Schlachthof Aachen
Aachen, Metzgerstraße | Liebigstraße


Kurztext

Planungen für eine Aachener Schlachthof gab es seit 1877. Die Ursprungsanlage entstand 1890 bis 1894 auf einem Grundstück am großräumigen Industriegelände zwischen Jülicher Straße und Grüner Weg. Erweitert wurde der Schlachthof 1904-06 und 1927-30. Der Schlachthofbetrieb wurde 2002 eingestellt. Das Gelände wird als Gewerbegebiet neu entwickelt.


Walter Buschmann
Schlachthof Aachen


Geschichte

Die Geschichte der Schlachthöfe im 19. Jahrhundert war verbunden mit den Versorgungsansprüchen einer stetig und zuweilen sprunghaft wachsende Stadtbevölkerung, mit steigenden Anforderungen an die Hygiene sowie die Übertragung von mechanisierten und arbeitsteiligen Produktionsformen aus der Industrie auf Schlachtung, Tierverarbeitung und Lebensmittelherstellung. Noch gefördert durch das preußische Schlachthofgesetz von 1868 entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen großen Städten des Landes kommunale Schlachthöfe in überwiegend anspruchsvollen Architekturformen des Historismus, in denen sich das wachsende Selbstbewußtsein des städtischen Bürgertums spiegelte.

Seit 1877 gab es in Aachen Überlegungen zum Bau eines neuen Vieh- und Schlachthofes außerhalb der Stadt auf freiem Gelände mit gutem Eisenbahnanschluß um auch Viehlieferungen aus der Ferne, aus Westfalen oder dem Ausland empfangen zu können. Stadtbaumeister Joseph Stübben wurde mit der Planung beauftragt. Stübben wandte sich an den damals führenden Spezialisten zum Schlachthofbau Georg Osthoff mit der Bitte um Angabe sinnvoller Vergleichsbeispiele. Osthoff nannte: Köln, Elberfeld, Barmen, Bochum, Krefeld und in weiterer Ferne München, Stuttgart und Basel. In der Gesamtdisposition stimmte der neue Aachener Vieh- und Schlachthof am stärksten mit dem 1881 erbauten Schlachthof Hannover überein.

Mit dem Entwurf der Anlage wurden 1886/88 Stübbens Nachfolgern im Amt des Stadtbaumeisters Johannes Richter, Josef Laurent und Karl Heuser beauftragt. Auf Richters Generalprojekt von 1886 basierte die bis in die baulichen Details reichende Entwurfsarbeit von Heuser und Laurent. Die Ursprungsanlage wurde 1890 bis 1894 errichtet. Zur Unterbringung der Hallenmeister und Schlachthofmitarbeiter entstand an der Feldstraße nach einem beschränkten Wettbewerb 1899-1903 eine Wohnhausbebauung nach Plänen von Hermann Thelen. 1904 bis 1906 gab es eine erste Erweiterung des Schlachthofes mit einem zweiten Kühlhaus und einer Verkehrshalle zwischen den drei Schlachthallen und dem neuen Kühlhaus. Die Schlachthallen wurden renoviert und mit einer neuen Schlacht- und Fleischtransporttechnik ausgestattet.

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es wiederholt Aufforderungen durch die Metzgerinnung und die Viehhändler zur Erweiterung und Modernisierung der Gesamtanlage. Nach einem Konzept von Schlachthofdirektor Goslar entstanden im Hochbauamt der Stadt Aachen umfassende Planungen, die einem Neubau des ganzen Vieh- und Schlachthofes gleichkamen. Die Pläne und ein zugehöriges Schlachthofmodell (nicht erhalten) wurden 1926 auf der Gesolei (Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübung) in Düsseldorf gezeigt. Realisiert wurde nur etwa ein Viertel dieser Gesamtplanung. Die unter Einfluß der von Wilhelm Kreis entworfenen Ausstellungsbauten der Gesolei stehenden Neubauten des Aachener Schlachthofs wurden 1927-30 nach Plänen von Stadtbaurat Kirchbauer ausgeführt. Im Zentrum der Neubautätigkeit standen eine Fleischmarkthalle mit Fleischabholhalle und Uhrenturm. Auch in den 1930er Jahren entstanden Erweiterungsbauten: 1930 eine Markthalle für Großvieh und 1938 eine Großmarkthalle (nicht erhalten). Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Schlachthof besonders im südöstlichen Bereich durch Bombentreffer starke Schäden mit Verlust der Fleischmarkthalle und des Kühlhauses 2. 1967 wurde der Vieh- und Schlachthof von der "Vieh- und Fleischversorgung Aachen e.G. (VFA) übernommen. 2002 wurde der Schlachtbetrieb eingestellt.


Beschreibung

Firmengelände aus sicht der Liebigstraße, Foto 2001
Die Gesamtanlage war geprägt durch eine strenge Trennung der Schlacht- und Lebendviehseite. Das Vieh gelangte über ein Anschlußgleis der Aachen-Jülicher Eisenbahn mit langgstrecktem Entladegleis in die westlich gelegenen Viehhofhallen, von denen nur die Kälbermarkthalle erhalten ist. Vieh- und Schlachthof waren durch einen schmiedeeisernen Zaun mit drei großen Toren getrennt. Direkt neben dem Direktionsgebäude wurden die Schlachttiere über eine Brückenwaage getrieben, um aus dem Gewicht die Schlachtgebühr errechnen zu können. Die Waage wurde von einem Kassenzimmer im Verwaltungsgebäude aus bedient. Die Tiere wurden anschließend in die drei Schlachthallen getrieben.

Die Anordnung der Gebäude folgte dem in Deutschland überwiegend ausgeführten sogenannten französischen Schlachthoftyp mit separat angeordneten Hallen und Betriebsgebäuden. Dominant waren in der Gesamtdisposition die drei parallel stehenden mit außerordentlich schmuckvollen Giebelausbildungen versehenen Schlachthallen für Schweine, Rinder und Kälber (ursprüngliche Funktionsbestimmung der Hallen: Schweineschlachthalle, und zwei gleichartige Hallen für Groß- und Kleinvieh, die später speziell für Rinder und Kälber genutzt wurden). Die Hallengiebel waren auf einen Platz ausgerichtet, der zugleich die Eingangssituation prägte und im Mittellage zwischen Vieh- und Schlachthof eine Verteilfunktion für das aus dem Viehhof in die Schlachthallen getriebenen Schlachtviehs hatte.

An einer Schmalseite des Platzes war der repräsentativ ausgebildete Hauptzugang zum Schlachthofs angeordnet mit den nahezu gleichartig ausgebildeten Verwaltungs- und Restaurantgebäuden. Dazwischen lag in Insellage das Portierhaus. Restaurant und Portierhaus sind nicht erhalten. Der Platz wurde weiterhin begrenzt durch den Giebel von Kühlhaus 1 und der direkt gegenüberliegenden Kuttlerei mit Düngerhaus.

Besondere Aufmerksamkeit galt der Energie- und Wasserversorgung. In einer durchgehenden Gebäudeflucht entstand direkt im Anschluß an das Kühlhaus 1 ein Maschinenhaus für die von der Firma Linde gelieferten Ammoniak- und Kühlmaschinen. Es folgten der Wasserturm, Kesselhaus mit Schornstein und Kohlenlager. Separiert von den übrigen Gebäuden wurde das Pferdeschlachthaus direkt an der Feldstraße angeordnet.

Auf den vorsorglich zur Erweiterung der Schlachthallen vorgehaltenem Gelände entstand 1904-06 das Kühlhaus 2 und die alle drei Schlachthallen mit dem neuen Kühlhaus 2 verbindende Verkehrshalle. Der Erweiterungskomplex der 1920er Jahre wurde dem Kühlhaus 2 vorangestellt. Markthalle mit Fleischabholhalle und dem Uhrenturm bildeten seither eine zur Stadt gelegene Schauseite des Schlachthofs.

Die Gesamtdisposition des Aachener Vieh- und Schlachthofes ist auch heute noch gut ablesbar, obwohl durch Zusatzbauten am ehemaligen Viehverteilplatz, durch Kriegszerstörungen und Abbrüche Veränderungen eingetreten sind. Der Vieh- und Schlachthof ist eine entstehungsgeschichtlich, funktional und architektonisch zusammenwirkende Anlage, die als ein Baudenkmal mit folgenden Teilen einzustufen ist:


Verwaltungs- und Direktionsgebäude, 1894

Verwaltungsgebäude, Foto 2012
Das dominant an der Hauptzufahrt zum Schlachthof gelegene Gebäude ist ein zweigeschossiger Backsteinbau mit halbem Mansarddach. Die zur Metzgerstraße und zum Viehverteilplatz liegenden Hausecken sind abgeschrägt und durch Giebelaufbauten betont. Mittig zwischen den angeschrägten Gebäudeecken liegt in der dreiachsigen Schmalseite der Haupteingang. In der sechsachsigen Straßenfassade sind die beiden Mittelachsen durch einen Dreiecksgiebel betont. Die Fassadengliederung wird geprägt durch Hausteinelemente und kunstvoll geschmiedete Maueranker im Stil der Neorenaissance. Die meisten Holzfenster und die Hauseingangstür sind in ursprünglicher Ausbildung und Profilierung erhalten. Im Inneren sind im Flur der Fußbodenbelag mit Mettlacher Fliesen, Holztreppe und mehrere Innentüren aus der Bauzeit überliefert.



Kälberschlachthalle, 1894

Kälberschlachthalle, Foto 2012
Schräg gegenüber dem Verwaltungs- und Direktionsgebäude ist von den drei Schlachthallen die Kälberschlachthalle in Substanz und Erscheinungsbild am besten überliefert. Sie entstand als Groß- und Kleinviehschlachthalle und wurde erst später speziell nur zur Schlachtung von Kälbern verwendet. Die Backsteinhalle mit flachem Satteldach erhebt sich über einem Sandsteinsockel mit Basaltlavaabdeckung. Die Ziegelfassaden sind durch mit Blendbögen zusammengefaßte Fensterpaare gegliedert und sparsam mit Hausteinelemente geschmückt. Hervorgehoben ist die zum Verteilerplatz liegende schmale Giebelseite, in der die Schlußsteine mit Tierköpfen(Fa. Schiffer/Raeren) geschmückt sind. Betont war die Mittelachse mit einem Giebelaufsatz in Formen der Neorenaissance und einem Inschriftenstein mit Angabe der Hallenfunktion.

Kälberschlachthalle innen, Foto 2012
Die Innenkonstruktion besteht aus zwei Reihen heute feuerfest ummantelter Gußsäulen. Die durch eine abgehängte Decke verkleidete Dachkonstruktion besteht vermutlich wie bei den benachbarten Schlachthallen aus Vollwandträgern über den Seitenschiffen und parallelgurtigen Gitterträgern mit Strebenfachwerk über dem Mittelschiff. Das als Lüftungsaufsatz höher ausgebildete Mittelschiff wird über eine Glasdecke belichtet. Das Dach der Seitenschiffe besteht aus preußischen Kappen mit Bimsbeton und einer Deckung aus Dachpappe. Die Innenverblendung aus gelben Ziegelsteinen wird durch ein Ziermuster mit großen Rauten und Schmuckbändern in roten Ziegeln geschmückt. Der Sockelbereich ist mit hellen Fliesen versehen.

Die beiden Parallelhallen für Schweine und Rinder waren gleichartig ausgebildet. Die Giebel sind durch spätere Anbauten jedoch nicht mehr erhalten.


Verkehrshalle, 1906

Verkehrs- und Kälberschlachthalle, Foto 2007
Südöstlich den Schlachthallen vorgelagert entstand die 70,3x15m große Verkehrshalle. Die Längswände bestehen aus den Giebelfassaden der Schlachthallen und auf der anderen Seite aus den Mauern des zugleich mit der Verkehrshalle entstandenen Kühlhauses 2. Die 12m hohe Halle wird von 14 Sichelträgern überspannt. Über dem Wellblechdach erhebt sich im Firstbereich eine Lüftungslaterne unterbrochen. Von den beiden Schmalgiebeln ist der nördliche noch in der Ursprungsfassung weitgehend erhalten. Ein großer Mauerwerksbogen folgt der Rundung der Dachbinder und verbreitert sich zum Boden hin. In die untere Bogenlinie sind Natursteinkeile eingelassen. Der Bogen wird bekrönt von zwei Ecktürmchen mit rundbogigen Aufsätzen und einem rundbogigen Mittelgiebel mit senkrechten Putzstreifen. Die große Rundbogenöffnung wird durch zwei Natursteinpfeiler mit Dreiecksaufsätzen unterteilt. Die beiden Pfeiler tragen eine Giebelschürze in Stahl-/Glaskonstruktion. Der südliche Giebel wurde innerhalb des Mauerwerkbogens durch einen späteren Fassadeneinbau beeinträchtigt.


Kuttlerei und Düngerhaus, 1894

Kuttlerei und Düngerhaus, Foto 2012
Die beiden kleinen Backsteinhallen sind über einen zum Verteilplatz offenen Laubengang miteinander verbunden. Die in Hanglage errichteten Gebäude haben ein nach Westen sich öffnendes Untergeschoß.

Die Kuttlerei ist giebelständig zum Platz angeordnet. Die dreiachsigen Schmalseiten sind in der Mittelachse überhöht ausgebildet. Die überhöhten Giebelmittelteile mit großen Lünettfenstern (zugemauert) verdecken einen großen Entlüftungsaufsatz über dem First des flachen Satteldaches. Die Fenster- und Türöffnungen sind segmentbogig ausgebildet mit Sturzbegleitstreifen in Form des Deutschen Bandes. Die Schmalseiten sind von segmentbogigen Zwillingsfenstern durchbrochen. Die Innenkonstruktion besteht analog zu den Schlachthallen aus Gußsäulen mit geschwungenen Konsolen und Vollwandträgern. In der Kuttlerei wurden die entleerten Eingeweide des Schlachtviehs zusammen mit Kalbsköpfen und Hacksen in großen Brühbottichen gebrüht. Die Bottiche standen im Mittelteil des Gebäudes und wurden mit Dampf aus dem Kesselhaus geheizt.

Das Düngerhaus ist traufständig zum Verteilplatz errichtet. Das flache Satteldach ist an den Giebeln weit auskragend ausgebildet mit profilierten Pfetten, Kopfbändern und Stummelstützen auf profilierten Konsolen. Die Belichtung erfolgt über die Traufseiten durch schmale Zwillingsfenster in leicht zurückspringenden segmentbogigen Wandfeldern. Die aus den Schlachthäusern kommenden Eingeweide des Schlachtviehs wurde im Obergeschoß entleert. Die Eingeweide gingen in die Kuttlerei, ihr Inhalt gelangte über Öffnungen im Fußboden in verschließbare, eiserne Wagen im Untergeschoß.


Pferdeschlachthalle, 1894

Pferdeschlachthalle, Foto 2012
Die kleine Backsteinhalle mit flachgeneigtem Satteldach und sechs Fensterachsen in den Traufseiten weist unterschiedliche Fensterformen auf. Die Schmalgiebel sind fensterlos und werden von Treppengiebeln bekrönt. Die unterschiedlichen Fensteröffnungen in den Traufseiten deuten die Doppelfunktion des Gebäudes an: zur Feldstraße war die mit großen Segementbogenfenstern belichtete Schlachthalle angeordnet. In der anderen Gebäudehälfte befand sich ein Stall für 12 Pferde mit kleineren Segmentbogenfenstern für den eigentlichen Stallbereich und schmalen Lüftungsschlitzen für den darüber liegenden Heuboden.


Wasserturm, 1894

Wasserturm, Foto 2007
Der viergeschossiger Backsteinturm mit Natursteinstreifen wurde auf querrechteckigem Grundriß mit vorspringendem Zeltdach errichtet. Der auskragende Dachbereich lagert auf profilierten Pfettenköpfen und schrägen Stützpfeilern auf. Das Geschoß für die Wasserbehälter ist leicht vorspringend ausgebildet über einem Rundbogenfries mit abgestuften Ziegelkonsolen. In der Fassadengliederung der Untergeschosse dominiert ein großer segmentbogiger Blendbogen, der in der Vorderfassade die Geschosse zusammenfaßt. Die Fensteröffnungen sind segmentbogig ausgebildet. Im Turmkopf befinden sich zwei zylinderförmige Wasserbehälter mit 200m3 für kaltes und 25 cm3 Fassungsvermögen für warmes Wasser. Die Geschosse unter dem Behältern wurden für die Wohnung des Maschinisten, das Erdgeschoß für die Stromerzeugung und das erste Obergeschoß für die Ammoniakabkühlung verwendet.


Fleischabholhalle mit Uhrenturm, 1926/27-30

Uhrenturm. Rechts daneben die Fleischabholhalle, Foto 2012
Die Fleischabholhalle war Teil eines großzügigen Erweiterungsprogrammes für den Schlachthof nach Plänen von Stadtbaurat Kirchbauer. Im Zentrum der Erweiterung stand eine Markthalle, die direkt neben der Fleischabholhalle stand und durch Kriegseinwirkung zerstört wurde. Die Markthalle wurde in gleichartiger Konstruktion und Architektur wie die Fleischabholhalle erbaut.

Die erhalten gebliebene Fleischabholhalle hatte eine ähnliche Funktion wie die den Schlachthallen direkt angegliederte Verkehrshalle: der Transport von Fleisch sollte zwischen den Betriebsräumen und zu den Fahrzeugen vor Witterung geschützt werden. Die Halle diente zur Verladung der in der Fleischmarkthalle verkauften Ware und sollte Raum für mehrere Fahrzeuge bieten.

Die Halle hat eine Grundflüche von 65x18m und eine Höhe von 11,09m. Sie wird überspannt von neun Stahlbetonbogenbindern. Die Dachhaut besteht aus einem Zementschalendach auf Pfetten. Die orthogonal proportionierten Backsteinaußenwände sind der Halle so vorgeblendet, dass die Rundungen der Bogenbinder im äußeren Erscheinungsbild nicht zum Ausdruck kommen. Dominant treten in den Fassadengliederungen die großen Portalrahmen für Ein- und Ausfahrten an den Hallenschmalseiten in den Vordergrund. Diese Portalrahmen aus Kunststein mit getreppten Laibungen sind auf etwa halber Höhe durch einen horizontalen Sturzbalken aus Kunststein geteilt. Über dem Sturzbalken entstehen durch vertikale Fensterstöcke schlankhochrechteckige Fensterbahnen. Augenfälliges Element der Fassadengestaltung sind die Kopfbänder mit regelmäßig vor- und rückspringenden halbsteinstarken Ziegelstreifen. Die auch auf den Uhrenturm überspringenden Kopfbänder sind durch horizonale Kunststeingesimse eingefaßt.

Der 1930 entstandene 4 1/2 geschossige Uhrenturm wird in der zur Feldstraße gelegenen Hauptfassade geprägt durch die horizontale Verdachung über den beiden Doppeltüren im Erdgeschoß, das vertikale Fensterband zur Treppenhausbelichtung, schlitzartige Horizontalfenster für die Geschosse und die großen Ziffernblätter einer Uhr im überhöht ausgebildeten Turmeckbereich. Fenster- und Türöffnungen sind mit Kunststeinlaibungen eingefaßt, wobei die Türlaibungen wie bei der benachbarten Halle gestuft sind. Der Turm ist im Inneren in ein bis zwei Räume unterteilt. Das zu diesen Räumen führende Treppenhaus ist überdimensioniert und vermutlich für einen dreigeschossigen Bürotrakt berechnet, der sich vor der Fleischabholhalle zur Metzgerstraße erstrecken sollte.

Der Hof vor Uhrenturm und Fleischabholhalle ist mit einer Backsteinmauer mit Kunststeinabdeckungen eingefaßt.


Kälbermarkthalle, 1894

Das Gebäude wurde als Großviehmarktstall erbaut und schließt direkt an den Garten des Direktions- und Verwaltungsgebäudes an. Der Backsteinbau mit flachem Satteldach ist in den Fassaden zweigeschossig ausgebildet mit zwillingsweise zusammengefaßten Segmentbogenfenstern und doppelflügeligen Türen in den Erdgeschossen und schmalen Öffnungen zur Belüftung der Heuböden in den Obergeschossen. Besonders aufwändig gestaltet sind die dreiteilig aufgebauten Giebel mit höher ausgebildetem Mittelbereich. Dieser segmentförmig gebogene Mittelteil wird bekrönt von einer muschelförmigen Ornamentform im Scheitelpunkt. Die Traufe wird von einem gestreckten Konsolgesims wuchtig verstärkt. Neben dem bogenförmigen Mittelteil sind die leicht zurücktretenden Seitenbereiche horizontal abgeschlossen. Die zurückliegenden Wandfelder in beiden Seitenbereichen werden von Rundbogenfriesen bekrönt.

Die Innenkonstruktion besteht aus Gußeisenstützen in drei Reihen und Kappendecken auf durchlaufenden Blechträgern. Durch den Umbau der Halle zur Diskothek wurde ein Teil der Innenkonstruktion entfernt und der Westgiebel so umbaut, dass der Giebel nun im Innenhof eines Atriums liegt. Das Gebäude wurde dadurch zwar in seiner Gesamtwirkung beeinträchtigt, ohne dass jedoch der aufwändige Westgiebel in der Substanz verlorenging..


Bedeutung

Bau und Einrichtung der Schlachthöfe gehörten zu den großen Infrastrukturmaßnahmen der Städte im 19. Jahrhundert. Es waren Einrichtungen, die im Zuge von Agglomeratonstendenzen regelmäßig den Übergang zu großstädtischen Verhältnissen anzeigten. In diesem Sinne ist der Vieh- und Schlachthof in Aachen von ortsgeschichtlicher Bedeutung.

Vielfach wurden Bauten und Anlagen der städtischen Ver- und Entsorgung in anspruchsvollen Formen des Historismus gestaltet. Ausschlaggebend war der Wunsch zur Darstellung eines städtischen Selbstbewußtseins, das an mittelalterliche Blütezeiten des Städtewesens anknüpfte und besonders an den kommunalen Bauaufgaben präsentiert wurde. Zwar ist der Vieh- und Schlachthof in Aachen durch Krieg und Abbrüche in seiner Aussagefähigkeit reduziert, doch zeugen Bauten wie das Direktions- und Verwaltungsgebäude, Kuttlerei und Düngerhaus, Kälberschlachthalle, Wasserturm, Pferdeschlachthaus und Verkehrshalle noch von dem hohen Gestaltungsanspruch für städtische Infrastruktureinrichtung im ausgehenden wilhelminischen Kaiserreich.

Uhrenturm, Schaubild 1926

Wie stark auch noch in den 1920er Jahren die Bauaufgabe Schlachthof zur Repräsentation bürgerlichen Selbstbewußtseins diente, zeigt der Uhrenturm an der Fleischabholhalle. In verkleinerter Form taucht hier eine Bauform auf, die sonst den Rathäusern oder Bahnhöfen vorbehalten war. Die Einflüsse der von Alfred Fischer geprägten Essener Schule oder der Gesolei-Bauten von Wilhelm Kreis in Düsseldorf sind unübersehbar. Die vom Stadtbaumeister Kirchbauer gestalteten Erweiterungsbauten des Schlachthofes sind daher gute Beispiele für die Verbreitung von Avantgarde-Architektur in Westdeutschland. Die Architektur in dieser Region war in den 1920er Jahren weniger von der weißen Putzarchitektur des Internationalen Stils, sondern stärker von regionalen Entwicklungstendenzen geprägt. Dennoch ist hier nur wenig zu spüren von der Formenwelt des sogenannten "Rheinischen Expressionismus" mit seiner Vorliebe für spitzwinklige, kristalline Formen oder historische Zitate. Stärker wird die Verbindung zur kubischen Architektur des Bauhauses spürbar, so wie es die Essener Schule um Alfred Fischer vielfach demonstriert hat.

Gußeisenkostruktion in der Kälberschlachthalle, Foto 2012
Konstruktionsgeschichtlich bedeutend sind die Gußeisenstützen in den älteren Hallen und die Betonbogenbinder in der Fleischabfuhrhalle. Die Verwendung von Gußeisenstützen für Hallenkonstruktionen ist vergleichsweise selten. Gußeisenstützen waren typisch für Stockwerksbauten besonders in der Textilindustrie und im Speicherhausbau. Für Hallen wurden überwiegend zu Stützen und Bindern zusammengesetzte gewalzte Profile verwendet. Um den Anforderungen der Hallenbauweise zu genügen, sind die Gußstützen in den Schlachthallen des Vieh- und Schlachthofes Aachen von ungewöhnlicher Höhenentwicklung. Interessant sind auch die Knotenpunkte zur Verbindung von Stützen und Unterzügen mit den elegant geformten Konsolträgern.

Versandhalle, innen, Foto 2007
Der Verwendung des Druckbogens gehört zu den ältesten Konstruktionsmitteln in der Architektur. Aus dem Steinbau kommend, zählten Bogenbinderkonstruktionen im Stahlbau des 19. Jahrhunderts zu den gewaltigsten Bauwerken jener Zeit. Erst im 20. Jahrhundert wurden mit der zunehmenden Verbreitung der Betonbauweise solchen Bogenbinder häufiger auch in Beton ausgeführt. Die Münchener Großmarkthalle von R. Schachner 1908-11 ist ein Pionierbauwerk dieser Konstruktionsweise. Obwohl die Körperlichkeit der Konstruktionsglieder in Beton dem Formempfinden der Avantgardearchitektur in den 1920er Jahren entgegenkam, gibt es vergleichsweise wenig erhaltene Beispiele dieser Bauweise. Die Fleischabfuhrhalle des Aachener Vieh- und Schlachthofes muß daher mit dem von den Betonbogenbindern geprägten beeindruckenden Raumerlebnis als selten gewordenes Beispiel eines baugeschichtlich interessanten Bautyps eingestuft werden.