden Schachthäuser, ein niedrigerer Mitteltrakt mit Satteldach und Mittelrisalit. Auf der Rückseite des Mitteltraktes lag das Kesselhaus mit einem über quadratischem Grundriß errichteten Kamin von 26,35 m Höhe.

Die Wasserhaltungsmaschine am Josefschacht von 1855 war wohl direkt innerhalb des Schachthauses aufgestellt worden. Es war eine einfach wirkende Dampfmaschine mit 250 PS Leistung, 2,01 m Zylinderdurchmesser und 2,94 m Hub. Zur Wasserhaltungsmaschine gehörten drei Kessel.

An das Schachthaus des Hermannschachtes waren drei Flügel angefügt. In einem dieser Flügel war die Fördermaschine aufgestellt. Die 40 PS starke, liegende Dampfmaschine von 1851 aus der Werkstatt von Heinrich Graeser jun. in Eschweiler Pumpe hatte einen Kolbendurchmesser von 0,57 m und einen Hub von 1,86 m. Sie war als kombinierte Wasserhaltungs- und Fördermaschine gebaut worden (vgl. Grube Langenberg/Herzogenrath. In Verlängerung der Kolbenstange wurde durch ein Feldgestänge das über dem Schacht stehende Kunstkreuz mit dem daran befestigten Pumpengestänge bewegt. Die Förderung erfolgte durch Seiltrommeln. Die Kohle wurde zunächst in Kübeln mit 2 bis 2 1/4 t Inhalt auf Fördergestelle nach Übertage gebracht. Im Kesselhaus waren drei Kessel und zwei Bouilleur zum Betrieb der Fördermaschinen aufgestellt.

Historische Fotos zeigen über dem Hermannschacht ein mit Sicherheit nachträglich errichtetes, eisernes Fördergerüst mit zwei Seilscheiben direkt oberhalb des Firstes. Die zugehörige Fördermaschine war im rechten Seitenflügel untergebracht. Mit dem Bau dieses Fördergerüstes erfolgte wohl die Umstellung von Tonnen- auf Wagenförderung in zweietagigen Förderkörben. Auf jeder Etage konnte ein Wagen mit 500 kg gefördert werden. Der Schacht hatte 1881 eine Teufe von 248 Meter.

1862 war die Schachtanlage ergänzt worden durch eine Kokerei mit Coppée-Öfen. Die Ofenbatterien standen in zwei parallel angeordneten Reihen. Die vorderste Koksofenreihe war in die Flucht der Schachthäuser gesetzt worden.

Die Doppelschachtanlage der Grube Anna hatte weitaus bescheidenere Dimensionen als die zeitgleichen Anlagen des Ruhrbergbaus (vgl. die Zechen Zollverein in Essen und Oberhausen in Oberhausen) und verdeutlicht damit auch den verschiedenartigen Entwicklungsstand der beiden Reviere in den 1850er Jahren.



Grube Anna als EBV-Zeche

Knapp zehn Jahre nach Aufnahme der Förderung wurde Grube Anna 1863 vom Eschweiler Bergwerks-Verein (EBV) übernommen. Der Ankauf der Grube war für den EBV zu einer geradezu zwingenden Notwendigkeit geworden, um gegenüber der starken Konkurrenz der Ruhrkohle ein leistungskräftiges Gegengewicht im Aachener Revier zu schaffen und zugleich einen besonders durch Anlage der Kokerei immer stärker werdenden Konkurrenten im eigenen Revier durch Übernahme zu beseitigen. Schon 1864 förderte Anna halb so viel wie das ganze Inderevier. Der Schwerpunkt des EBV begann sich zu verlagern vom Inde- zum Wurmrevier.

In den 1870er Jahren betrieb der EBV einen konsequenten Ausbau der Grube Anna, mit dem Ziel, daß die Grube zukünftig die gesamte Kohleförderung des Unternehmens betreiben sollte. Schon 1869 war mit dem Abteufen des Franzschachtes begonnen worden und im gleichen Jahr wurde mit dem Abteufbeginn für den Wilhelmschacht die Basis für das eigenständige Bergwerk Anna II geschaffen. Die Gründungsanlage wurde als Grube Anna I geführt.

Über die beide neuen Schächte ist nur wenig bekannt. Sie waren jeweils ausgestattet mit Malakowtürmen. Die Förderung im Wilhelmschacht erfolgte wie im Hermannschacht über zweietagige Förderkörbe mit je einem Förderwagen von 500 kg pro Etage. Der Schacht hatte 1881 eine Teufe von 251 Metern. Der Franzschacht mit einem Durchmesser von 3,3 Metern wurde mit einer leistungsfähigen Dampfmaschine ausgestattet zum Hauptförderschacht der Grube Anna. Er war verbunden mit einer 1878 erbauten Wäsche, die sich als erforderlich erwies, weil es häufige Klagen der Abnehmer über die allzu großen Verunreinigungen der Förderkohle mit Berge gab. Auch der Wilhelmschacht war mit einer Separation ausgestattet.

Die Verkehrsanbindung der Grube war schon 1871 durch den Bau eines normalspurigen Anschlußgleises zum Bahnhof Stolberg der Rheinischen Eisenbahn erheblich verbessert worden. Seit 1875 war die Grube an die Aachener Industriebahn angeschlossen, die eine günstige und unmittelbare Verbindung zur Aachener Industrie ermöglichte.

Auch die Kokerei wurde großzügig ausgebaut. Bis 1898 waren 212 Koksöfen entstanden, darunter auch 20 von der Fa. Dr. C. Otto & Comp./Bochum.

In den Jahrzehnten von 1877 bis 1900 konnte die Grube Anna ihre Jahresförderung von 160.000 t auf 600.000 t ausbauen. Die Zahl der Bergleute stieg im gleichen Zeitraum von 670 auf 1800. Anna hatte damit zur Jahrhundertwende eindeutig die Spitzenposition im Aachener Revier erobert, war jedoch verglichen mit den großen Ruhrgebietszechen, die schon in den 1890er Jahren mehr als 1,0 Mio t Kohle förderten (Zollverein, Prosper, Consolidation), nur von mittlerer Größe.

Zur Unterbringung der Bergleute waren erst nach 1870 zwei kleinere Siedlungen, die Hermannskolonie an der Weinstraße und die Kolonie Wilhelmschacht entlang der Herzogenrather Straße entstanden. 1879 gab es 158 Beamten- und Arbeiterwohnungen und bis 1901 waren 202 Wohnungen geschaffen worden.


Das Bergwerk der Jahrhundertwende

Den entscheidenden Anstoß zu einem gewaltigen Ausbau von Zeche und Kokerei gaben die Lieferverträge über Koks, die der EBV mit den Röchling'schen Eisen- und Stahlwerken in Völklingen 1901 schloß. Der Vertrag lief bis 1920 und verpflichtete den EBV zur jährlichen Lieferung von 250.000 t Koks ins Saarland.

1902-1911 entstanden auf bislang unbebautem Gelände zwei räumlich eng zusammenhängende, aber betrieblich getrennt geführte Kokereien mit 402 Öfen in 7 Batterien. Sechs Batterien waren mit Koppers-Regenerativöfen (Quer- und Längsregeneratoren) und die siebte mit Collin-Öfen ausgestattet. Die Kokerei lieferte 1860 t Koks pro Tag und war eine der größten Europas.

Zu den Kokereien gehörten große Nebenproduktenanlagen mit Ammoniak- und Benzolfabriken. In einer Gaskraftzentale wurde mit neun Gasmaschinen 9 MW Strom erzeugt. Der Strom diente in erster Linie zur Versorgung der Grube Anna. Über eine Hochspannungsleitung war auch die Grube Eschweiler Reserve angeschlossen.

Etwa gleichzeitig mit Entstehung der neuen Kokerei wurde Anna II ausgebaut. 1904-11 entstand nahe des Wilhelmschachtes der Eduardschacht. Es war erst der zweite Schacht mit Doppelförderung im Aachener Revier (nach dem von Goerschen-Schacht der Grube Gouley). Das Fördergerüst war mit vier paarweise übereinander angeordneten Seilscheiben ausgestattet. Es nahm damit eine Konstruktion vorweg, die später auch für den Hauptschacht der Grube Anna (erhalten) realisiert wurde. Der Eduardschacht hatte 1926 eine Leistung von 2000 t am Tag mit einer Steigerungsfähigkeit auf 2500 t/Tag.

Auf Anna I entstand in diesen Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende ein Kraftwerk (1910/11) und mit dem Verwaltungs- und Kauengebäude (1906/13) wurde ein neues baulich-/städtebauliches Verhältnis zwischen Grube und Stadt definiert.

Zur besseren Bewetterung der Nordfelder wurde 1911-14 der Schacht Anna III in Oidtweiler abgeteuft und mit einem Förderturm versehen.

In Folge des gewaltigen Ausbaus der Anna-Schächte und der Kokerei wurden neue Siedlungen zur Unterbringung der Bergleute notwendig. Nach den Ideen der Gartenstadtbewegung entstand 1905-1909 die Siedlung Kellersberg mit 525 Wohnungen. In einem zweiten Bauabschnitt wurde Kellersberg 1910-12 noch einmal um 115 Häuser in aufgelockerter Bauweise erweitert.


Interessengemeinschaft EBV-Arbed

Durch die zunächst auf 30 Jahre beschränkte Verbindung des EBV mit den Vereinigten Hüttenwerken Burbach-Eich-Düdelingen (ARBED) wurde 1913 eine enge Bindung zur Eisen- und Stahlindustrie hergestellt. EBV und ARBED blieben zwar unabhängige Eigentümer ihres Vermögens und selbständige juristische Per-sonen, doch lag ab 1913 die Geschäftsführung des EBV mit der endgültigen Entscheidung über Neueinrichtungen, den An- und Verkauf von Immobilien usw. allein bei der ARBED. Der Bergbau des EBV hatte fortan dienende Funktion, war allein abhängig vom Bedarf der Hüttenwerke und hatte andererseits weitgehende Sicherheit für den Absatz von Industriekohle und Koks. Die Förderung von Kokskohle und deren Umwandlung in Koks mußte zur Hauptaufgabe des EBV werden.

Unter Führung durch die ARBED erlebten Grube und Kokerei Anna in den 1920er Jahren einen gewaltigen Aus- und Umbau der Übertagesanlagen. Da die alten Schächte der Anlage Anna I mit ihren engen Schachtquerschnitten (Hermannschacht 2,0 m; Josefschacht 2,4 m; Franzschacht 3,3 m) nicht dem zeitgemäßen Standard entsprachen, wurde der Hauptschacht 1921-23 mit einem Durchmesser von 6,0 m im Gefrierverfahren niedergebracht und mit Doppelförderung ausgestattet. Die Schachthalle hatte eine geräumige Hängebank mit selbsttätigem Wagenumlauf. Die Wäsche wurde von der Fa. Meguin AG in Butzbach 1922 geliefert. Die Gestaltung der Übertageanlage übernahmen die renommierten Industriearchitekten Erberich und Scheeben/Köln.

Die Kokerei wurde ab 1922/23 weitgehend erneuert. Unter dem prägnant in Hammerkopfform gestalteten Kokskohlenturm entstanden neue Koksofenbatterien, mit denen die Leistungskraft auf 2330 t pro Tag in den 1930er Jahren gesteigert wurde. Die Nebenproduktenanlage wurde nach dem System Still unter Zufügung von Bauten für Kondensation, Ammoniak- und Benzolerzeugung erneuert. In Ergänzung zur Kokerei entstand 1927-31 eine Ferngasanlage, durch die das überschüssige Kokereigas von der Fa. Thyssen nach Aachen, Köln, Düren, Stolberg, Eschweiler usw. geliefert wurde. Auch die Bauten und Anlagen der Kokerei wurden von Erberich und Scheeben realisiert.

Mitten in der Auf- und Umbauphase erschütterte die Zeche am 21.10.1930 eine gewaltige Schlagwetterkatastrophe mit 271 Todesopfern. Die Druckwelle sprengte das Fördergerüst des Eduardschachtes in die Höhe und zerstörte auch die Schachthalle und Teile des angrenzenden Zechengebäudes. Fördergerüst und Schachthalle des Eduardschachtes wurden 1931 erneuert. Die Erweiterung von Grube und Kokerei in den 1920er Jahren zog neue Siedlungsanlagen nach sich. Östlich von Anna II entstand die Siedlung Busch durch die Aachener Bergmannssiedlungsgesellschaft. In einem ersten Bauabschnitt wurden 1920-25 94 Wohnungen und 1925-29 noch einmal 230 Wohnungen gebaut. Für Anna III entstand 1924-1928 die Siedlung Neuweiler nach Entwürfen von Erberich und Scheeben.


Anna als Teil leistungsstarker Verbundbergwerke nach 1945

Die Grube Anna blieb während des Krieges von Fliegerangriffen weitgehend verschont. Die mehrere Monate bei Alsdorf verlaufende Frontlinie führte jedoch zu zahlreichen Granateinschlägen auf dem Grubengelände. Durch Treffer im Kesselhaus kam es zeitweise zur Unterbrechung der Stromerzeugung und der Was-serhaltung, so daß die 610 m Sohle 15 m unter Wasser stand. Der Betrieb wurde mit einer Notbelegschaft aufrechterhalten. Gefördert wurden jedoch nur 150 t Kohle pro Tag, um die Beheizung der Kessel sicherzustellen.

Nach dem Krieg erreichte die Förderung 1953 mit 6653 Mann schon wieder 6500 t Kohle pro Tag. Inzwischen war als wichtigste Neubaumaßnahme 1950 bis 1953 mit Krediten der Wiederaufbaubank ein Kraftwerk nach Plänen des Architekten Hans Schwippert errichtet worden. Ermutigt durch die Zusammenlegung der Gruben Gouley und Laurweg wurde Anna 1951-1954 unter Zusammenfassung der Anlagen I und II zu einem Verbundbergwerk ausgebaut. Schacht Franz wurde 1952-54, mit einem neuen Förderturm ausgestattet, zum Hauptförderschacht mit 5500 t Tagesleistung. Über den Hauptschacht wurden 2000 t pro Tag gefördert. Die Pläne für die neuen Tagesanlagen mit dem Förderturm für den Franzschacht lieferte der Dortmunder Ar-chitekt Willi Görgen, der zeitgleich das Bergwerk Emil Mayrisch entwarf.

1957-1957 wurden die Koksofenbatterien V bis VIII vollständig durch die Fa. Koppers erneuert . Die Batterien II, III und IV entstanden 1952, 1959, 1961 und 1968 über dem alten Grundriß, während für die Batterie I 1948 nur der Oberbau erneuert wurde. 1973 erreichte die Förderung mit einer Tagesleistung von 7300 t Spitzenwerte (vgl. Zollverein in Essen mit 5000 t/Tag seit 1961 und ca. 9000 t/Tag seit 1972/73; Kokerei Hansa in Dortmund erreichte nach dem Ausbau 1967/1968 eine Leistung von 5200 t).

Die gewaltige Aufbauleistung der 1950er Jahre schlug sich auch in einem umfangreichen Wohnungsbauprogramm nieder. Ab 1952 entstand aus Mitteln des Marschall-Planes die Siedlung Ofden mit 599 Häusern, überwiegend in Zeilenbauweise. Die Siedlungen Busch und Kellersberg wurden erweitert und ab 1955 entstand Alsdorf-Ost mit etwa 1000 Wohnungen.

1963-68 wurden Franz-, Haupt- und Eduardschacht bis zur neuen Hauptfördersohle in 860 m Teufe niedergebracht. 1972 erfolgte der Verbund zwischen den Gruben Anna und Adolf und 1983 der Verbund zwischen Anna und der Grube Emil Mayrisch. Das Fördergut wurde nun auf Emil Mayrisch zu Tage gebracht und verarbeitet. Die Aufbereitungsanlagen der Grube Anna wurden abgebrochen. Mit Stilllegung von Emil Mayrisch endete auch die Geschichte Grube Anna als produzierendes Bergwerk am 18.12.1992.


Gleisanlagen und Rangierlokomotiven der Grube Anna

Zur Grube Anna gehörte ein ungewöhnlich ausgedehntes Gleisnetz. Östlich vor Franz- und Hauptschacht lagen in einer Mulde die sechs Gleise des Zechenbahnhofes von Anna I. Im Bereich des Hauptschachtes stand über den Gleisen die Wäsche, die mit der Schachthalle dieses Schachtes eine bauliche Einheit bildete. Der Franzschacht überbrückte mit dem westlichen Teil des Wagenumlaufes den Zechenbahnhof.
Die Schienenstränge des Zechenbahnhofes von Anna I vereinigten sich in einer Weichenstraße, die mit einer Folge von Weichen bestückt war und bis zu der nach Herzogenrath und Stolberg führenden Eisenbahnstrecke reichte. In Verlängerung der Weichenstraße reichte ein Gleis bis seitlich vor das Betriebsgebäude des Eduardschachtes.

Von der Weichenstraße über Weichen abzweigend erstreckten sich die Gleise unter Mischanlage und Sieberei der Kokerei. Über eine Weiche vereinigten sich die Gleise und fanden Anschluß an das Gleis vor den Koksofenbatterien (Löschwagengleis).

Bis zuletzt wurde der Rangierbetrieb im Gleisnetz des Verbundbergwerkes Anna/Emil-Mayrisch mit Dampflokomotiven durchgeführt. Es war die letzte Zeche in Deutschland, die noch unter Verwendung der eigengeförderten Kohle einen umfangreichen Bestand von Dampflokomotiven betrieb. Das Bergwerk war dafür unter Eisenbahnfreunden in ganz Deutschland bekannt und berühmt. Durch eine Auswahl sollen die reviertypischen Lokomotiven, die zudem für die Geschichte des Reviers von Bedeutung sind, am Standort Alsdorf erhalten bleiben.

Lokomotive Anna Nr. 1, 1949; Hersteller: Henschel & Sohn/Kassel (Fabrik-Nr. 25167) Die Lokomotive wurde für die BASF in Ludwigshafen gebaut, war auf der Ilseder Hütte und auf der EBV-Zeche Westfalen in Ahlen im Einsatz und kam 1972 zur Grube Anna. Die vierachsige Lokomotive hat eine Leistung von 600 PS und eine Zugkraft von 12247 kg. Sie gehörte zur typischen Nachkriegstypenreihe D600 der Firma Henschel. Zeitweise waren vier Lokomotiven dieses Typs gleichzeitig auf der Grube Anna im Betrieb. Es war die klassische Alsdorfer Rangierdampflok.

Lokomotive Anna Nr. 8, 1938; Hersteller: Henschel & Sohn/Kassel (Fabrik-Nr. 24396) Die Lokomotive wurde 1938 für die Hersfelder Kreisbahn in Hessen gebaut und kam 1960 zur Grube Anna. Es ist eine vierachsige Lokomotive mit 600 PS und einer Zugkraft von 9800 kg. Die Lokomotive gehört zur Bauart ELNA, die seit den 1920er Jahren von der Firma Henschel besonders für Kleinbahnen in Deutschland gebaut wurde. Es handelt sich um die revierälteste Lokomotive und ist über das Aachener Revier hinaus als Beispiel eines ehemals weit verbreiteten Kleinbahntyps von Bedeutung.

Lokomotive Anna Nr. 12, 1961; Hersteller: Fa. Krupp, (Fabrik-Nr. 4248) Gebaut für die EBV-Zeche Westfalen in Ahlen, kam die Lokomotive 1973 zur Grube Anna, war 1983-1991 auf der Grube Emil Mayrisch im Einsatz und war seit 1991 wieder auf der Grube Anna in Betrieb. Mit 850 PS und 17860 kg Zugkraft gehörte die vierachsige Lokomotive zu den leistungsstärksten Zugmaschinen des EBV. Die Firma Krupp hatte diesen Lokomotivtyp (Bauart Bergbau) speziell für Verschiebearbeiten auf Zechen entwickelt. Er war eine der letzten Dampflokomotiven, die in Deutschland gebaut wurden.

Lokomotive Emil Mayrisch Nr. 4, 1949; Hersteller: Henschel & Sohn/Kassel (Fabrik Nr. 26468) Die dreiachsige Rangierlok mit 400 PS und einer Zugkraft von 7200 kg wurde für die Glaswerke Ruhr in Essen-Karnap gebaut, war auf den EBV-Zechen Gouley, Carl Alexander und Adolf im Einsatz und kam 1975 zur Grube Emil Mayrisch. Gegenüber den anderen Lokomotiven repräsentiert dieser Typ einen anderen Leistungsbereich und ist wegen der Verwendung auf zahlreichen EBV-Gruben für das ganze Revier von historischer Bedeutung.

Dampfspeicherlok der Ancit-Fabrik, 1915, Hersteller: Fa. Hohenzollern/Düsseldorf (Fabrik-Nr. 3337) Die Maschine wurde gebaut für die Gesellschaft für Teerverwertung in Duisburg-Meiderich, und kam 1964 zur Zweigniederlassung des Unternehmens in Alsdorf (später Ancit-Fabrik). Die zweiachsige Lokomotive hat eine Leistung von ca. 150 PS und 1690 kg Zugkraft. Sie ist nach dem typischen Hohenzollern-Prinzip mit innenliegenden Zylindern gebaut. Lokomotiven dieser Art wurden auch auf Eschweiler Reserve, Anna und Maria Hauptschacht seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts genutzt .


Bedeutung

Über die bereits für die einzelnen baulichen und technischen Anlagen dargestellten Bedeutungsaspekte hinausreichend, hatte die Grube Anna als Ganzes eine hochrangige Denkmalbedeutung, die sich aus einer Zusammenschau von historischer Entwicklung und überlieferter Substanz ergibt.

Allein durch die Grube Anna eröffnete sich eine sinnvolle Möglichkeit, die historische Ostwanderung des Bergbaus im Aachener Revier in seiner ganzen Tragweite zu belegen. Anna hatte ebenso wie die benachbarte Grube Maria - von der keine denkmalwerten Relikte erhalten sind - für das Aachener Revier die gleiche Bedeutung wie die Mergelschächte für die Entwicklung des Ruhrbergbaus.

Zwar ist der Entstehungszeitpunkt der Zeche in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Anna nicht mehr in gegenständlichen Zeugnissen greifbar, doch wird immerhin der Standort einer der ältesten Bergwerksanlagen östlich des Feldbiß dokumentiert.

Die weitere Entwicklung der Grube Anna zum Zentrum des Bergbaus im Aachener Revier spiegelt sich in der erhaltenen Technik und Architektur.

Hervorzuheben sind die Fördereinrichtungen, die auf Anna I und Anna II, jeweils in ihrer Zeit, die Funktion der Hauptförderung erfüllten. Von großem Wert war die Überlieferung mehrerer Arten von Fördermaschinen: die Dampffördermaschinen des Hauptschachtes, die frühe Elektrofördermaschine des Eduardschachtes und die Elektro-Turmfördermaschinen des Franzschachtes. Die immerhin noch erhaltenen Fördermaschinen des Hauptschachtes und des Eduardschachtes sind wichtige technikgeschichtliche Zeugnisse des Steinkohlen-bergbaus in Deutschland.

Von überregionaler Bedeutung ist auch die besondere Art der Elektrizitätserzeugung auf Grube Anna, die mit der Turbinenzentrale überliefert wird.

Der Aufschwung des Aachener Steinkohlenbergbaus im 19. Jh. hatte wesentlich mit der Koksproduktion zu tun. Die Grube Anna war im Aachener Revier der einzige Standort, an dem sich dieser Sachverhalt noch durch erhaltene Koksöfen darstellen ließ. Zwar waren auch hier die baulichen und technischen Anlagen aus der Anfangszeit der Zeche nicht überliefert. Doch zeigten die erhaltenen Bauten, die im wesentlichen den Entwicklungsphasen 1903-09 und 1927-31 zuzuordnen waren, ein eindrucksvolles Bild von der Bedeutung des Kokereiwesens im Aachener Revier. Im überregionalen Vergleich ergab sich für Alsdorf ein für Deutschland einzigartiger Dokumentationswert. An keinem anderen Standort waren derart zahlreiche Anlagen aus der Zeit der Jahrhundertwende erhalten, die in Alsdorf ergänzt wurden durch die nahezu komplett erhaltene Technik der 1920er Jahre. Alsdorf hätte für die Dokumentation der Geschichte des Kokereiwesens eine zentrale Rolle für ganz Deutschland übernehmen können.

Die überragende technikhistorische Bedeutung wurde ergänzt durch die architektonische Qualität der Bauten und deren architekturhistorische Bedeutung. Die Bemühungen um einen mustergültigen Ausbau der Anlagen in den 1920er Jahren kamen auch darin zum Ausdruck, daß mit Erberich und Scheeben zwei renommierte Industriearchitekten beauftragt wurden. Erberich hatte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg einen Namen im Industriebau, speziell mit Entwürfen für Bergwerke und Kokereien, gemacht. Er hatte die gestalterischen Möglichkeiten erkannt, die in den Bauaufgaben der Industrie verborgen waren. Sein Lebenswerk umfaßte Zechenanlagen, oft auf der Grundlage ganzheitlicher Entwürfe, im Ruhrgebiet, im schlesischen Kohlerevier, in Rumänien und England. Seine Bedeutung und Anerkennung als fortschrittlicher Architekt wird daran deut-lich, daß eines seiner Werke - Kaue der Zeche Barmen in Sprockhövel - 1913 im Jahrbuch des Deutschen Werkbundes veröffentlicht wurde. Erberich war ein Industriearchitekt, der den Weg der Architektur zur Moderne aktiv mitgestaltete. Die Bauten von Grube und Kokerei Anna waren Dokumente für die hervorra-gende Rolle, die die Industriearchitektur in diesem Prozeß spielte.


Literatur

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